Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer
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Читать онлайн книгу Parerga und Paralipomena - Arthur Schopenhauer страница 28
Wenden wir uns nunmehr zur rationalen Kosmologie; so finden wir an ihren Antinomien prägnante Ausdrücke der aus dem Satze vom Grunde entspringenden Perplexität, die von jeher zum Philosophiren getrieben hat. Diese nun, auf einem etwas andern Wege, deutlicher und unumwundener hervorzuheben, als dort geschehen ist, ist die Absicht folgender Darstellung, welche nicht, wie die Kantische, bloß dialektisch, mit abstrakten Begriffen operirt, sondern sich unmittelbar an das anschauende Bewußtseyn wendet.
Die Zeit kann keinen Anfang haben, und keine Ursache kann die erste seyn. Beides ist a priori gewiß also unbestreitbar: denn aller Anfang ist in der Zeit, setzt sie also voraus; und jede Ursach muß eine frühere hinter sich haben, deren Wirkung sie ist. Wie hätte also jemals ein erster Anfang der Welt und der Dinge eintreten können? (Danach erscheint denn freilich der erste Vers des Pentateuchs als eine petitio principii und zwar im allereigentlichsten Sinne des Worts.) Aber nun andrerseits: wenn ein erster Anfang nicht gewesen wäre; so könnte die jetzige reale Gegenwart nicht erst jetzt seyn, sondern wäre schon längst gewesen: denn zwischen ihr und dem ersten Anfange müssen wir irgend einen, jedoch bestimmten und begränzten Zeitraum annehmen, der nun aber, wenn wir den Anfang leugnen, d. h. ihn ins Unendliche hinaufrücken, mit hinaufrückt. Aber sogar auch wenn wir einen ersten Anfang setzen; so ist uns damit im Grunde doch nicht geholfen: denn, haben wir auch dadurch die Kausalkette beliebig abgeschnitten; so wird alsbald die bloße Zeit sich uns beschwerlich erweisen. Nämlich die immer erneuerte Frage warum jener erste Anfang nicht schon früher eingetreten? wird ihn schrittweise, in der anfangslosen Zeit, immer weiter hinaufschieben, wodurch dann die Kette der zwischen ihm und uns liegenden Ursachen dermaaßen in die Höhe gezogen wird, daß sie nimmer lang genug werden kann, um bis zur jetzigen Gegenwart herab zu reichen, wonach es alsdann zu dieser immer noch nicht gekommen seyn würde. Dem widerstreitet nun aber, daß sie doch jetzt ein Mal wirklich da ist und sogar unser einziges Datum zu der Rechnung ausmacht. Die Berechtigung nun aber zur obigen so unbequemen Frage entsteht daraus, daß der erste Anfang, eben als solcher, keine ihm vorhergängige Ursache voraussetzt und gerade darum eben so gut hätte Trillionen Jahre früher eintreten können. Bedurfte er nämlich keiner Ursache zum Eintreten, so hatte er auch auf keine zu warten, mußte demnach schon unendlich früher eingetreten seyn, weil nichts dawar, ihn zu hemmen. Denn, dem ersten Anfange darf, wie nichts als seine Ursach, so auch nichts als sein Hinderniß vorhergehn: er hat also schlechterdings auf nichts zu warten und kommt nie früh genug. Daher also ist, in welchen Zeitpunkt man ihn auch setzen mag, nie einzusehn, warum er nicht schon sollte viel früher dagewesen seyn. Dies also schiebt ihn immer weiter hinauf: weil nun aber doch die Zeit selbst durchaus keinen Anfang haben kann; so ist allemal bis zum gegenwärtigen Augenblick eine unendliche Zeit, eine Ewigkeit, abgelaufen: daher ist dann auch das Hinaufschieben des Weltanfangs ein endloses, so daß von ihm bis zu uns jede Kausalkette zu kurz ausfällt, in Folge wovon wir dann von demselben nie bis zur Gegenwart herabgelangen. Dies kommt daher, daß uns ein gegebener und fester Anknüpfungspunkt (point d’attache) fehlt, daher wir einen solchen beliebig irgendwo annehmen, derselbe aber stets vor unsern Händen zurückweicht, die Unendlichkeit hinauf. – So fällt es also aus, wenn wir einen ersten Anfang setzen und davon ausgehn: wir gelangen nie von ihm zur Gegenwart herab.
Gehn wir hingegen umgekehrt von der doch wirklich gegebenen Gegenwart aus: dann gelangen wir, wie schon gemeldet, nie zum ersten Anfang hinauf; da jede Ursache, zu der wir hinauf schreiten, immer Wirkung einer frühern gewesen seyn muß, welche dann sich wieder im selben Fall befindet, und dies durchaus kein Ende erreichen kann. Jetzt wird uns also die Welt anfangslos, wie die unendliche Zeit selbst; wobei unsre Einbildungskraft ermüdet und unser Verstand keine Befriedigung erhält.
Diese beiden entgegengesetzten Ansichten sind demnach einem Stocke zu vergleichen, dessen eines Ende, und zwar welches man will, man bequem fassen kann, wobei jedoch das andere sich immer ins Unendliche verlängert. Das Wesentliche der Sache aber läßt sich in dem Satze resumiren, daß die Zeit, als schlechthin unendlich, immer viel zu groß ausfällt für eine in ihr als endlich angenommene Welt. Im Grunde aber bestätigt sich hiebei doch wieder die Wahrheit der Antithese in der Kantischen Antinomie; weil sich, wenn wir von dem allein Gewissen und wirklich Gegebenen, der realen Gegenwart, ausgehn, die Anfangslosigkeit ergiebt; hingegen der erste Anfang bloß eine beliebige Annahme ist, die sich aber auch als solche nicht mit dem besagten allein Gewissen und Wirklichen, der Gegenwart, vereinbaren läßt. – Wir haben übrigens diese Betrachtungen als solche anzusehn, welche die Ungereimtheiten aufdecken, die aus der Annahme der absoluten Realität der Zeit hervorgehn; folglich als Bestätigungen der Grundlehre Kants.
Die Frage, ob die Welt dem Raume nach begränzt, oder unbegränzt sei, ist nicht schlechthin transscendent; vielmehr an sich selbst empirisch; da die Sache immer noch im Bereich möglicher Erfahrung liegt, welche wirklich zu machen nur durch unsere eigene physische Beschaffenheit uns benommen bleibt. A priori giebt es hier kein demonstrabel sicheres Argument, weder für die eine noch die andere Alternative; so daß die Sache wirklich einer Antinomie sehr ähnlich sieht, sofern, bei der einen, wie der andern Annahme, bedeutende Uebelstände sich hervorthun. Nämlich eine begränzte Welt im unendlichen Raume schwindet, sei sie auch noch so groß, zu einer unendlich kleinen Größe, und man frägt, wozu denn der übrige Raum da sei? Andrerseits kann man nicht fassen, daß kein Fixstern der äußerste im Raume seyn sollte. – Beiläufig gesagt, würden die Planeten eines solchen nur während der einen Hälfte ihres Jahres Nachts einen gestirnten Himmel haben, während der andern aber einen ungestirnten, – der auf die Bewohner einen sehr unheimlichen Eindruck machen müßte. Demnach läßt jene Frage sich auch so ausdrücken: giebt es einen Fixstern, dessen Planeten in diesem Prädikamente stehn oder nicht? Hier zeigt sie sich als offenbar empirisch.
Ich habe in meiner Kritik der Kantischen Philosophie die ganze Annahme der Antinomien als falsch und illusorisch nachgewiesen. Auch wird, bei gehöriger Ueberlegung, Jeder es zum Voraus als unmöglich erkennen, daß Begriffe, die richtig aus den Erscheinungen und den a priori gewissen Gesetzen derselben abgezogen, sodann aber, denen der Logik gemäß, zu Urtheilen und Schlüssen verknüpft sind, auf Widersprüche führen sollten. Denn alsdann müßten in der anschaulich gegebenen Erscheinung selbst, oder in dem gesetzmäßigen Zusammenhang ihrer Glieder, Widersprüche liegen; welches eine unmögliche Annahme ist. Denn das Anschauliche als solches kennt gar keinen Widerspruch: dieser hat, in Beziehung auf dasselbe, keinen Sinn, noch Bedeutung. Denn er existirt bloß in der abstrakten Erkenntniß der Reflexion: man kann wohl, offen oder versteckt, etwas zugleich setzen und nicht setzen, d. h. sich widersprechen: aber es kann nicht etwas Wirkliches zugleich seyn und nicht seyn. Das Gegentheil des Obigen hat freilich Zeno Eleatikus, mit seinen bekannten Sophismen, und auch Kant, mit seinen Antinomien, darthun wollen. Daher also verweise ich auf meine Kritik der Letzteren.
Kants Verdienst um die spekulative Theologie ist schon oben im Allgemeinen berührt worden. Um dasselbe noch mehr hervorzuheben, will ich jetzt, in größter Kürze, das Wesentliche der Sache auf meine Weise recht faßlich zu machen suchen.
In der Christlichen Religion ist das Daseyn Gottes eine ausgemachte Sache und über alle Untersuchung erhaben. So ist es Recht: denn dahin gehört es und ist daselbst durch Offenbarung begründet. Ich halte es daher für einen Mißgriff der Rationalisten, wenn sie, in ihren Dogmatiken, das Daseyn Gottes anders, als aus der Schrift, zu beweisen versuchen: sie wissen, in ihrer Unschuld, nicht, wie gefährlich diese Kurzweil ist. Die Philosophie hingegen ist eine Wissenschaft und hat als solche keine Glaubensartikel: demzufolge darf in ihr nichts als daseyend angenommen werden, als was entweder empirisch geradezu gegeben, oder aber durch unzweifelhafte Schlüsse nachgewiesen ist. Diese glaubte man nun freilich längst zu besitzen, als Kant die Welt hierüber enttäuschte und sogar die Unmöglichkeit solcher Beweise so sicher darthat, daß seitdem kein Philosoph in Deutschland wieder versucht hat, dergleichen aufzustellen. Hiezu aber war er durchaus befugt; ja, er that etwas höchst Verdienstliches: denn ein theoretisches Dogma, welches mitunter sich herausnimmt, Jeden, der es nicht