Ausgewählte Erzählungen & Abenteuerromane (21 Titel in einem Band). Robert Louis Stevenson

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Ausgewählte Erzählungen & Abenteuerromane (21 Titel in einem Band) - Robert Louis Stevenson

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aber immer nur durch Verrat, nie durch das Schwert«, schrie er laut und schlug mit der Faust auf den Tisch. Aber ich maß dem wenig Bedeutung zu, denn ich wußte, daß gewöhnlich diejenigen, die unterlegen waren, solche Dinge zu sagen pflegten. »Sie haben noch mehr getan,« fuhr er fort, »und alles zum gleichen Zweck; haben ihr Wort gebrochen, sich falscher Papiere bedient, Hausierertricks übelster Art, und stets den Anschein gewahrt, als wäre alles gesetzlich, um einen nur noch wütender zu machen.«

      »Ihr, der Ihr so freigebig seid mit Euren Knöpfen, Alan,« sagte ich, »ich kann mir schwerlich vorstellen, daß Ihr ein guter Geschäftsmann seid.«

      »Ah,« sagte er und lächelte gleich wieder, »meine Freigebigkeit stammt von demselben Mann, von dem die Knöpfe stammen: und das ist mein Vater, Duncan Stewart, Gott hab' ihn selig! Er war der beste Mann aus seiner ganzen Familie und der beste Kämpfer des Hochlandes, David, und daß heißt so viel, wie der ganzen Welt. Ich muß es wissen, denn er war es, der mich unterwies. Er war bei der schwarzen Garde, als sie zum erstenmal gemustert wurde. Nun, und als der König einmal sehen wollte, wie Krieger des Hochlandes das Schwert zu führen verstünden, da wurden er und drei andere ausgewählt und in die Stadt London geschickt, um dem Könige das Beste dieser Art zu zeigen. So brachte man sie an den Ort und sie zeigten zwei Stunden lang ohne Unterbrechung alle ihre Fechtkünste vor König Georg und Königin Karoline und vielen anderen, deren Namen ich vergessen habe. Und als sie fertig waren, redete sie der König freundlich an und gab jedem Mann drei Guineen in die Hand. Als sie nun aus dem Palast gingen, mußten sie an einer Portierloge vorbei. Da fiel es meinem Vater ein, da er vielleicht der erste Edelmann des Hochlandes sei, der diese Türschwelle überschreite, daß es gut wäre, diesem armen Türsteher einen richtigen Begriff ihres Standes zu geben. So legte er des Königs drei Guineen-Stücke in die Hand des Mannes, als wäre dies so seine Gewohnheit. Die drei, die nach ihm kamen, taten das Gleiche und so standen sie auf der Straße, nicht um einen Pfennig reicher trotz aller Mühe. Der eine sagte, dieser wäre der erste gewesen, der des Königs Türsteher entlohnt hätte, der andere wieder, es wäre jener gewesen. Aber die Wahrheit ist, daß es Duncan Stewart war, was ich jederzeit mit dem Schwert oder der Pistole zu beweisen bereit bin. Und das war mein Vater, Friede seiner Asche!«

      »Ich glaube, er war nicht der Mann, Euch Reichtümer zu hinterlassen«, sagte ich.

      »Das ist wahr«, sagte Alan. »Er hinterließ mir meine Hosen um meine Blößen damit zu bedecken, aber wenig mehr. Und so geschah es, daß ich mich anwerben ließ – ein schwarzer Fleck auf meiner Ehre – und, fiele ich in die Hände der Rotröcke, noch heute eine üble Geschichte für mich.«

      »Wie,« rief ich, »Ihr wart in der englischen Armee?«

      »Jawohl«, sagte Alan. »Aber ich ging noch rechtzeitig auf die andere Seite über – und das tröstet mich einigermaßen.«

      Ich konnte seine Ansicht nicht teilen, denn ich hielt das Desertieren aus dem Heere für ein unverzeihliches, entehrendes Verbrechen. Aber ich war klug genug, so jung ich auch war, das, was ich mir dachte, nicht laut zu sagen. »Du meine Güte,« sagte ich, »darauf steht die Todesstrafe.«

      »Ja,« sagte er, »bekämen sie mich zu fassen – es gäbe eine kurze Beichte und einen langen Strick für Alan! Aber ich trage den Befehl des Königs von Frankreich in meiner Tasche und das wäre doch ein gewisser Schutz.«

      »Das bezweifle ich sehr«, sagte ich.

      »Ich zweifle selbst daran«, sagte Alan trocken.

      »Ja, um Himmelswillen, Mensch,« rief ich, »ein verurteilter Rebell, ein Deserteur und einer der Leute des französischen Königs wie Ihr – was führt Euch in dieses Land zurück? Das heißt das Schicksal versuchen.«

      »Pah!« sagte Alan, »ich war seit sechsundvierzig jedes Jahr wieder da!«

      »Und was führt Euch her?« rief ich.

      »Ja, siehst du, ich sehne mich nach meinen Freunden und nach meiner Heimat«, sagte er. »Frankreich ist sicherlich ein vortreffliches Land, aber ich sehne mich nach der Heide und dem Wild. Und dann hab' ich auch eine kleine Aufgabe hier. Ich sammle ein paar Burschen für den Dienst des Königs von Frankreich, Rekruten, weißt du, und das bedeutet ein wenig Geld. Aber die Hauptsache ist die Angelegenheit meines Hauptmannes Ardshiel!«

      »Ich habe geglaubt, Euer Hauptmann hieße Appin«, sagte ich.

      »Ja, aber Ardshiel ist das Oberhaupt des Clans«, was mich nicht sehr aufklärte. »Siehst du, David, er, der all sein Leben lang ein so großer Mann gewesen ist, vom Blute der Könige stammt und ihren Namen trägt, ist nun gezwungen, in einer französischen Stadt wie ein armer, bürgerlicher Mensch zu leben. Er, der über vierhundert Schwerter verfügte – ich sah ihn mit diesen meinen Augen Butter auf dem Marktplatz kaufen und sie in einem Kohlblatt heimtragen. Dies ist für uns, die wir seines Blutes und seines Clans sind, nicht nur ein Schmerz, sondern auch eine Schande. Da sind auch die Kinder, die Hoffnung Appins, die in jenem Lande unterrichtet werden müssen, in der Wissenschaft und in der Kunst, ein Schwert zu führen. Nun müssen die Pächter Appins dem König Georg Abgaben zahlen. Aber sie sind standhaft und ihrem Hauptmann treu. Und mit Liebe und unter geringem Druck, vielleicht auch hin und wieder unter einer kleinen Drohung kratzen die armen Leute noch eine zweite Abgabe für Ardshiel zusammen. Nun siehst du, David, ich bin die Hand, die das befördert.« Und er schlug auf seinen Gürtel, den er um die Mitte trug, so daß die Goldstücke klirrten.

      »Sie zahlen beides?« rief ich.

      »Ja, David, beides«, sagte er.

      »Wie? zwei Renten?« wiederholte ich.

      »Ja, David«, sagte er. »Diesem Kapitän da hab' ich die Geschichte anders erzählt, aber dies ist die Wahrheit. Und es ist wunderbar, wie wenig es des Druckes bedarf. Aber das ist die Sache eines Verwandten und Freundes meines Vaters, James von Glens, James Stewart, das ist Ardshiels Halbbruder. Er ist es, der das Geld einsammelt und verwaltet.«

      Dies war das erstemal, daß ich James Stewarts Namen nennen hörte, der nachher, zur Zeit, da er gehängt wurde, so berühmt geworden ist. Aber im Augenblick gab ich nicht sehr acht, denn ich war ganz erfüllt von dem Edelmut jener armen Hochlandsbewohner.

      »Das nenne ich großmütig«, rief ich. »Ich bin ein Whig oder nicht viel mehr, aber das nenne ich großmütig.«

      »Ja,« sagte er, »du bist ein Whig, aber du bist ein Edelmann und das macht es aus. Wärst du aber einer von dieser verfluchten Rasse der Campbells, würdest du mit den Zähnen knirschen, hörtest du davon sprechen. Wärst du der Rotfuchs...« Bei diesen Worten biß er die Zähne zusammen und schwieg. Ich habe manch grimmiges Gesicht gesehen, aber niemals eines wie Alans, als er des Rotfuchses erwähnte.

      »Und wer ist der Rotfuchs?« fragte ich erschrocken, aber doch neugierig.

       »Wer er ist?« rief Alan. »Warte, das will ich dir sagen. Als die Clansmänner bei Culloden geschlagen worden waren und mit ihnen zugleich auch die gute Sache fiel und die Pferde bis über die Fesseln im besten Blute des Nordens wateten, da mußte Ardshiel über die Berge fliehen wie ein gehetztes Wild – er und die Herrin und die Kinder. Es war eine harte Arbeit für uns, ehe wir sie eingeschifft hatten. Und als er noch in der Heide lag, da griffen die englischen Schurken, die seines Lebens nicht habhaft werden konnten, seine Rechte an. Sie beraubten ihn seiner Macht, sie beraubten ihn seines Landes, sie nahmen seinen Clansmännern die Waffen ab – die seit dreizehn Jahrhunderten Waffen getragen hatten – ja, sie rissen ihnen die Kleider von den Schultern, so daß es jetzt eine Sünde geworden ist, einen karierten Plaid zu haben und jeder eingesperrt werden kann, der einen schottischen Rock um die Lenden trägt. Eines konnten sie nicht töten: das war die Liebe, die der

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