Das Heim und die Welt. Rabindranath Tagore
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Das Heim und die Welt - Rabindranath Tagore страница
![Das Heim und die Welt - Rabindranath Tagore Das Heim und die Welt - Rabindranath Tagore](/cover_pre544061.jpg)
Rabindranath Tagore
Das Heim und die Welt
Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2020
EAN 4064066112608
Inhaltsverzeichnis
I
Einst war ich so zuversichtlich in meinem Glauben, daß ich meinte, ich würde alles tragen können, was mein Gott mir auferlegte. Ich wurde nie auf die Probe gestellt. Jetzt, glaube ich, ist die Stunde gekommen.
Ich pflegte meine Seelenstärke zu prüfen, indem ich mir alle möglichen Übel, die mir zustoßen könnten, vorstellte — Armut, Kerker, Schande, Tod, — selbst den Tod Bimalas. Und wenn ich mir dann sagte, daß ich die Kraft haben würde, das alles mit Standhaftigkeit zu ertragen, so sagte ich sicher nicht zuviel. Nur eines war mir niemals in den Sinn gekommen, und das ist es, woran ich heute denke und wovon ich nicht weiß, ob ich es wirklich ertragen kann. Es ist, als ob ein Dorn mir irgendwo im Herzen sitzt und mich beständig sticht, während ich bei meiner täglichen Arbeit bin. Er scheint selbst weiterzustechen, wenn ich schlafe. Sobald ich morgens erwache, fühle ich, daß das Antlitz des Himmels seinen Glanz verloren hat. Was ist es? Was ist geschehen?
Mein Gefühl ist so empfindlich geworden, daß selbst mein vergangenes Leben, das den Schein des Glückes trug, jetzt mein Herz mit seiner Lüge martert, und die Sorge und Schande, die an mich heranschleichen, zeigen sich immer unverhüllter, je mehr sie versuchen, ihr Antlitz zu verbergen. Mein Herz ist ganz Auge geworden. Gerade die Dinge die verborgen bleiben sollten, die ich nicht sehen will, drängen sich mir auf.
Jetzt ist endlich der Tag gekommen, wo mein unglückliches Los sich in einer langen Reihe von Schicksalsschlägen offenbaren soll. Ganz unerwartet ist die bittre Not in dem Herzen eingekehrt, wo Überfluß zu herrschen schien. Den Lohn, den ich für neun Jahre meiner Jugend der Täuschung zahlte, muß ich jetzt der Wahrheit mit Zinsen zurückerstatten, und ich werde mein Leben lang daran zu zahlen haben.
Was nützt es, daß ich meinen Stolz gewaltsam aufrechtzuerhalten suche? Warum soll ich nicht zugeben, daß ich Mängel habe? Vielleicht fehlt mir das unüberlegte Draufgängertum, das die Frauen an den Männern lieben. Aber ist Stärke nur Entfaltung von Muskelkraft? Darf Stärke unbedenklich die Schwachen in den Staub treten?
Doch was nützen alle diese Erwägungen? Würdigkeit kann man nicht dadurch erwerben, daß man darüber disputiert. Und ich bin unwürdig, unwürdig, unwürdig!
Aber wenn ich auch unwürdig bin, — besteht nicht der wahre Wert der Liebe darin, daß sie dem Unwürdigen immer wieder aus der Fülle ihres eigenen Überflusses spendet? Für die Würdigen gibt es viele Arten von Belohnungen auf Gottes Erde, aber die Liebe hat Gott besonders den Unwürdigen vorbehalten.
Bis jetzt war