Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Parerga und Paralipomena - Arthur Schopenhauer страница 38
Wer zu derselben Einsicht noch fernerer Belege bedarf, betrachte das Nachspiel zu der großen Hegel-Farce, nämlich die gleich darauf folgende, so überaus zeitmäßige Konversion des Herrn v. Schelling vom Spinozismus zum Bigotismus und seine darauf folgende Versetzung von München nach Berlin, unter Trompetenstößen aller Zeitungen, nach deren Andeutungen man hätte glauben können, er bringe dahin den persönlichen Gott, nach welchem so großes Begehr war, in der Tasche mit; worauf denn der Zudrang der Studenten so groß wurde, daß sie sogar durch die Fenster in den Hörsaal stiegen; dann, am Ende des Kursus, das Groß-Mannsdiplom, welches eine Anzahl Professoren der Universität, die seine Zuhörer gewesen, ihm unterthänigst überbrachten, und überhaupt die ganze, höchst glänzende und nicht weniger lukrative Rolle desselben in Berlin, die er ohne Erröthen durchgespielt hat; und das im hohen Alter, wo die Sorge um das Andenken, das man hinterläßt, in edleren Naturen jede andere überwiegt. Man könnte bei so etwas ordentlich wehmüthig werden; ja man könnte beinahe meynen, die Philosophieprofessoren selbst müßten dabei erröthen: doch das ist Schwärmerei. Wem nun aber nach Betrachtung einer solchen Konsummation nicht die Augen aufgehn über die Kathederphilosophie und ihre Helden, dem ist nicht zu helfen.
Inzwischen verlangt die Billigkeit, daß man die Universitätsphilosophie nicht bloß, wie hier geschehn, aus dem Standpunkte des angeblichen, sondern auch aus dem des wahren und eigentlichen Zweckes derselben beurtheile. Dieser nämlich läuft darauf hinaus, daß die künftigen Referendarien, Advokaten, Aerzte, Kandidaten und Schulmänner auch im Innersten ihrer Ueberzeugungen diejenige Richtung erhalten, welche den Absichten, die der Staat und seine Regierung mit ihnen haben, angemessen ist. Dagegen habe ich nichts einzuwenden, bescheide mich also in dieser Hinsicht. Denn über die Nothwendigkeit, oder Entbehrlichkeit eines solchen Staatsmittels zu urtheilen, halte ich mich nicht für kompetent, sondern stelle es denen anheim, welche die schwere Aufgabe haben, Menschen zu regieren, d. h. unter vielen Millionen eines, der großen Mehrzahl nach, gränzenlos egoistischen, ungerechten, unbilligen, unredlichen, neidischen, boshaften und dabei sehr beschränkten und queerköpfigen Geschlechtes, Gesetz, Ordnung, Ruhe und Friede aufrecht zu erhalten und die Wenigen, denen irgend ein Besitz zu Theil geworden, zu schützen gegen die Unzahl Derer, welche nichts, als ihre Körperkräfte haben. Die Aufgabe ist so schwer, daß ich mich wahrlich nicht vermesse, über die dabei anzuwendenden Mittel mit ihnen zu rechten. Denn ich danke Gott an jedem Morgen, daß ich nicht brauch’ für’s Röm’sche Reich zu sorgen, – ist stets mein Wahlspruch gewesen. Diese Staatszwecke der Universitätsphilosophie waren es aber, welche der Hegelei eine so beispiellose Ministergunst verschafften. Denn ihr war der Staat der absolut vollendete ethische Organismus, und sie ließ den ganzen Zweck des menschlichen Daseyns im Staat aufgehn. Konnte es eine bessere Zurichtung für künftige Referendarien und demnächst Staatsbeamte geben, als diese, in Folge welcher ihr ganzes Wesen und Seyn, mit Leib und Seele, völlig dem Staat verfiel, wie das der Biene dem Bienenstock, und sie auf nichts Anderes, weder in dieser, noch in einer andern Welt hinzuarbeiten hatten, als daß sie taugliche Räder würden, mitzuwirken, um die große Staatsmaschine, diesen ultimus finis bonorum, im Gange zu erhalten? Der Referendar und der Mensch war danach Eins und das Selbe. Es war eine rechte Apotheose der Philisterei.
Aber ein Anderes bleibt das Verhältniß einer solchen Universitätsphilosophie zum Staat, und ein Anderes ihr Verhältniß zur Philosophie selbst und an sich, welche, in dieser Beziehung, als die reine Philosophie, von jener, als der angewandten, unterschieden werden könnte. Diese nämlich kennt keinen andern Zweck als die Wahrheit, und da möchte sich ergeben, daß jeder andere, mittelst ihrer angestrebte, diesem verderblich wird. Ihr hohes Ziel ist die Befriedigung jenes edelen Bedürfnisses, von mir das metaphysische genannt, welches der Menschheit, zu allen Zeiten, sich innig und lebhaft fühlbar macht, am stärksten aber, wann, wie eben jetzt, das Ansehn der Glaubenslehre mehr und mehr gesunken ist. Diese nämlich, als auf die große Masse des Menschengeschlechts berechnet und derselben angemessen, kann bloß allegorische Wahrheit enthalten, welche sie jedoch als sensu proprio wahr geltend zu machen hat. Dadurch nun aber wird, bei immer weiterer Verbreitung jeder Art historischer, physikalischer, und sogar philosophischer Kenntnisse, die Anzahl der Menschen, denen sie nicht mehr genügen kann, immer größer, und diese wird mehr und mehr auf Wahrheit sensu proprio dringen. Was aber kann alsdann, dieser Anforderung gegenüber, eine solche nervis alienis mobile Kathederpuppe leisten? Wie weit wird man da noch reichen, mit der oktroyirten Rockenphilosophie, oder mit hohlen Wortgebäuden, mit nichtssagenden, oder selbst die gemeinsten und faßlichsten Wahrheiten durch Wortschwall verundeutlichenden Floskeln, oder gar mit hegelischem absoluten Nonsens? – Und nun noch andrerseits, wenn dann auch wirklich der redliche Johannes aus der Wüste käme, der, in Felle gekleidet und von Heuschrecken genährt, von all dem Unwesen unberührt geblieben, unterweilen, mit reinem Herzen und ganzem Ernst, der Forschung nach Wahrheit obgelegen hätte und deren Früchte jetzt anböte; welchen Empfang hätte er zu gewärtigen von jenen zu Staatszwecken gedungenen Geschäftsmännern der Katheder, die mit Weib und Kind von der Philosophie zu leben haben, deren Losung daher ist primum vivere, deinde philosophari, die demgemäß den Markt in Besitz genommen und schon dafür gesorgt haben, daß hier nichts gelte, als was sie gelten lassen, mithin Verdienste nur existiren, sofern es ihnen und ihrer Mittelmäßigkeit beliebt, sie anzuerkennen. Sie haben nämlich die Aufmerksamkeit des ohnehin kleinen, sich mit Philosophie befassenden Publikums am Leitseil; da dasselbe aus Sachen, die nicht, wie die poetischen Produktionen, Ergötzung, sondern Belehrung, und zwar pekuniär unfruchtbare Belehrung, verheißen, seine Zeit, Mühe und Anstrengung wahrlich nicht verwenden wird, ohne vorher volle Versicherung darüber zu haben, daß solche auch reichlich belohnt werden. Diese nun erwartet es, seinem angeerbten Glauben, daß wer von einer Sache lebt, es auch sei, der sie versteht, zufolge, von den Männern des Fachs, welche denn auch, aus Kathedern und in Kompendien, Journalen, und Litteraturzeitungen sich mit Zuversicht als die eigentlichen Meister der Sache geriren: von diesen demnach läßt es sich das Beachtenswerthe und sein Gegentheil vorschmecken und aussuchen. – O, wie wird es dir da ergehn, mein armer Johannes aus der Wüste, wenn, wie zu erwarten steht, was du bringst nicht der stillschweigenden Konvention der Herren von der lukrativen Philosophie gemäß abgefaßt ist! Sie werden dich ansehn als Einen, der den Geist des Spieles nicht gefaßt hat und dadurch es ihnen allen zu verderben droht; mithin als ihren gemeinsamen Feind und Widersacher. Wäre was du bringst nun auch das größte Meisterstück des menschlichen Geistes; vor ihren Augen könnte es doch nimmermehr Gnade finden. Denn es wäre ja nicht ad normam conventionis abgefaßt, folglich nicht der Art, daß sie es zum Gegenstand ihres Kathedervortrags machen könnten, um nun auch davon zu leben. Einem Philosophieprofessor fällt es gar nicht ein, ein auftretendes neues System darauf zu prüfen, ob es wahr sei, sondern er prüft es sogleich nur darauf, ob es mit den Lehren der Landesreligion, den Absichten der Regierung und den herrschenden Ansichten der Zeit in Einklang zu bringen sei. Danach entscheidet er über dessen Schicksal. Wenn es aber dennoch durchdränge, wenn es, als belehrend und Aufschlüsse enthaltend, die Aufmerksamkeit des Publikums erregte und von diesem des Studiums werth befunden würde; so müßte es ja in demselben Maaße die kathederfähige Philosophie um eben jene Aufmerksamkeit, ja, um ihren Kredit und, was noch schlimmer ist, um ihren Absatz bringen. Di meliora! Daher darf dergleichen nicht aufkommen, und müssen hiegegen Alle für Einen Mann stehn. Die Methode und Taktik hiezu giebt ein glücklicher Instinkt, wie er jedem Wesen zu seiner Selbsterhaltung verliehen ist, bald an die Hand. Nämlich das Bestreiten und Widerlegen einer, der norma conventionis zuwiderlaufenden Philosophie ist oft, zumal wo man wohl gar Verdienste und gewisse, nicht durch das Professordiplom ertheilbare Eigenschaften wittert, eine bedenkliche Sache, an die man, in letzterem Falle, sich gar nicht wagen darf, indem dadurch die Werke, deren Unterdrückung indicirt ist, Notorietät erhalten