Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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reden und auf solche Art das kurzsichtige Publikum bei der Nase herumführen. Ihr Verhältniß zu den wirklichen Philosophen ist ungefähr das der ehemaligen Meistersänger zu den Dichtern. Zur Erläuterung des Gesagten sehe man die messentlich erscheinenden Schreibereien der Kathederphilosophen, nebst den dazu aufspielenden Litteraturzeitungen: wer sich darauf versteht betrachte die Verschmitztheit, mit der diese letzteren, vorkommenden Falls, bemüht sind, das Bedeutende als unbedeutend zu vertuschen und die Kniffe, die sie gebrauchen, es der Aufmerksamkeit des Publikums zu entziehn eingedenk des Spruches des Publius Syrus: Jacet omnis virtus, fama nisi late patet. (S. P. Syri et aliorum sententiae. Ex rec. J. Gruteri. Misenae 1790, v. 280.) Nun aber gehe man auf diesem Wege und mit diesen Betrachtungen immer weiter zurück, bis zum Anfange dieses Jahrhunderts, sehe, was früher die Schellingianer, dann aber noch viel ärger die Hegelianer in den Tag hinein gesündigt haben: man überwinde sich, man durchblättere den ekelhaften Wust! denn ihn zu lesen ist keinem Menschen zuzumuthen. Dann überlege und berechne man die unschätzbare Zeit, nebst dem Papier und Gelde, welches das Publikum, ein halbes Jahrhundert hindurch, an diesen Pfuschereien hat verlieren müssen. Freilich ist auch die Geduld des Publikums unbegreiflich, welches das, Jahr aus, Jahr ein, fortgesetzte Geträtsche geistloser Philosophaster liest, ungeachtet der marternden Langweiligkeit, die wie ein dicker Nebel darauf brütet, eben weil man liest und liest, ohne je eines Gedankens habhaft zu werden, indem der Schreiber, dem sonst nichts Deutliches und Bestimmtes vorschwebte, Worte auf Worte, Phrasen auf Phrasen häuft und doch nichts sagt, weil er nichts zu sagen hat, nichts weiß, nichts denkt, dennoch reden will und daher seine Worte wählt, nicht je nachdem sie seine Gedanken und Einsichten treffender ausdrücken, sondern je nachdem sie seinen Mangel daran geschickter verbergen. Dergleichen jedoch wird gedruckt, gekauft und gelesen: und so geht es nun schon ein halbes Jahrhundert hindurch, ohne daß die Leser dabei inne würden, daß sie, wie man im Spanischen sagt, papan viento, d. h. bloße Luft schlucken. Inzwischen muß ich, um gerecht zu seyn, erwähnen, daß, um diese Klappermühle im Gange zu erhalten, oft noch ein ganz eigener Kunstgriff angewandt wird, dessen Erfindung auf die Herren Fichte und Schelling zurückzuführen ist. Ich meine den verschmitzten Kniff, dunkel, d. h. unverständlich, zu schreiben; wobei die eigentliche Finesse ist, seinen Gallimathias so einzurichten, daß der Leser glauben muß, es liege an ihm, wenn er denselben nicht versteht; während der Schreiber sehr wohl weiß, daß es an ihm selbst liegt, indem er eben nichts eigentlich Verstehbares, d. h. klar Gedachtes, mitzutheilen hat. Ohne diesen Kunstgriff hätten die Herren Fichte und Schelling ihren Pseudo-Ruhm nicht auf die Beine bringen können. Aber bekanntlich hat denselben Kunstgriff Keiner so dreist und in so hohem Grade ausgeübt, wie Hegel. Hätte Dieser gleich Anfangs den absurden Grundgedanken seiner Afterphilosophie, – nämlich diesen, den wahren und natürlichen Hergang der Sache gerade auf den Kopf zu stellen und demnach die Allgemein-Begriffe, welche wir aus der empirischen Anschauung abstrahiren, die mithin durch Wegdenken von Bestimmungen entstehn, folglich je allgemeiner desto leerer sind, zum Ersten, zum Ursprünglichen, zum wahrhaft Realen (zum Ding an sich, in Kantischer Sprache) zu machen, in Folge Dessen die empirisch-reale Welt allererst ihr Daseyn habe, – hätte er, sage ich, dieses monstrose ύστεπον προτερον, ja diesen ganz eigentlich aberwitzigen Einfall, nebst dem Beisatz, daß solche Begriffe, ohne unser Zuthun, sich selber dächten und bewegten, gleich Anfangs in klaren, verständlichen Worten deutlich dargelegt; so würde Jeder ihm ins Gesicht gelacht, oder die Achseln gezuckt und die Posse keiner Beachtung werth gehalten haben. Dann aber hätte selbst Feilheit und Niederträchtigkeit vergebens in die Posaune stoßen können, um der Welt das Absurdeste, welches sie gesehn, als die höchste Weisheit aufzulügen und die deutsche Gelehrtenwelt, mit ihrer Urtheilskraft, auf immer zu kompromittiren. Hingegen unter der Hülle des unverständlichen Gallimathias, da ging es, da machte der Aberwitz Glück:

      Omnia enim stolidi magis admirantur amantque,

      Inversis quae sub verbis latitantia cernunt.

      Lucr. I, 642.

      Durch solche Beispiele ermuthigt suchte seitdem fast jeder armsäligste Skribler etwas darin, mit pretiöser Dunkelheit zu schreiben, damit es aussähe, als vermöchten keine Worte seine hohen, oder tiefen Gedanken auszudrücken. Statt auf jede Weise bemüht zu seyn, seinem Leser deutlich zu werden, scheint er ihm oft neckend zuzurufen: Gelt, du kannst nicht rathen was ich mir dabei denke! Wenn nun Jener, statt zu antworten, darum werd’ ich mich den Teufel scheeren, und das Buch wegzuwerfen sich vergeblich daran abmüht; so denkt er am Ende, es müsse doch etwas höchst Gescheutes, nämlich sogar seine Fassungskraft Uebersteigendes seyn, und nennt nun, mit hohen Augenbrauen, seinen Autor einen tiefsinnigen Denker. Eine Folge dieser ganzen saubern Methode ist, unter andern, daß, wenn man in England etwas als sehr dunkel, ja, ganz unverständlich bezeichnen will, man sagt it is like German metaphysics; ungefähr wie man in Frankreich sagt c’est clair comme la bouteille à l’encre.

      Es ist wohl überflüssig, hier zu erwähnen, doch kann es nicht zu oft gesagt werden, daß, im Gegentheil, gute Schriftsteller stets eifrig bemüht sind, ihren Leser zu nöthigen, genau eben Das zu denken, was sie selbst gedacht haben: denn wer etwas Rechtes mitzutheilen hat, wird sehr darauf bedacht seyn, daß es nicht verloren gehe. Deshalb beruht der gute Stil hauptsächlich darauf, daß man wirklich etwas zu sagen habe: bloß diese Kleinigkeit ist es, die den meisten Schriftstellern unsrer Tage abgeht und dadurch Schuld ist an ihrem so schlechten Vortrage. Besonders aber ist der generische Charakter der philosophischen Schriften dieses Jahrhunderts das Schreiben, ohne eigentlich etwas zu sagen zu haben: er ist ihnen allen gemeinsam und kann daher auf gleiche Weise am Salat, wie am Hegel, am Herbart, wie am Schleiermacher studirt werden. Da wird, nach homoiopathischer Methode, das schwache Minimum eines Gedankens mit 50 Seiten Wortschwall diluirt und nun, mit gränzenlosem Zutrauen zur wahrhaft deutschen Geduld des Lesers, ganz gelassen, Seite nach Seite, so fortgeträtscht. Vergebens hofft der zu dieser Lektüre verurtheilte Kopf auf eigentliche, solide und substantielle Gedanken: er schmachtet, ja, er schmachtet nach irgend einem Gedanken, wie der Reisende in der arabischen Wüste nach Wasser, – und muß verschmachten. Nun nehme man dagegen irgend einen wirklichen Philosophen zur Hand, gleichviel aus welcher Zeit, aus welchem Lande, sei es Platon oder Aristoteles, Kartesius, oder Hume, Malebranche, oder Locke, Spinoza, oder Kant: immer begegnet man einem schönen und gedankenreichen Geiste, der Erkenntniß hat und Erkenntniß wirkt, besonders aber stets redlich bemüht ist, sich mitzutheilen; daher er dem empfänglichen Leser, bei jeder Zeile, die Mühe des Lesens unmittelbar vergilt. Was nun die Schreiberei unserer Philosophaster so überaus gedankenarm und dadurch marternd langweilig macht ist zwar, im letzten Grunde, die Armuth ihres Geistes, zunächst aber Dieses, daß ihr Vortrag sich durchgängig in höchst abstrakten, allgemeinen und überaus weiten Begriffen bewegt, daher auch meistens nur in unbestimmten, schwankenden, verblasenen Ausdrücken einherschreitet. Zu diesem aerobatischen Gange sind sie aber genöthigt; weil sie sich hüten müssen, die Erde zu berühren, als wo sie, auf das Reale, Bestimmte, Einzelne und Klare stoßend, lauter gefährliche Klippen antreffen würden, an denen ihre Wort-Dreimaster scheitern könnten. Denn statt Sinne und Verstand fest und unverwandt zu richten auf die anschaulich vorliegende Welt, als auf das eigentlich und wahrhaft Gegebene, das Unverfälschte und an sich selbst dem Irrthum nicht Ausgesetzte, durch welches hindurch wir daher in das Wesen der Dinge einzudringen haben, – kennen sie nichts, als nur die höchsten Abstraktionen, wie Seyn, Wesen, Werden, Absolutes, Unendliches, u. s. f., gehen schon von diesen aus und bauen daraus Systeme, deren Gehalt zuletzt auf bloße Worte hinausläuft, die also eigentlich nur Seifenblasen sind, eine Weile damit zu spielen, jedoch den Boden der Realität nicht berühren können, ohne zu platzen.

      Wenn, bei allen Dem, der Nachtheil, welchen die Unberufenen und Unbefähigten den Wissenschaften bringen, bloß dieser wäre, daß sie darin nichts leisten; wie es in den schönen Künsten hiebei sein Bewenden hat; so könnte man sich darüber trösten und hinwegsetzen. Allein hier bringen sie positiven Schaden, zunächst dadurch, daß sie, um das Schlechte in Ansehn zu erhalten, Alle im natürlichen Bunde gegen das Gute stehn und aus allen Kräften bemüht sind, es nicht aufkommen zu lassen. Denn darüber täusche man sich nicht, daß, zu allen Zeiten,

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