Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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um ihn dann nach Gesetzen und Analogien der Körperwelt zu beurtheilen; ja, daß sie sich (S. 363) erlaubt, zwei verschiedene Zeiten, die eine im Bewußtseyn des beurtheilten, die andere in dem des urtheilenden Subjekts anzunehmen, welche nicht zusammenstimmten. – Ich würde also dem besagten Argumente der Persönlichkeit eine ganz andere Wendung geben und es demnach in folgenden zwei Sätzen darstellen:

      1) Man kann, hinsichtlich aller Bewegung überhaupt, welcher Art sie auch seyn möge, a priori feststellen, daß sie allererst wahrnehmbar wird durch den Vergleich mit irgend einem Ruhenden; woraus folgt, daß auch der Lauf der Zeit, mit Allem in ihr, nicht wahrgenommen werden könnte, wenn nicht etwas wäre, das an demselben keinen Theil hat, und mit dessen Ruhe wir die Bewegung jenes vergleichen. Wir urtheilen hierin freilich nach Analogie der Bewegung im Raum: aber Raum und Zeit müssen immer dienen, einander wechselseitig zu erläutern, daher wir eben auch die Zeit unter dem Bilde einer geraden Linie uns vorstellen müssen, um sie anschaulich auffassend, a priori zu konstruiren. Demzufolge also können wir uns nicht vorstellen, daß, wenn Alles in unserm Bewußtseyn, zugleich und zusammen, im Flusse der Zeit fortrückte, dieses Fortrücken dennoch wahrnehmbar seyn sollte; sondern hiezu müssen wir ein Feststehendes voraussetzen, an welchem die Zeit mit ihrem Inhalt vorüberflösse. Für die Anschauung des äußern Sinnes leistet dies die Materie, als die bleibende Substanz, unter dem Wechsel der Accidenzien; wie dies auch Kant darstellt, im Beweise zur ersten Analogie der Erfahrung, S. 183 der ersten Ausgabe. An eben dieser Stelle ist es jedoch, wo er den schon sonst von mir gerügten, unerträglichen, ja seinen eigenen Lehren widersprechenden Fehler begeht, zu sagen, daß nicht die Zeit selbst verflösse, sondern nur die Erscheinungen in ihr. Daß Dies grundfalsch sei, beweist die uns Allen innewohnende feste Gewißheit, daß, wenn auch alle Dinge im Himmel und auf Erden plötzlich stille ständen, doch die Zeit, davon ungestört, ihren Lauf fortsetzen würde; so daß, wenn späterhin die Natur ein Mal wieder in Gang geriethe, die Frage nach der Länge der dagewesenen Pause, an sich selbst einer ganz genauen Beantwortung fähig seyn würde. Wäre Dem anders; so müßte mit der Uhr auch die Zeit stille stehn, oder, wenn jene liefe, mitlaufen. Gerade dies Sachverhältniß aber, nebst unserer Gewißheit a priori darüber, beweist unwidersprechlich, daß die Zeit in unserm Kopfe, nicht aber draußen, ihren Verlauf, und also ihr Wesen, hat. – Im Gebiete der äußern Anschauung, sagte ich, ist das Beharrende die Materie: bei unserm Argument der Persönlichkeit hingegen ist die Rede bloß von der Wahrnehmung des innern Sinnes, in welche auch die des äußern erst wieder aufgenommen wird. Daher also sagte ich, daß wenn unser Bewußtseyn mit seinem gesammten Inhalt gleichmäßig im Strome der Zeit sich fortbewegte, wir dieser Bewegung nicht inne werden könnten. Also muß hiezu im Bewußtseyn selbst etwas Unbewegliches seyn. Dieses aber kann nichts Anderes seyn, als das erkennende Subjekt selbst, als welches dem Laufe der Zeit und dem Wechsel ihres Inhalts unerschüttert und unverändert zuschaut. Vor seinem Blicke läuft das Leben wie ein Schauspiel zu Ende. Wie wenig es selbst an diesem Laufe Theil hat, wird uns sogar fühlbar, wenn wir, im Alter, die Scenen der Jugend und Kindheit uns lebhaft vergegenwärtigen.

      2) Innerlich, im Selbstbewußtseyn, oder, mit Kant zu reden, durch den innern Sinn, erkenne ich allein in der Zeit. Nun aber kann es, objektiv betrachtet, in der bloßen Zeit allein kein Beharrliches geben; weil solches eine Dauer, diese aber ein Zugleichseyn, und dieses wieder den Raum voraussetzt – (die Begründung dieses Satzes findet man in meiner Abhandlung über den Satz vom Grunde, §. 18, sodann Welt als W. u. V. 2. Aufl., Bd. 1, §. 4 S. 10, 11 u. S. 531. – 3. Aufl. S. 10, 11 u. 560). Desungeachtet nun aber finde ich mich thatsächlich als das beharrende, d. h. bei allem Wechsel meiner Vorstellungen immerdar bleibende Substrat derselben, welches zu diesen Vorstellungen sich eben so verhält, wie die Materie zu ihren wechselnden Accidenzien, folglich, eben so wohl wie diese, den Namen der Substanz verdient und, da es unräumlich, folglich unausgedehnt ist, den der einfachen Substanz. Da nun aber, wie gesagt, in der bloßen Zeit, für sich allein, gar kein Beharrendes vorkommen kann, die in Rede stehende Substanz jedoch andrerseits nicht durch den äußern Sinn, folglich nicht im Raume wahrgenommen wird; so müssen wir, um sie uns dennoch, dem Laufe der Zeit gegenüber, als ein Beharrliches zu denken, sie als außerhalb der Zeit gelegen annehmen und demnach sagen: alles Objekt liegt in der Zeit, hingegen das eigentliche erkennende Subjekt nicht. Da es nun außerhalb der Zeit auch kein Aufhören, oder Ende, giebt; so hätten wir, am erkennenden Subjekt in uns, eine beharrende, jedoch weder räumliche, noch zeitliche, folglich unzerstörbare Substanz.

      Um nun dieses so gefaßte Argument der Persönlichkeit als einen Paralogismus nachzuweisen, müßte man sagen, daß der zweite Satz desselben eine empirische Thatsache zur Hülfe nimmt, der sich diese andere entgegenstellen läßt, daß das erkennende Subjekt doch an das Leben und sogar an das Wachen gebunden ist, seine Beharrlichkeit während Beider also keineswegs beweist, daß sie auch außerdem bestehn könne. Denn diese faktische Beharrlichkeit, für die Dauer des bewußten Zustandes ist noch weit entfernt, ja, toto genere verschieden von der Beharrlichkeit der Materie (diesem Ursprung und alleiniger Realisirung des Begriffs Substanz), welche wir in der Anschauung kennen und nicht bloß ihre faktische Dauer, sondern ihre nothwendige Unzerstörbarkeit und die Unmöglichkeit ihrer Vernichtung a priori einsehn. Aber nach Analogie dieser wahrhaft unzerstörbaren Substanz ist es doch, daß wir eine denkende Substanz in uns annehmen möchten, die alsdann einer endlosen Fortdauer gewiß wäre. Abgesehen nun davon, daß dies Letztere die Analogie mit einer bloßen Erscheinung (der Materie) wäre, so besteht der Fehler, den die dialektische Vernunft in obigem Beweise begeht, darin, daß sie die Beharrlichkeit des Subjekts, beim Wechsel aller seiner Vorstellungen in der Zeit, nun so behandelt, wie die Beharrlichkeit der uns in der Anschauung gegebenen Materie, und demnach Beide unter den Begriff der Substanz zusammenfaßt, um nun Alles, was sie, wiewohl unter den Bedingungen der Anschauung, von der Materie a priori aussagen kann, namentlich Fortdauer durch alle Zeit, nun auch jener angeblichen, immateriellen Substanz beizulegen, wenngleich die Beharrlichkeit dieser vielmehr nur darauf beruht, daß sie selbst als in gar keiner Zeit, geschweige in aller, liegend angenommen wird, wodurch die Bedingungen der Anschauung, in Folge welcher die Unzerstörbarkeit der Materie a priori ausgesagt wird, hier ausdrücklich aufgehoben sind, namentlich die Räumlichkeit. Auf dieser aber gerade beruht (nach eben den oben angeführten Stellen meiner Schriften) die Beharrlichkeit derselben.

      Hinsichtlich der Beweise der Unsterblichkeit der Seele aus ihrer angenommenen Einfachheit und daraus folgenden Indissolubilität, durch welche die allein mögliche Art des Untergangs, die Auflösung der Theile, ausgeschlossen wird, ist überhaupt zu sagen, daß alle Gesetze über Entstehn, Vergehn, Veränderung, Beharrlichkeit u. s. w., welche wir, sei es a priori oder a posteriori kennen, durchaus nur von der uns objektiv gegebenen, und noch dazu durch unsern Intellekt bedingten Körperwelt gelten: sobald wir daher von dieser abgehn und von immateriellen Wesen reden, haben wir keine Befugniß mehr, jene Gesetze und Regeln anzuwenden, um zu behaupten, wie das Entstehn und Vergehn solcher Wesen möglich sei oder nicht; sondern da fehlt uns jede Richtschnur. Hiedurch sind alle dergleichen Beweise der Unsterblichkeit aus der Einfachheit der denkenden Substanz abgeschnitten. Denn die Amphibolie liegt darin, daß man von einer immateriellen Substanz redet und dann die Gesetze der materiellen unterschiebt, um sie auf jene anzuwenden. Inzwischen giebt der Paralogismus der Persönlichkeit, wie ich ihn gefaßt habe, in seinem ersten Argument den Beweis a priori, daß in unserm Bewußtseyn irgend etwas Beharrliches liegen müsse, und im zweiten Argument weist er dasselbe a posteriori nach. Im Ganzen genommen, scheint hier das Wahre, welches, wie in der Regel jedem Irrthum, so auch dem der rationalen Psychologie zum Grunde liegt, hier seine Wurzel zu haben. Dies Wahre ist, daß selbst in unserm empirischen Bewußtseyn allerdings ein ewiger Punkt nachgewiesen werden kann, aber auch nur ein Punkt, und auch gerade nur nachgewiesen, ohne daß man Stoff zu fernerer Beweisführung daraus erhielte. Ich weise hier auf meine eigene Lehre zurück, nach welcher das erkennende Subjekt Das ist, was Alles erkennt, aber nicht erkannt wird: dennoch erfassen wir es als den festen Punkt, an welchem die Zeit mit allen Vorstellungen vorüberläuft, indem ihr Lauf selbst allerdings nur im Gegensatz zu einem Bleibenden erkannt werden kann. Ich habe dieses den Berührungspunkt des

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