Die großen Herrscherinnen und Regentinnen. Dr. Barbara Beck
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Einen Sonderfall unter den Regentinnen im Verlauf der Geschichte bildeten die Generalstatthalterinnen der habsburgischen Niederlande. Hier wurden mehrmals weibliche Mitglieder des Hauses Habsburg als Stellvertreterinnen des Monarchen eingesetzt, denen in diesen unruhigen, fern vom Kerngebiet liegenden Provinzen weitreichende Regierungsvollmachten zugebilligt wurden.
Obwohl eine Frau, nüchtern betrachtet, genauso gut oder schlecht wie ein Mann die Regierungsgeschäfte leiten konnte, wurde weibliche Herrschaft über einen langen Zeitraum hin als problematisch bewertet. Eine wenig erfolgreiche Regierung einer Herrscherin wurde auf diese Weise für ein größeres Desaster erachtet als bei einem männlichen Throninhaber. Besonders deutlich fiel das Verdikt gegen Herrscherinnen generell bei dem radikalen calvinistischen Reformator John Knox aus, der 1558 verkündete: „Eine Frau zur Herrschaft, Hoheit, Gewalt oder Regierung über ein Königreich, eine Nation oder Stadt zu berufen, ist widernatürlich, eine Beleidigung Gottes und steht in größtem Gegensatz zu seinem geoffenbarten Willen und seiner anerkannten Ordnung.“ Knox stand mit seiner Meinung nicht allein. Im Bedarfsfall bediente man sich immer wieder gerne solcher Stereotypen. König Friedrich II. von Preußen etwa wählte 1741 für den Dankgottesdienst nach dem preußischen Sieg über die Truppen Maria Theresias bei Mollwitz zynisch folgenden Bibelspruch aus: „Ein Weib lerne in der Stille mit aller Bescheidenheit. Einem Weibe aber gestatte ich nicht, daß sie lehre, auch nicht, daß sie des Mannes Herr sei, sondern ich will, daß sie stille sei.“ Die grundsätzliche Kritik an weiblicher Herrschaft konnte noch zusätzlichen Zündstoff erhalten, wenn sie obendrein mit der Beschuldigung eines unmoralischen Lebenswandels gekoppelt wurde, die eine Monarchin meist viel härter traf als einen männlichen „Kollegen“.
Angesichts dieser zahlreichen Vorbehalte gegenüber Frauen auf Herrscherthronen war es für viele Fürstinnen notwendig, eine Gegenpropaganda zu betreiben, die ihre Herrschaft verherrlichte. Höchst eindrucksvoll ließ sich beispielsweise Maria von Medici, die Regentin Frankreichs, in einem prachtvollen, zwischen 1621 und 1625 entstandenen Gemäldezyklus von Peter Paul Rubens huldigen, der ihre Legitimation unterstreichen sollte.
Wegen der Skepsis, mit der weibliche Herrschaft prinzipiell gesehen wurde, war das Bestreben groß, Frauen auf dem Thron einen Ehemann als Mitregenten zur Seite zu stellen bzw. ihnen nahezulegen, tunlichst beizeiten der Regierung zu entsagen. Keineswegs alle verheirateten Herrscherinnen waren jedoch gewillt, sich von ihrem Gemahl das Heft aus der Hand nehmen und in ihrer Machtausübung einschränken zu lassen.
Der vorliegende Band versammelt die Kurzporträts von 58 mehr oder weniger bekannten Fürstinnen, die entweder aus eigenem Recht, als Regentin oder als Stellvertreterin über einen kurzen oder langen Zeitraum hin Herrschaft ausübten. Der zeitliche Rahmen spannt sich dabei vom Frühmittelalter bis in die Gegenwart. Zwar liegt das Hauptgewicht auf den europäischen Monarchien, doch fanden zusätzlich auch einige außereuropäische Fürstinnen, wie etwa die letzte Königin von Hawaii, Aufnahme, deren Wirken in die Zeit westlicher Einflussnahme fiel.
Hauptkriterium für die Auswahl der Fürstinnen war der Wunsch, eine möglichst große Bandbreite an unterschiedlichen Lebensläufen zu erreichen, um der Leserschaft so abwechslungsreiche und interessante Einblicke in ein facettenreiches Thema bieten zu können. Selbstverständlich erfolgte die Zusammenstellung der Biografien nach letztlich subjektiven Kriterien, da es durchaus noch eine Vielzahl anderer Frauen aus dem Hochadel gab, die ebenfalls legitim Herrschaftsrechte wahrnahmen und daher mit dem gleichen Recht in dieses Buch hätten aufgenommen werden können.
Galla Placidia
* um 390 in Konstantinopel
† 450 in Rom
Regentin des Weströmischen
Reichs 425 – 437
Die an der Schwelle von der Spätantike zum frühen Mittelalter stehende römische Kaisertochter Aelia Galla Placidia führte in der Zeit der „Völkerwanderung“ ein von Umbrüchen und Wechselfällen gekennzeichnetes Leben. Angesichts einer instabilen politischen Lage gelang es ihr, sich über weite Strecken hin als Regentin des Weströmischen Reichs zu bewähren.
Die Tochter des römischen Kaisers Theodosius I. und dessen zweiter Gemahlin Galla verlor bereits sehr früh ihre Eltern. Während unter Theodosius das Römische Reich nochmals in einer Hand vereinigt war, wurde es 395 gemäß seinem Willen unter seinen beiden Söhnen Arcadius und Honorius in ein Ost- und ein Westreich geteilt. Galla Placidia und ihr zehnjähriger Halbbruder Honorius wurden der Fürsorge des Heermeisters Stilicho und dessen Frau Serena anvertraut, der Lieblingsnichte von Theodosius. Stilicho fungierte als Reichsverweser in der westlichen Reichshälfte. 405 wurde Galla Placidia mit Stilichos Sohn Eucherius verlobt, weil der mächtige Heermeister vandalischer Herkunft seine Familie noch enger an das Kaiserhaus binden wollte. Der daher nicht gänzlich von der Hand zu weisende Verdacht, Stilichos Sohn solle auf diese Weise der Weg zur Kaiserkrone geebnet werden, spielte bei dem Sturz des Heermeisters keine unwesentliche Rolle. Wegen angeblichen Paktierens mit den vordringenden Westgoten wurde er im August 408 von einer germanenfeindlichen Partei ermordet, der Eucherius ebenfalls zum Opfer fiel. Da Stilichos Gemahlin Serena verdächtigt wurde, aus Rachsucht mit den Goten gemeinsame Sache zu machen, wurde sie Ende 408 während der ersten Belagerung Roms durch die Westgoten auf Weisung des Senats erdrosselt, was Galla Placidias Zustimmung fand. Über ihre Beweggründe hierfür kann nur spekuliert werden.
Galla Placidia hielt sich immer noch in Rom auf, als 410 die Westgoten unter der Führung ihres Königs Alarich I. erneut die Stadt bedrohten. Bei der Eroberung und Plünderung Roms geriet sie in Gefangenschaft. Die Schwester des Kaisers Honorius stellte für die Westgoten eine äußerst wertvolle Geißel dar, die als Faustpfand eingesetzt werden konnte, weshalb sie sie auf ihrem weiteren Zug durch Italien und dann nach Gallien mitnahmen. Nach Alarichs Tod trat sein Schwager Athaulf die Nachfolge an. In Verhandlungen mit Kaiser Honorius einigte er sich darauf, dass sich die Goten in Gallien ansiedeln durften. Als Gegenleistung versprach der Westgotenkönig dem Kaiser sowohl militärische Unterstützung gegen den einstigen gallo-römischen Senator Jovinus, der seit 411 den Titel des weströmischen Kaisers beanspruchte, als auch die Aushändigung von Galla Placidia. Während Athaulf die zugesagte Militärhilfe leistete, gab er Galla Placidia nicht heraus, sondern heiratete sie im Januar 414 in Narbonne nach römischer Sitte. Diese ungewöhnliche Ehe einer Kaisertochter mit einem Fürsten, der dem arianischen Christentum anhing, erregte Aufsehen, da bis ins 6. Jahrhundert hinein ein Eheverbot zwischen Goten und Römern bestand. Aus der Ehe stammte ein in Barcelona geborener Sohn mit dem bedeutungsvollen Namen Theodosius, der jedoch bereits als Säugling verstarb. Wenig später wurde Athaulf ermordet. Sein Nachfolger, der romfeindliche Sigerich, demütigte Galla Placidia öffentlich, bevor er nach einer nur sieben Tage dauernden Herrschaft gestürzt wurde. Unter dem neuen König der Westgoten, Wallia, kam es 416 zu einem Friedensvertrag mit Kaiser Honorius. Im Austausch gegen 600 000 Scheffel Getreide konnte Galla Placidia an den Hof ihres Halbbruders in Ravenna zurückkehren.
Auf Wunsch von Honorius