Parerga und Paralipomena. Arthur Schopenhauer

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Parerga und Paralipomena - Arthur  Schopenhauer

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gegen Geist und Verstand existirt. Gegen diese sind sie sämmtlich getreue und zahlreiche Bundesgenossen. Oder ist man etwan so treuherzig, zu glauben, daß sie vielmehr nur auf die Ueberlegenheit warten, um solche anzuerkennen, zu verehren und zu verkündigen, um danach sich selbst so recht zu nichts herabgesetzt zu sehn? – Gehorsamer Diener! Sondern: tantum quisque laudat, quantum se posse sperat imitari. Stümper, und nichts als Stümper, soll es geben auf der Welt; damit wir auch etwas seien! Dies ist ihre eigentliche Losung, und die Befähigten nicht aufkommen zu lassen ein ihnen so natürlicher Instinkt, wie der der Katze ist, Mäuse zu fangen. Man erinnere sich auch hier der am Schlusse der vorhergegangenen Abhandlung beigebrachten schönen Stelle Chamfort’s. Sei doch ein Mal das öffentliche Geheimniß ausgesprochen; sei das Mondkalb ans Tageslicht gezogen; so seltsam auch es sich in demselben ausnimmt: allezeit und überall, in allen Lagen und Verhältnissen, haßt Beschränktheit und Dummheit nichts auf der Welt so inniglich und ingrimmiglich, wie den Verstand, den Geist, das Talent. Daß sie sich hierin stets treu bleibt, zeigt sie in allen Sphären, Angelegenheiten und Beziehungen des Lebens, indem sie überall jene zu unterdrücken, ja, auszurotten und zu vertilgen bemüht ist, um nur allein dazuseyn. Keine Güte, keine Milde kann sie mit der Ueberlegenheit der Geisteskraft aussöhnen. So ist es, steht nicht zu ändern, wird auch immer so bleiben. Und welche furchtbare Majorität hat sie dabei auf ihrer Seite! Dies ist ein Haupthinderniß der Fortschritte der Menschheit in jeder Art. Wie nun aber kann es, unter solchen Umständen, hergehn auf dem Gebiete, wo nicht ein Mal, wie in andern Wissenschaften, der gute Kopf, nebst Fleiß und Ausdauer, ausreicht, sondern ganz eigenthümliche, sogar nur auf Kosten des persönlichen Glückes vorhandene Anlagen erfordert werden? Denn wahrlich, die uneigennützigste Aufrichtigkeit des Strebens, der unwiderstehliche Drang nach Enträthselung des Daseyns, der Ernst des Tiefsinns, der in das Innerste der Wesen einzudringen sich anstrengt, und die ächte Begeisterung für die Wahrheit, – dies sind die ersten und unerläßlichen Bedingungen zu dem Wagestücke, von Neuem hinzutreten vor die uralte Sphinx, mit einem abermaligen Versuch, ihr ewiges Räthsel zu lösen, auf die Gefahr, hinabzustürzen, zu so vielen Vorangegangenen, in den finstern Abgrund der Vergessenheit.

      Ein fernerer Nachtheil, den, in allen Wissenschaften, das Treiben der Unberufenen bringt, ist, daß es den Tempel des Irrthums aufbaut, an dessen nachheriger Niederreißung gute Köpfe und redliche Gemüther bisweilen ihre Lebenszeit hindurch sich abzuarbeiten haben. Und nun gar in der Philosophie, im allgemeinsten, wichtigsten und schwierigsten Wissen! Will man hiezu specielle Belege, so bringe man sich das scheußliche Beispiel der Hegelei vor Augen, jener frechen Afterweisheit, welche, an die Stelle des eigenen, besonnenen und redlichen Denkens und Forschens, als philosophische Methode die dialektische Selbstbewegung der Begriffe setzte, also ein objektives Gedankenautomaton, welches frei in der Luft, oder im Empyreum, seine Gambolen auf eigene Hand mache, deren Spuren, Fährten, oder Ichnolithen die Hegel’schen und Hegelianischen Skripturen wären, welche doch vielmehr nur etwas unter sehr flachen und dickschaligen Stirnen Ausgehecktes und, weit entfernt ein absolut Objektives zu seyn, etwas höchst Subjektives, noch dazu von sehr mittelmäßigen Subjekten Erdachtes sind. Danach aber betrachte man die Höhe und Dauer dieses Babelbaues und erwäge den unberechenbaren Schaden, den eine solche, durch äußere, fremdartige Mittel der studirenden Jugend aufgezwungene, absolute Unsinnsphilosophie dem an ihr herangewachsenen Geschlechte und dadurch dem ganzen Zeitalter hat bringen müssen. Sind nicht unzählige Köpfe der gegenwärtigen Gelehrtengeneration dadurch von Grund aus verschroben und verdorben? Stecken sie nicht voll korrupter Ansichten und lassen, wo man Gedanken erwartet, hohle Phrasen, nichtssagendes Wischiwaschi, ekelhaften Hegeljargon vernehmen? Ist ihnen nicht die ganze Lebensansicht verrückt und die platteste, philisterhafteste, ja, niedrigste Gesinnung an die Stelle der edlen und hohen Gedanken, welche noch ihre nächsten Vorfahren beseelten, getreten? mit Einem Worte, steht nicht die am Brütofen der Hegelei herangereifte Jugend da, als am Geiste kastrirte Männer, unfähig zu denken und voll der lächerlichsten Präsumtion? wahrlich, am Geiste so beschaffen, wie am Leibe gewisse Thronerben, welche man weiland durch Ausschweifungen, oder Pharmaka, zur Regierung, oder doch zur Fortführung ihres Stammes, unfähig zu machen suchte; geistig entnervt, des regelrechten Gebrauchs ihrer Vernunft beraubt, ein Gegenstand des Mitleids, ein bleibendes Thema der Vaterthränen. – Nun aber höre man noch von der andern Seite, welche anstößigen Urtheile über die Philosophie selbst und überhaupt, welche ungegründete Vorwürfe gegen sie laut werden. Bei näherer Untersuchung findet sich dann, daß diese Schmäher unter Philosophie eben nichts anderes, als das geistlose und absichtsvolle Gewäsche jenes elenden Scharlatans und das Echo desselben in den hohlen Köpfen seiner abgeschmackten Verehrer verstehn: Das meynen sie wirklich, sei Philosophie! Sie kennen eben keine andere. Freilich ist beinahe die ganze jüngere Zeitgenossenschaft von der Hegelei, gleich wie von der Franzosenkrankheit, infizirt worden; und wie dieses Uebel alle Säfte vergiftet, so hat jene alle ihre Geisteskräfte verdorben; daher die jüngeren Gelehrten heut zu Tage meistens keines gesunden Gedankens, auch keines natürlichen Ausdrucks mehr fähig sind. In ihren Köpfen ist nicht bloß kein einziger richtiger, sondern auch nicht ein Mal ein einziger deutlicher und bestimmter Begriff von irgend etwas vorhanden; der wüste, leere Wortkram hat ihre Denkkraft aufgelöst und verschwemmt. Dazu kommt noch, daß das Uebel der Hegelei nicht minder schwer auszutreiben ist, als die soeben damit verglichene Krankheit, wenn es ein Mal recht eingedrungen ist in succum et sanguinem. Hingegen es in die Welt zu setzen und zu verbreiten war ziemlich leicht; da ja die Einsichten bald genug aus dem Felde geschlagen sind, wenn man Absichten gegen sie aufmarschiren läßt, d. h. zur Verbreitung von Meinungen und Feststellung von Urtheilen sich materieller Mittel und Wege bedient. Die arglose Jugend geht auf die Universität voll kindlichen Vertrauens und blickt mit Ehrfurcht auf die angeblichen Inhaber alles Wissens, und nun gar auf den präsumtiven Ergründer unsers Daseyns, auf den Mann, dessen Ruhm sie von tausend Zungen enthusiastisch verkündigen hört und auf dessen Lehrvortrag sie bejahrte Staatsmänner lauschen sieht. Sie geht also hin, bereit zu lernen, zu glauben und zu verehren. Wenn ihr nun da, unter dem Namen der Philosophie, ein völlig auf den Kopf gestellter Gedankenwust, eine Lehre von der Identität des Seyns und des Nichts, eine Zusammenstellung von Worten, dabei dem gesunden Kopfe alles Denken ausgeht, ein Wischiwaschi, das an’s Tollhaus erinnert, dargereicht wird, dazu noch ausstaffirt mit Zügen krasser Ignoranz und kolossalen Unverstandes, wie ich solche dem Hegel aus seinem Studentenkompendio unwidersprechlich und unwidersprochen nachgewiesen habe, in der Vorrede zu meiner Ethik, um nämlich daselbst der Dänischen Akademie, dieser glücklich inokulirten Lobrednerin der Pfuscher und Schutzmatrone philosophischer Scharlatane, ihren summus philosophus so recht unter die Nase zu reiben; – nun, da wird die arg-und urtheilslose Jugend auch solches Zeug verehren, wird eben denken, in solchem Abrakadabra müsse ja wohl die Philosophie bestehn, und wird davongehn mit einem gelähmten Kopf, in welchem fortan bloße Worte für Gedanken gelten, mithin auf immer unfähig, wirkliche Gedanken hervorzubringen, also kastrirt am Geiste. Daraus erwächst denn so eine Generation impotenter, verschrobener, aber überaus anspruchsvoller Köpfe, strotzend von Absichten, blutarm an Einsichten, wie wir sie jetzt vor uns haben. Das ist die Geistesgeschichte Tausender, deren Jugend und schönste Kraft durch jene Afterweisheit verpestet worden ist; während auch sie hätten der Wohlthat theilhaft werden sollen, welche die Natur, als ihr ein Kopf wie Kant gelang, vielen Generationen bereitete. – Mit der wirklichen, von freien Leuten, bloß ihrer selbst wegen getriebenen und keine andere Stütze als die ihrer Argumente habenden Philosophie, hätte dergleichen Mißbrauch nie getrieben werden können; sondern nur mit der Universitätsphilosophie, als welche schon von Hause aus ein Staatsmittel ist, weshalb wir denn auch sehn, daß, zu allen Zeiten, der Staat sich in die philosophischen Streitigkeiten der Universitäten gemischt und Partei ergriffen hat, mochte es sich um Realisten und Nominalisten, oder Aristoteliker und Ramisten, oder Kartesianer und Aristoteliker, um Christian Wolf, oder Kant, oder Fichte, oder Hegel, oder was sonst handeln.

      Zu den Nachtheilen, welche die Universitätsphilosophie der wirklichen und ernstlich gemeinten gebracht hat, gehört ganz besonders das soeben berührte Berdrängtwerden der Kantischen Philosophie durch die Windbeuteleien der drei ausposaunten Sophisten. Nämlich erst Fichte und dann Schelling, die Beide doch nicht ohne Talent waren, endlich aber gar der plumpe und ekelhafte Scharlatan Hegel, dieser perniciöse Mensch, der einer ganzen Generation die Köpfe völlig desorganisirt und verdorben hat, wurden ausgeschrieen als die Männer,

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