Die großen Herrscherinnen und Regentinnen. Dr. Barbara Beck
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Im Februar 421 erhob Honorius seinen Schwager auf Drängen der machtbewussten Galla Placidia zum Augustus und Mitkaiser. Für ihren Sohn Valentinian zeichnete sich dadurch die Möglichkeit ab, Thronfolger zu werden. Am 2. September 421 starb Constantius III., der von dem oströmischen Kaiser Theodosius II. nicht anerkannt worden war. Als die nach dem Tod von Constantius ausgebrochenen Machtkämpfe zwischen den Anhängern von Galla Placidia und den Parteigängern des amtierenden Kaisers Honorius eskalierten, flüchtete sie 423 zusammen mit ihren beiden Kindern zu ihrem Neffen Theodosius II. nach Konstantinopel.
Der kinderlose Tod von Kaiser Honorius am 27. August 423 mündete einstweilen in die usurpierte Herrschaft des Johannes Primicerius, bevor Theodosius II. seinen Vetter Valentinian auf Galla Placidias Insistieren hin zum Caesar ernannte und ihn mit seiner erst zwei Jahre alten Tochter Eudoxia verlobte. Zur Wahrung des legitimen Kaisertums beorderte Theodosius II. ein Heer in das weströmische Reich, wo Valentinian III. im Alter von sechs Jahren am 23. Oktober 425 in Rom zum Augustus proklamiert wurde. Da Valentinian noch nicht regierungsfähig war, übernahm nun Galla Placidia die Leitung der Regierung. Die wirkliche Macht lag jedoch bei den Heermeistern, weil diese für die Grenzsicherung und die Rückeroberung verlorener Provinzen zuständig waren. Zunächst übten die Heermeister Felix und Bonifatius Einfluss auf die Reichsgeschäfte aus, ehe es ihrem Konkurrenten Aëtius gelang, sich 433 trotz Gegenmaßnahmen von Galla Placidia, die seiner wachsenden Übermacht misstraute, endgültig durchzusetzen. Im September 435 wurde er zum Patricius ernannt, wodurch er zum eigentlichen Regenten des Westreichs wurde. Dies begrenzte Galla Placidias Autorität bereits vor dem offiziellen Ende ihrer Regentschaft.
Seit der faktischen Machtübernahme durch Aëtius widmete sich Galla Placidia vor allem dem Bereich der Religion, dem auch schon vorher ihr Interesse gegolten hatte. Sie veranlasste den Bau von Kirchen in Rom und Ravenna und bemühte sich um die Vernichtung heidnischer Kultbilder. Der Bischof von Ravenna bezeichnete sie daher als „Mutter des ewigen, glaubenstreuen und christlichen Reiches“. In einem Brief nach Konstantinopel schrieb sie voll Sendungsbewusstsein, dass Gott die Welt dem Römischen Reich anvertraut habe, damit sie wohlgeleitet und gerettet werde. Auf dem Gebiet der Rechtspflege war sie ebenfalls aktiv und erließ im November 426 mit dem sogenannten Zitiergesetz eine wichtige Neuerung zur Schaffung von Rechtssicherheit. Es wurde damit verbindlich festgelegt, welche Schriften bedeutender römischer Juristen vor Gericht maßgebend sein sollten. Drei Jahre später wurde auf ihre Weisung hin schriftlich fixiert, dass auch der Kaiser an die Gesetze gebunden sei.
Als ihr Sohn Valentinian III. die Regierungsgeschäfte 437 selbst übernahm, zog sich Galla Placidia von der politischen Bühne zurück. Am 27. November 450 starb sie in Rom. Ob sie tatsächlich in ihrem mit prachtvollen Wandmosaiken verzierten Mausoleum in Ravenna beigesetzt worden ist, wie es ab dem 13. Jahrhundert überliefert wird, ist fraglich.
Amalaswintha (Amalasuntha)
* um 495/496
† 535 auf Martana im Bolsenasee
Regentin des ostgotischen
Königreichs 526 – 534, Königin
der Ostgoten 534 – 535
Die Regentin und kurzzeitige Königin des ostgotischen Reichs, Amalaswintha, war, soweit man dies anhand der Quellenlage beurteilen kann, eine eindrucksvolle Herrscherpersönlichkeit. Inmitten einer männlich bestimmten Welt verstand sie es, sich immerhin neun Jahre lang an der Macht zu halten und eines der bedeutendsten germanischen Königreiche auf weströmischem Boden zu regieren.
Amalaswintha entstammte der zweiten Ehe des ostgotischen Königs Theoderich des Großen, einer der berühmtesten Germanenkönige der Völkerwanderungszeit. Ihre Mutter Audofleda war eine Schwester des mächtigen fränkischen Königs Chlodwig I., die Theoderich 493 geheiratet hatte. Um sein noch junges Reich in Italien zu stabilisieren, betrieb der Gotenkönig zum Ausbau seines Bündnissystems eine intensive Heiratspolitik mit den anderen Germanenreichen. Die Verheiratung seiner Erbtochter Amalaswintha mit Eutharich, einem Westgoten aus dem Königsgeschlecht der Balthen und Amaler, passt ebenfalls in den Rahmen dieser politischen Eheverbindungen. Da Theoderich keinen Sohn als Thronerben hatte, sah er Eutharich als seinen Nachfolger vor. Aus der Ehe Amalaswinthas mit Eutharich gingen zwei Kinder hervor, der 516 geborene Athalarich und die zwischen 518 und 520 zur Welt gekommene Mataswintha. Mit Eutharichs Tod um 523 verlor Theoderich seinen designierten Nachfolger, der auch von Ostrom anerkannt gewesen war. Erneut wurde die Frage der Nachfolge zum Problem.
Theoderich bestimmte erst kurz vor seinem Ableben seinen noch minderjährigen Enkel Athalarich zu seinem Thronerben. Nach dem Vorbild der weströmischen Kaiserin Galla Placidia, die vor hundert Jahren die Regentschaft für ihren Sohn Valentinian III. geführt hatte, übernahm Amalaswintha auf ausdrücklichen Wunsch ihres Vaters nach dessen Tod am 30. August 526 die Leitung der Regierung für ihren zehn Jahre alten Sohn. Die hochgebildete Regentin, die nach einem Ausgleich zwischen den arianischen Ostgoten und den katholischen Römern strebte, konnte in den ersten Jahren die Leitlinien der Politik ziemlich frei festlegen. Die seit 511 bestehende Personalunion mit dem westgotischen Reich löste sie auf. Außerdem suchte sie ein besseres Verhältnis zum Burgunderreich zu erreichen. Zu dem neuen byzantinischen Kaiser Justinian I. war sie bestrebt, in eine freundliche Beziehung zu treten. Der oströmische Historiograph Prokop von Caesarea, der sonst Frauen in Machtpositionen nicht schätzte, bezeichnete sie als kluge und gerechte Regentin und bescheinigte ihr voll Bewunderung, dass sie „von gänzlich männlicher Wesensart“ war.
Nachdem es zu Beginn ihrer Regentschaft offensichtlich keine nennenswerte Opposition gegen Amalaswintha gegeben hatte, trotz der Tatsache, dass auch das ostgotische Königtum, wie bei den Germanen üblich, ein Heerkönigtum war, dem weder sie noch ihr minderjähriger Sohn genügen konnten, kam es 532/533 zur Krise. Der „nationalistisch“ eingestellten Hofpartei, die um die Vormachtstellung der Goten in Italien fürchtete, missfiel es, dass der junge König Athalarich gemäß dem Willen seiner Mutter nach dem Vorbild eines römischen Oberschichtangehörigen ausgebildet wurde. Die gotischen Großen warfen ihr vor, dass er zu unkriegerisch erzogen würde. Amalaswintha sah sich genötigt, dieser Rebellion nachzugeben. Athalarich bekam die raue Welt der gotischen Krieger jedoch schlecht. Der dort übliche Lebenswandel soll seine Gesundheit ruiniert haben, da er rasch zum Alkoholiker wurde und sich ein ausschweifendes Leben angewöhnte.
Auf die Rücktrittsforderungen der adeligen Opposition ging Amalaswintha dagegen nicht ein. Die drei hochadeligen Rädelsführer verbannte sie zunächst in entlegene Grenzgebiete. Als diese Maßnahme nicht den gewünschten Erfolg brachte, nahm sie erst Verhandlungen mit Kaiser Justinian auf, um sich eine Zufluchtmöglichkeit nach Konstantinopel zusichern zu lassen, bevor sie die gezielte Tötung der drei Verschwörer in Auftrag gab. Es gelang ihr dadurch, ihre Herrschaft in Ravenna vorübergehend wieder zu festigen. In dem 533 begonnenen Vandalenkrieg Justinians unterstützte sie, klug taktierend, die Byzantiner, indem sie Sizilien als Operationsbasis zur Verfügung stellte.
Nach Athalarichs frühem Tod am 2. Oktober 534 war sie zu schnellem Handeln gezwungen. Um als Königin die politischen Geschicke des ostgotischen Reichs weiter bestimmen zu können, entschied sich Amalaswintha notgedrungen dafür, ihren Cousin Theodahad zum Mitregenten zu machen. Mit dieser Maßnahme sollte ihre innenpolitische Position gestärkt werden, da die Goten just schon wegen der Tatsache, dass eine Frau nicht das Heer anführen konnte, niemals die Alleinherrschaft einer Frau toleriert hätten. Obwohl Amalaswintha der schlechte Charakter von Theodahad eigentlich nicht unbekannt gewesen sein muss, glaubte sie wohl, dass sie ihn durch die Beteiligung an der Regierung für sich gewinnen könnte. Sie ließ sich von