Ausgewählte Erzählungen & Abenteuerromane (21 Titel in einem Band). Robert Louis Stevenson

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Ausgewählte Erzählungen & Abenteuerromane (21 Titel in einem Band) - Robert Louis Stevenson

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      Kapitel XIII

       Der Untergang des Schiffes

       Inhaltsverzeichnis

      Es war schon spät nachts und so finster, als es um diese Jahreszeit überhaupt sein konnte (und das heißt, es war immer noch recht hell), als Hoseason seinen Kopf zum Kajütenfenster hereinsteckte.

      »Da,« rief er, »kommt heraus und seht zu, ob Ihr steuern könnt.«

      »Ist das wieder ein neuer Trick«, fragte Alan.

      »Schau ich nach Tricks aus?« rief der Kapitän. »Ich habe andere Sachen im Kopf – das Schiff ist in Gefahr!«

      Es war uns beiden klar seinem beunruhigten Gesichtsausdruck und insbesondere dem scharfen Ton nach, in dem er vom Schiff sprach, daß es ihm toternst zumute war. Und so gingen Alan und ich ohne große Angst vor neuem Verrat aufs Deck.

      Der Himmel war klar. Es blies scharf und war bitter kalt. Helles Tageslicht lag noch über dem Meere und der Mond, der beinahe voll war, schien hell.

      Die Nacht war nicht so übel und ich wunderte mich, was den Kapitän so sehr bedrückte, als das Schiff plötzlich von einer großen Woge hoch emporgehoben wurde und er, den Arm ausstreckend, uns zurief, dorthin zu sehen. Drüben auf der Leeseite erhob sich etwas wie ein Springbrunnen aus der mondbeschienenen See und unmittelbar darauf hörten wir ein tiefes Dröhnen.

      »Wie nennt Ihr das?« fragte der Kapitän düster.

      »Die See bricht sich an einem Riff«, sagte Alan. »Und jetzt wißt Ihr wo die Untiefe ist, was wollt Ihr noch?«

      »Ja,« sagte Hoseason, »wenn es die einzige wäre.«

      Und wirklich, während er noch sprach, erhob sich weiter südlich ein zweiter Springbrunnen.

      »Da,« sagte Hoseason, »da seht selbst. Wenn man diese Riffe kennen würde, oder wenn ich eine Karte hätte, oder wenn Shuan verschont geblieben wäre – nicht sechzig Guineen, nein, auch nicht sechshundert hätten mich dazu gebracht, mein Schiff in einem solchen Steinfeld aufs Spiel zu setzen! Und Ihr, Herr, der uns steuern sollte, wißt Ihr gar nichts zu sagen?«

      »Ich denke nach,« sagte Alan, »das werden die sogenannten Torranfelsen sein.«

      »Sind es viele?« sagte der Kapitän.

      »Wahrhaftig, Herr, ich bin kein Steuermann,« sagte Alan, »aber es kommt mir so vor, als ob sie auf einer Strecke von zehn Meilen verteilt wären.«

      Herr Riach und der Kapitän sahen einander an.

       »Es wird doch wohl einen Weg zwischen durch geben?« sagte der Kapitän.

      »Sicherlich,« sagte Alan, »aber wo? Es kommt mir wieder so vor, als wäre er näher dem Lande.«

      »So«, sagte Hoseason. »Dann müssen wir den Kurs ändern, Herr Riach; wir müssen so nahe an das Ufer von Mull herankommen, als es nur geht, Herr; übrigens wird uns dann das Land den Wind abhalten und wir haben dieses Steinfeld auf der Seeseite. Nun, jetzt sind wir einmal drinnen, da können wir auch ebenso gut anfahren.«

      Damit gab er dem Steuermann einen Befehl und schickte Riach an den Vormars des Schiffes. Es waren nur fünf Mann auf Deck, die Offiziere mit inbegriffen. Das waren alle, die zur Arbeit tauglich waren (oder zumindest sowohl tauglich als auch willig) und zwei von ihnen waren verwundet. Das heißt also, es fiel Herrn Riach zu, hinaufzusteigen und er saß dort und schaute aus und verständigte das Deck von allem, was er sah.

      »Südlich ist die See ganz voll von den Riffen,« rief er und dann nach einer Weile, »landwärts scheint sie klarer zu sein.«

      »Gut, Herr,« sagte Hoseason zu Alan, »wir wollen Euren Weg versuchen. Aber ich glaube, ich könnte mich ebenso gut einem blinden Geiger anvertrauen. Betet zu Gott, daß Ihr Recht habt.«

      »Bete zu Gott darum!« sagte Alan zu mir. »Wo habe ich es nur gehört? Gut also, es geschehe, was geschehen muß.«

      Als wir der Landbiegung näherkamen, waren die Riffe hier und dort mitten auf unseren Wege gesät und Herr Riach schrie gar manches Mal zu uns herunter, daß wir den Kurs änderten. Und manches Mal wahrhaftig nicht zu früh. Eines der Riffe war so dicht an der Windseite des Schiffes, daß, als eine Woge sich dagegen brach, die Gischt über das Deck spritzte und uns wie ein Regen durchnäßte.

      Die Helligkeit der Nacht zeigte uns diese Gefahren so deutlich wie das Tageslicht, was vielleicht nur um so beunruhigender war. Sie zeigte mir auch das Gesicht des Kapitäns, der neben dem Steuermann stand – bald auf diesem, bald auf dem anderen Fuß – sich manchmal in die Hände blies, immer horchend und spähend und so kühl wie Stahl. Weder er noch Herr Riach hatten sich beim Kampf sehr bewährt, aber ich sah, daß sie in ihrem Beruf tapfer waren und bewunderte sie um so mehr, da ich Alan sehr blaß fand.

      »Ach ja, David,« sagte er, »dies ist nicht die Todesart, die ich mir wünschte.«

      »Wie, Alan,« rief ich, »du fürchtest dich doch nicht?«

      »Nein,« sagte er, seine Lippen befeuchtend, »aber du wirst selbst zugeben, es ist ein kaltes Ende.«

      Endlich kündete uns Herr Riach von oben an, daß er klares Wasser vor sich sehe.

      »Ihr habt Recht gehabt«, sagt« Hoseason zu Alan. »Ihr habt das Schiff gerettet, Herr. Das will ich Euch gedenken, wenn es zwischen uns zur Abrechnung kommt.« Und ich glaube, daß er das, was er sagte, auch wirklich meinte und getan hätte, einen so hohen Platz hielt die Covenant in seinem Herzen.

      Aber das ist nur eine Sache von Vermutungen, da die Dinge anders kamen als er es voraussah.

      »Haltet sie einen Punkt weiter weg«, schrie Herr Riach auf. »Riff windwärts!«

      Und im selben Augenblick erfaßte die Flut das Schiff und warf den Wind aus seinen Segeln. Das Schiff wurde vom Wind wie ein Kreisel herumgewirbelt und schlug im nächsten Augenblick mit solchem Krach gegen das Riff, daß es uns alle flach aufs Deck hinwarf und Herrn Riach beinahe von seinem Platz im Mast geschleudert hätte.

      Ich war sofort wieder auf den Beinen. Das Riff, gegen das wir geschleudert worden waren, war ganz nahe der südwestlichen Küste von Mull bei einer kleinen Insel, Earraid genannt, die tief und schwarz auf der Backbordseite lag. Manchmal brach sich die Flut über uns, manchesmal schleifte sie das arme Schiff nur an einem Riff, so daß wir hören konnten, wie es in allen Fugen krachte. Der schreckliche Lärm des Segels und das Heulen des Windes, das Schäumen des Gischtes im Mondenlicht und das Bewußtsein der Gefahr raubten mir, glaube ich, zum Teil den Verstand, denn ich begriff die Dinge um mich nicht mehr.

      Plötzlich sah ich Herrn Riach und die Matrosen um das Boot bemüht und lief in derselben Geistesabwesenheit hinüber, um ihnen zu helfen. Sobald ich mit Hand anlegte, wurde mein Kopf wieder klar. Es war keine leichte Aufgabe, denn das Boot lag mitten im Schiff und war ganz angeräumt, und das Brechen der großen Wogen zwang uns fortwährend loszulassen und uns fest zu halten. Aber wir arbeiteten alle wie Pferde, solange wir konnten.

      Inzwischen kamen diejenigen der Verwundeten, die sich noch rühren konnten, aus der vorderen Luke heraus gekrochen und fingen an mitzuhelfen, während

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