Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer
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Omnia enim stolidi magis admirantur amantque,
Inversis quae sub verbis latitantia cernunt.
Lucr. I, 642.
Durch solche Beispiele ermuthigt suchte seitdem fast jeder armsäligste Skribler etwas darin, mit pretiöser Dunkelheit zu schreiben, damit es aussähe, als vermöchten keine Worte seine hohen, oder tiefen Gedanken auszudrücken. Statt auf jede Weise bemüht zu seyn, seinem Leser deutlich zu werden, scheint er ihm oft neckend zuzurufen: Gelt, du kannst nicht rathen was ich mir dabei denke! Wenn nun Jener, statt zu antworten, darum werd’ ich mich den Teufel scheeren, und das Buch wegzuwerfen sich vergeblich daran abmüht; so denkt er am Ende, es müsse doch etwas höchst Gescheutes, nämlich sogar seine Fassungskraft Uebersteigendes seyn, und nennt nun, mit hohen Augenbrauen, seinen Autor einen tiefsinnigen Denker. Eine Folge dieser ganzen saubern Methode ist, unter andern, daß, wenn man in England etwas als sehr dunkel, ja, ganz unverständlich bezeichnen will, man sagt it is like German metaphysics; ungefähr wie man in Frankreich sagt c’est clair comme la bouteille à l’encre.
Es ist wohl überflüssig, hier zu erwähnen, doch kann es nicht zu oft gesagt werden, daß, im Gegentheil, gute Schriftsteller stets eifrig bemüht sind, ihren Leser zu nöthigen, genau eben Das zu denken, was sie selbst gedacht haben: denn wer etwas Rechtes mitzutheilen hat, wird sehr darauf bedacht seyn, daß es nicht verloren gehe. Deshalb beruht der gute Stil hauptsächlich darauf, daß man wirklich etwas zu sagen habe: bloß diese Kleinigkeit ist es, die den meisten Schriftstellern unsrer Tage abgeht und dadurch Schuld ist an ihrem so schlechten Vortrage. Besonders aber ist der generische Charakter der philosophischen Schriften dieses Jahrhunderts das Schreiben, ohne eigentlich etwas zu sagen zu haben: er ist ihnen allen gemeinsam und kann daher auf gleiche Weise am Salat, wie am Hegel, am Herbart, wie am Schleiermacher studirt werden. Da wird, nach homoiopathischer Methode, das schwache Minimum eines Gedankens mit 50 Seiten Wortschwall diluirt und nun, mit gränzenlosem Zutrauen zur wahrhaft deutschen Geduld des Lesers, ganz gelassen, Seite nach Seite, so fortgeträtscht. Vergebens hofft der zu dieser Lektüre verurtheilte Kopf auf eigentliche, solide und substantielle Gedanken: er schmachtet, ja, er schmachtet nach irgend einem Gedanken, wie der Reisende in der arabischen Wüste nach Wasser, – und muß verschmachten. Nun nehme man dagegen irgend einen wirklichen Philosophen zur Hand, gleichviel aus welcher Zeit, aus welchem Lande, sei es Platon oder Aristoteles, Kartesius, oder Hume, Malebranche, oder Locke, Spinoza, oder Kant: immer begegnet man einem schönen und gedankenreichen Geiste, der Erkenntniß hat und Erkenntniß wirkt, besonders aber stets redlich bemüht ist, sich mitzutheilen; daher er dem empfänglichen Leser, bei jeder Zeile, die Mühe des Lesens unmittelbar vergilt. Was nun die Schreiberei unserer Philosophaster so überaus gedankenarm und dadurch marternd langweilig macht ist zwar, im letzten Grunde, die Armuth ihres Geistes, zunächst aber Dieses, daß ihr Vortrag sich durchgängig in höchst abstrakten, allgemeinen und überaus weiten Begriffen bewegt, daher auch meistens nur in unbestimmten, schwankenden, verblasenen Ausdrücken einherschreitet. Zu diesem aerobatischen Gange sind sie aber genöthigt; weil sie sich hüten müssen, die Erde zu berühren, als wo sie, auf das Reale, Bestimmte, Einzelne und Klare stoßend, lauter gefährliche Klippen antreffen würden, an denen ihre Wort-Dreimaster scheitern könnten. Denn statt Sinne und Verstand fest und unverwandt zu richten auf die anschaulich vorliegende Welt, als auf das eigentlich und wahrhaft Gegebene, das Unverfälschte und an sich selbst dem Irrthum nicht Ausgesetzte, durch welches hindurch wir daher in das Wesen der Dinge einzudringen haben, – kennen sie nichts, als nur die höchsten Abstraktionen, wie Seyn, Wesen, Werden, Absolutes, Unendliches, u. s. f., gehen schon von diesen aus und bauen daraus Systeme, deren Gehalt zuletzt auf bloße Worte hinausläuft, die also eigentlich nur Seifenblasen sind, eine Weile damit zu spielen, jedoch den Boden der Realität nicht berühren können, ohne zu platzen.
Wenn, bei allen Dem, der Nachtheil, welchen die Unberufenen und Unbefähigten den Wissenschaften bringen, bloß dieser wäre, daß sie darin nichts leisten; wie es in den schönen Künsten hiebei sein Bewenden hat; so könnte man sich darüber trösten und hinwegsetzen. Allein hier bringen sie positiven Schaden, zunächst dadurch, daß sie, um das Schlechte in Ansehn zu erhalten, Alle im natürlichen Bunde gegen das Gute stehn und aus allen Kräften bemüht sind, es nicht aufkommen zu lassen. Denn darüber täusche man sich nicht, daß, zu allen Zeiten,