Reisen mit leichtem Gepäck. Tove Jansson

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Reisen mit leichtem Gepäck - Tove  Jansson

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das ist ein und dasselbe. Und soll ich dir was verraten, in dem ganzen Spektakel kommt es einzig und allein auf eins an – nämlich darauf, Lust zu haben. Die Lust, die kommt und geht. Anfangs kriegt man sie gratis, im Unverstand, und vergeudet sie hemmungslos. Später wird sie zu etwas, das man mit Vorsicht behandelt.«

      Es war schrecklich kalt, er ging zu langsam, und ich fror.

      Dann fügte er hinzu: »Irgendwann sieht man das Bild nicht mehr. Ich glaube, die Zigaretten sind alle.«

      »Keineswegs«, sagte Juksu. »Philip Morris, Großmutter hat sie mir in die Tasche gesteckt. Großmutter versteht ihr Geschäft.«

      Keke gesellte sich zu den anderen, sie zündeten ihre Zigaretten an und gingen genauso langsam weiter.

      Jonne und ich blieben etwas zurück, ich flüsterte ihm zu: »Hast du das hier satt? Sollten wir lieber nach Hause gehen?«

      »Still«, sagte er. »Ich will hören, was sie sagen.«

      »Sein Modellierton«, sagte Vilhelm gerade. »Den hat ein Amateur bekommen. Irgend so ein Scheißkerl, der die Nase vorn hatte, ein hergelaufener Niemand. Der Alte war noch keine zwei Tage tot, da kam dieser Dilettant angerannt und kaufte der Witwe den Ton ab, für ein Spottgeld. Und das war richtig alter Ton, man stelle sich vor, was für eine Qualität!«

      »Jonne, warte kurz«, sagte ich. »Ich hab Sand in den Schuhen.« Aber Jonne ging weiter, zu ihnen hin.

      Als er zurückkam, berichtete er hastig, der Modellierton werde mit der Zeit immer lebendiger, bei jeder Skulptur sei es derselbe Ton, er müsse stets feucht gehalten werden, und ein neuer Ton sei überhaupt nicht dasselbe, der lebe nicht …

      Ich fragte, wer von ihnen eigentlich Bildhauer sei, doch das wusste er nicht.

      »Sie haben nur darüber geredet, wie es ist, ein Bild zu sehen«, sagte er, »ich weiß nicht.« Er war sehr erregt und wollte wissen, ob wir nichts im Haus hätten, etwas, was man ihnen anbieten könnte, es sei ja nicht besonders spät, »und das hier«, sagte Jonne, »ist etwas, das wir nie mehr erleben werden, für mich ist das wichtig.«

      Ich wusste, dass wir nicht viel anzubieten hatten, und das wusste Jonne auch, sehr gut sogar. Ein bisschen Anchovis und Brot, Butter und Käse, aber nur eine einzige Flasche Rotwein.

      »Das geht gut«, sagte Jonne. »Wenn wir zwei nur so tun, als würden wir trinken, bleiben sie vielleicht ein Weilchen, das reicht bestimmt, meinst du nicht auch? Und es ist doch gleich um die Ecke.«

      »Wir machen das«, sagte ich, und da lachte er.

      Im Brunnspark war es sehr schön, alles wuchs und spross. Auf einmal war ich nicht mehr müde, ich wusste nur, jetzt war Jonne froh.

      Wir blieben alle vor einer großen Vogelkirsche stehen, die voll erblüht kreideweiß durch die Frühlingsnacht leuchtete. Beim Betrachten des Baumes kam mir der Gedanke, dass ich Jonne nicht so geliebt hatte, wie ich ihn hätte lieben können, nämlich absolut.

      Keke sah mich an und sagte: »Das da ist bloß ein Geschenk, das hat nichts zu bedeuten.«

      Ich verstand ihn nicht. Wir gingen weiter.

      Dann sagte er: »Deine Großmutter hat eigentlich nie etwas anderes gemalt als Bäume, Bäume aus ein und demselben Park. Zum Schluss wusste sie, was ein Baum ist, kannte die Idee des Baumes. Deine Großmutter ist sehr stark. Sie hat ihre Lust nie verloren.«

      Natürlich hatte ich großen Respekt vor diesen Herren, die einzig und allein ihre verlorene Lust suchten und denen sonst nichts wichtig war, aber gleichzeitig machte ich mir Sorgen, ob wir genügend Kaffee im Haus hatten und ob es sehr unaufgeräumt war. Mir fiel ein, was bei uns an den Wänden hing, vielleicht waren unsere Bilder total unmöglich, lauter Sachen, die man einfach gern hat, ohne sie zu verstehen. Keke kam her und fragte, ob mir kalt sei.

      »Nein«, sagte ich, »jetzt müssen wir nur noch diese Straße hinauf und dann sind wir da.«

      »Deine Großmutter«, sagte Keke, »hat sie jemals über ihre Arbeit gesprochen?«

      »Nein, hat sie nicht.«

      »Gut«, sagte Keke, »das ist gut. In den Sechzigerjahren hat die Kritik sie fertiggemacht, aber sie ist trotzdem bei ihrem Stil geblieben. Weißt du, mein Kind – wie heißt du überhaupt?«

      »Maj«, sagte ich.

      »Na, das passt ja. Weißt du, damals galt nur das Informel, alle mussten das Gleiche machen.« Er sah mich an und als er merkte, dass ich keine Ahnung hatte, erklärte er: »Informel, das heißt ungefähr, unbegreiflich zu malen, nur Farbe. Das führte dazu, dass ältere, sehr gute Künstler sich in ihren Ateliers verkrochen und so wie die Jungen zu malen versuchten. Ängstlich wollten sie mithalten. Manchen gelang es, so halbwegs, und manche haben sich verirrt und nie mehr auf den richtigen Weg zurückgefunden. Aber deine Großmutter blieb bei ihrem Stil, und als alles vorbei war, hatte sie ihn immer noch. Sie war mutig, oder auch nur dickköpfig.«

      Sehr vorsichtig bemerkte ich: »Aber vielleicht konnte sie einfach nicht anders arbeiten als auf ihre eigene Art?«

      »Ausgezeichnet«, sagte Keke. »Sie musste einfach. Du tröstest mich.«

      Als wir beim Hauseingang ankamen, sagte ich: »Seid jetzt bitte sehr leise, wir haben nämlich schwierige Nachbarn. Jonne, geh schon mal vor und hol, du weißt schon was, aus dem Kühlschrank.«

      In der Wohnung stellte Jonne Rotwein und Gläser auf den Tisch, unsere Gäste machten es sich bequem und setzten ihre Unterhaltung fort. Licht brauchten wir keins, die Nacht war hell genug.

      Etwas später erwähnte Jonne, er habe da etwas, das sie sich vielleicht anschauen könnten, und ich wusste, dass er ihnen sein Bootsmodell zeigen wollte. Daran arbeitet er seit zwei Jahren, jedes kleinste Detail ist von Hand gefertigt. Sie gingen ins Kabuff, wo Jonne das Deckenlicht anmachte. Ich hörte ein gedämpftes Gespräch, ließ sie aber in Ruhe und stellte den Kaffee auf.

      Nach einiger Zeit kam Jonne in die Kochecke. »Sie haben gesagt, ich hätte die Lust«, flüsterte er. »Ich hätte eine Idee.« Er war sehr aufgewühlt und fuhr fort: »Aber das sei ja nicht ihre Idee, dieses Eine, wonach sie immer suchen.«

      »Sehr schön!«, sagte ich. »Nimmst du den Kaffee, dann bringe ich den Rest.«

      Als ich ins Zimmer kam, sprach Vilhelm gerade über die blühende Vogelkirsche, die wir unterwegs gesehen hatten. Er sagte: »Was soll man mit so was machen?«

      »Lass sie blühen«, sagte Keke. »Aha, hier kommt unsere schöne Gastgeberin! Nicht wahr, man soll sie blühen lassen und einfach bewundern. Das ist eine Art zu leben. Der Versuch, sie noch einmal zu machen, ist eine andere Art. Das ist alles.«

      Nachdem sie sich verabschiedet hatten, schwieg Jonne lange. Erst, als wir zu Bett gingen, sagte er: »Meine Lust ist vielleicht nicht so bemerkenswert, aber wenigstens ist es meine eigene.«

      »Das ist sie«, sagte ich.

      Von Anfang an war klar, dass niemand auf »Backen« ihn mochte. Ein düsteres, mageres Kind von elf Jahren, das irgendwie hungrig aussah. Eigentlich hätte der Junge die natürliche Zärtlichkeit wecken sollen, die zum Beschützerinstinkt gehört, doch das tat er ganz und gar nicht.

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