Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Parerga und Paralipomena - Arthur Schopenhauer страница 33

Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

Скачать книгу

sagt sehr richtig: Un être, qui a tout recu, ne peut agir que par ce qui lui a été donné; et tout la puissance divine, qui est infinie, ne saurait le rendre indépendant. (Discours sur la liberté. Siehe DEuvres complètes, Paris 1823, Tom. II, p. 331.) Kann es doch, gleich jedem andern, nur irgend denkbaren Wesen, nicht anders, als seiner Beschaffenheit gemäß wirken und dadurch diese kund geben: wie es aber beschaffen ist, so ist es hier geschaffen. Handelt es nun schlecht; so kommt dies daher, daß es schlecht ist, und dann ist die Schuld nicht seine, sondern Dessen, der es gemacht hat. Unvermeidlich ist der Urheber seines Daseyns und seiner Beschaffenheit, dazu auch noch der Umstände, in die es gesetzt worden, auch der Urheber seines Wirkens und seiner Thaten, als welche durch dies Alles so sicher bestimmt sind, wie durch zwei Winkel und eine Linie der Triangel. Die Richtigkeit dieser Argumentation haben, während die Andern sie verschmitzt und feigherzig ignorirten, S. Augustinus, Hume und Kant sehr wohl eingesehn und eingestanden; worüber ich ausführlich berichtet habe in meiner Preisschrift über die Freiheit des Willens, S. 67 fg. (2. Aufl. S. 66 fg.). Eben um diese furchtbare und exterminirende Schwierigkeit zu eludiren, hat man die Freiheit des Willens, das liberum arbitrium indifferentiae, erfunden, welches eine ganz monstrose Fiktion enthält und daher von allen denkenden Köpfen stets bestritten und schon längst verworfen, vielleicht aber nirgends so systematisch und gründlich widerlegt ist, wie in der soeben angeführten Schrift. Mag immerhin der Pöbel sich noch ferner mit der Willensfreiheit schleppen, auch der litterarische, auch der philosophirende Pöbel: was kümmert das uns? Die Behauptung, daß ein gegebenes Wesen frei sei, d. h. unter gegebenen Umständen so und auch anders handeln könne, besagt, daß es eine existentia ohne alle essentia habe, d. h. daß es bloß sei, ohne irgend etwas zu seyn; also daß es nichts sei, dabei aber doch sei; mithin, daß es zugleich sei und nicht sei. Also ist Dies der Gipfel der Absurdität, aber nichtsdestoweniger gilt für Leute, welche nicht die Wahrheit, sondern ihr Futter suchen und daher nie etwas gelten lassen werden, was nicht in ihren Kram, in die fable convenue, von der sie leben, paßt: statt des Widerlegens dient ihrer Ohnmacht das Ignoriren. Und auf die Meinungen solcher βοσκηματα, in terram prona et ventri obedientia sollte man ein Gewicht legen?! – Alles was ist, das ist auch etwas, hat ein Wesen, eine Beschaffenheit, einen Charakter: diesem gemäß muß es wirken, muß es handeln (welches heißt nach Motiven wirken), wann die äußern Anlässe kommen, welche die einzelnen Aeußerungen desselben hervorlocken. Wo nun dasselbe das Daseyn, die existentia, herhat, da hat es auch das Was, die Beschaffenheit, die essentia, her; weil beide zwar im Begriff verschieden, jedoch nicht in der Wirklichkeit trennbar sind. Was aber eine essentia, d. h. eine Natur, einen Charakter, eine Beschaffenheit hat, kann stets nur dieser gemäß und nie anders wirken: bloß der Zeitpunkt und die nähere Gestalt und Beschaffenheit der einzelnen Handlungen wird dabei jedes Mal durch die eintretenden Motive bestimmt. Daß der Schöpfer den Menschen frei geschaffen habe, besagt eine Unmöglichkeit, nämlich daß er ihm eine existentia ohne essentia verliehen, also ihm das Daseyn bloß in abstracto gegeben habe, indem er ihm überließ, als was er daseyn wolle. Hierüber bitte ich den §. 20 meiner Abhandlung über das Fundament der Moral nachzulesen. – Moralische Freiheit und Verantwortlichkeit, oder Zurechnungsfähigkeit, setzen schlechterdings Aseität voraus. Die Handlungen werden stets aus dem Charakter, d. i. aus der eigenthümlichen und daher unveränderlichen Beschaffenheit eines Wesens, unter Einwirkung und nach Maaßgabe der Motive mit Nothwendigkeit hervorgehn: also muß dasselbe, soll es verantwortlich seyn, ursprünglich und aus eigener Machtvollkommenheit existiren: es muß, seiner existentia und essentia nach, selbst sein eigenes Werk und der Urheber seiner selbst seyn, wenn es der wahre Urheber seiner Thaten seyn soll. Oder, wie ich es in meinen beiden Preisschriften ausgedrückt habe, die Freiheit kann nicht im operari, muß also im esse liegen: denn vorhanden ist sie allerdings.

      Da dieses Alles nicht nur a priori demonstrabel ist, sondern sogar die tägliche Erfahrung uns deutlich lehrt, daß Jeder seinen moralischen Charakter schon fertig mit auf die Welt bringt und ihm bis ans Ende unwandelbar treu bleibt, und da ferner diese Wahrheit im realen, praktischen Leben stillschweigend, aber sicher, vorausgesetzt wird, indem Jeder sein Zutrauen, oder Mißtrauen, zu einem Andern den ein Mal an den Tag gelegten Charakterzügen desselben gemäß auf immer feststellt, so könnte man sich wundern, wie doch nur, seit beiläufig 1600 Jahren, das Gegentheil theoretisch behauptet und demnach gelehrt wird, alle Menschen seien, in moralischer Hinsicht, ursprünglich ganz gleich, und die große Verschiedenheit ihres Handelns entspringe nicht aus ursprünglicher, angeborner Verschiedenheit der Anlage und des Charakters, eben so wenig aber aus den eintretenden Umständen und Anlässen, sondern eigentlich aus gar nichts, welches Garnichts sodann den Namen freier Wille erhält. – Allein diese absurde Lehre wird nothwendig gemacht durch eine andere, ebenfalls rein theoretische Annahme, mit der sie genau zusammenhängt, nämlich durch diese, daß die Geburt des Menschen der absolute Anfang seines Daseyns sei, indem derselbe aus nichts geschaffen (ein terminus ad hoc) werde. Wenn nun, unter dieser Voraussetzung, das Leben noch eine moralische Bedeutung und Tendenz behalten soll; so muß diese freilich erst im Laufe desselben ihren Ursprung finden, und zwar aus nichts, wie dieser ganze so gedachte Mensch aus nichts ist: denn jede Beziehung auf eine vorhergängige Bedingung, ein früheres Daseyn, oder eine außerzeitliche That, auf dergleichen doch die unermeßliche, ursprüngliche und angeborne Verschiedenheit der moralischen Charaktere deutlich zurückweist, bleibt hier, ein für alle Mal, ausgeschlossen. Daher also die absurde Fiktion eines freien Willens. – Die Wahrheiten stehn bekanntlich alle im Zusammenhange; aber auch die Irrthümer machen einander nöthig, – wie eine Lüge eine zweite erfordert, oder wie zwei Karten, gegen einander gestemmt, sich wechselseitig stützen, – so lange nichts sie beide umstößt.

      3) Nicht viel besser, als mit der Willensfreiheit, steht es, unter Annahme des Theismus, mit unsrer Fortdauer nach dem Tode. Was von einem Andern geschaffen ist hat einen Anfang seines Daseyns gehabt. Daß nun dasselbe, nachdem es doch eine unendliche Zeit gar nicht gewesen, von nun an in alle Ewigkeit fortdauern solle, ist eine über die Maaßen kühne Annahme. Bin ich allererst bei meiner Geburt aus Nichts geworden und geschaffen; so ist die höchste Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß ich im Tode wieder zu nichts werde. Unendliche Dauer a parte post und Nichts a parte ante geht nicht zusammen. Nur was selbst ursprünglich, ewig, ungeschaffen ist, kann unzerstörbar seyn. (S. Aristoteles de coelo, I, 12. 282, a, 25 fg. und Priestley, on matter and spirit, Birmingham 1782, Vol. I. p. 234.) Allenfalls können daher Die im Tode verzagen, welche glauben, vor 30 oder 60 Jahren ein reines Nichts gewesen und aus diesem sodann als das Werk eines Andern hervorgegangen zu seyn; da sie jetzt die schwere Aufgabe haben, anzunehmen, daß ein so entstandenes Daseyn, seines späten, erst nach Ablauf einer unendlichen Zeit eingetretenen Anfangs ungeachtet, doch von endloser Dauer seyn werde. Hingegen wie sollte Der den Tod fürchten, der sich als das ursprüngliche und ewige Wesen, die Quelle alles Daseyns selbst, erkennt, und weiß, daß außer ihm eigentlich nichts existirt, der mit dem Spruche des heiligen Upanischads hae omnes creaturae in totum ego sum, et praeter me aliud ens non est im Munde, oder doch im Herzen, sein individuelles Daseyn endigt. Also nur er kann, bei konsequentem Denken, ruhig sterben. Denn, wie gesagt, Aseität ist die Bedingung, wie der Zurechnungsfähigkeit, so auch der Unsterblichkeit. Diesem entsprechend ist in Indien die Verachtung des Todes und die vollkommenste Gelassenheit, selbst Freudigkeit im Sterben recht eigentlich zu Hause. Das Judenthum hingegen, welches ursprünglich die einzige und alleinige rein monotheistische, einen wirklichen Gott-Schöpfer Himmels und der Erden lehrende Religion ist, hat, mit vollkommener Konsequenz, keine Unsterblichkeitslehre, also auch keine Vergeltung nach dem Tode, sondern bloß zeitliche Strafen und Belohnungen, wodurch es sich ebenfalls von allen andern Religionen, wenn auch nicht zu seinem Vortheil, unterscheidet. Die dem Judenthum entsprossenen zwei Religionen sind, indem sie, aus besseren, ihnen anderweitig bekannt gewordenen Glaubenslehren die Unsterblichkeit hinzunahmen und doch den Gott-Schöpfer beibehielten hierin eigentlich inkonsequent geworden.19

      Daß, wie eben gesagt,

Скачать книгу