Sophienlust Staffel 8 – Familienroman. Diverse Autoren
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»Nein, Nick, sie hat das Morphium gewiß nicht genommen.«
»Dann…« Der Junge zögerte. Es kam selten vor, daß seine Mutti sich irrte. Dabei hatte er Herrn Laurens wirklich sehr gut leiden können, denn er war sehr lieb mit seinen Kindern umgegangen. Außerdem mußte man doch im Interesse von Kuni und Mathias wünschen, daß Herr Laurens nichts mit diesem Fall zu tun hatte.
»Nick, nicht wahr, du sprichst mit niemandem darüber?« fragte Denise und sah ihn bittend an.
»Mutti, was denkst du denn von mir!« Empört blitzte es in Nicks dunklen Augen auf. »Habe ich jemals eine Tratscherei angefangen?«
»Aber nein!« Denise lachte. »Sei nicht immer gleich beleidigt. Ich weiß ja, daß du verschwiegen sein kannst wie ein Grab.«
»Dann ist es ja gut«, brummte der Junge.
Später, als Denise und Alexander allein beim Mokka saßen, sprachen sie noch einmal über den Morphiumdiebstahl.
»Wie kommst du denn darauf, daß Herr Laurens der Täter sein könnte?« fragte Alexander.
»Ich weiß es nicht. Obwohl ich ihn nur als liebenswürdigen Mann kennengelernt habe, gefällt er mir nicht besonders. Du kennst mich doch, Alexander. Ich habe für manche Dinge ein genauso feines Gespür wie Nick. Mir ist das unruhige Flackern in seinen Augen aufgefallen. Er konnte mir nicht gerade in die Augen sehen. Allerdings habe ich deshalb nicht das Recht, ihm so etwas zuzutrauen.« Denise schenkte sich noch mal die Tasse voll und nahm zwei Stück Zucker. »Ich hoffe aber von ganzem Herzen, daß ich mich irre. Denn Frau Laurens liebt ihren Mann sehr. Das hört man aus jedem ihrer Worte heraus. Mir ist nur aufgefallen daß sie ihn unbewußt vor mir verteidigt hat. Obwohl sie behauptete, ihren Mann keine Minute allein gelassen zu haben, bin ich fast sicher, daß sie darin nicht ganz bei der Wahrheit geblieben ist. Doch möglicherweise sehe ich alles zu schwarz.
»Bestimmt tust du das, mein Liebes.« Alexander lächelte Denise zärtlich an.
»Ich hoffe es auch«, erwiderte sie nach einem tiefen Seufzer und wechselte das Thema.
*
Pia und Guido hatten keine Schwierigkeiten, das Morphium an den Mann zu bringen. Karl Kunze, den sie durch Alex Kröger kennengelernt hatten, war in den Kreisen, in denen Rauschgift gebraucht wurde, sehr bekannt. Man hatte ihm die ›Ware‹ nur so aus den Händen gerissen und jeden verlangten Preis dafür bezahlt.
Guido fand seinen Komplizen alles andere als sympathisch. Pia dagegen schien ganz hingerissen von ihm zu sein. Sie hatte es kaum erwarten können, diesen Abend mit ihm beisammen zu sein.
Guido beobachtete die beiden mit steigendem Mißtrauen und glühender Eifersucht. Dabei dachte er an das, was Pia ihm versprochen hatte.
Als er aus Maibach zu ihr zurückgekehrt war, hatte sie ihn voller Freude begrüßt. Staunend hatte sie das Morphium in Empfang genommen, mehrmals die Ampullen gezählt und begeistert erklärt: »Guido, Karl Kunze bekommt stets Höchstpreise! Wenn wir das hier verkauft haben, sind wir heraus aus dem Schneider!«
»Pia, wir sollten uns ein Sparkonto anlegen«, hatte er vorgeschlagen. »Für das tägliche Leben verdiene ich mit meiner Anwaltspraxis genügend. Bist du einverstanden? Weißt du, man soll das Schicksal nicht immer wieder herausfordern. Bisher haben wir Glück gehabt.«
»Das ist wahr. Also einverstanden, Guido. Nicht wahr, du läßt dich so bald wie möglich scheiden?« hatte sie gefragt und ihn geküßt. »Dann heiraten wir.«
»Ich wüßte nicht, was ich mir sehnlichster wünschte«, hatte er, erregt durch die Wärme ihres sinnlichen Körpers, geflüstert.
Karl Kunze hatte tatsächlich mehr bezahlt, als Guido für möglich gehalten hatte. Guido war daraufhin fest entschlossen gewesen, von nun an ein ›sauberes‹ Leben zu führen.
Nun aber stellte er fest, daß Pia ihm in den Rücken fiel. Sie sah wieder einmal sehr verführerisch aus in dem auffallenden roten Kleid, das mit schwar-zen Fransen verziert war. Ihre Katzenaugen sprühten Funken, wenn sie Karl Kunze anschaute.
Bis zu diesem Abend hatte Guido sich kaum mit der äußeren Erscheinung seines Komplizen beschäftigt. Doch nun stellte er fest, daß er einen athletischen Körper hatte und ein hübsches Gesicht. Für seinen Geschmack waren seine Züge aber viel zu grob. Aber man sagte doch, daß viele Frauen von brutal aussehenden Männern stark angezogen wurden.
Karl und Pia unterhielten sich so laut, daß einige der Umsitzenden schon die Ohren spitzten.
»Seid vorsichtiger«, zischte Guido. »Ihr benehmt euch gar zu auffällig.«
Pia warf ihm einen wütenden Blick zu. Dabei umklammerte sie ganz fest ihre Handtasche, die mit Scheinen prall gefüllt war. Guido geriet außer sich vor Eifersucht, als er sah, daß Pia ihre Hand für einen Augenblick auf das Knie von Karl Kunze legte. Zugleich dachte er daran, daß sie darauf bestanden hatte, die Hälfte des »Gewinnes« einzustecken. Wütend hatte er ihr das Geld überlassen.
»Pia, wir gehen«, befahl er und griff nach ihrem Arm, um sie zum Aufstehen zu zwingen.
»Laß mich sofort los!« rief sie so laut, daß sich viele Blicke auf sie richteten. Doch in dieser anrüchigen Bar schien man an solche Szenen gewöhnt zu sein, denn man beobachtete die drei danach nicht mehr.
»Komm sofort mit, Pia«, flüsterte Guido seiner Geliebten zu.
»Ich denke ja gar nicht daran. Geh doch allein.«
Guido warf einen Geldschein auf die Theke und erhob sich. Er wußte, würde er noch länger bleiben, würde er nicht mehr für sich einstehen können. Er war nahe daran, seinem Rivalen kaltblütig ins Gesicht zu schlagen.
Pia schickte ihm ein spöttisches Lachen nach, das sein Blut zum Sieden brachte. Aber er beherrschte sich und verließ mit steifem Rücken die Bar. Schnurstracks fuhr er heim. Dort wartete er – allerdings vergeblich – auf einen Anruf von Pia oder auf ihren Besuch.
Pia war wie hypnotisiert von Karl Kunze. Sie stellte sich vor, wie es sein müßte, wenn er sie küßte. Umgekehrt gefiel sie auch Karl Kunze. Außerdem fand er, daß Mädchen wie Pia nur gewinnbringend für seine Geschäfte waren. Er konnte sie bei hartnäckigen Kunden einsetzen. Ein schönes entgegenkommendes Mädchen war immer von Vorteil. Obendrein reizte sie ihn selbst so sehr, daß er fest entschlossen war, sie zu seiner Geliebten zu machen.
»Pia würde es dir gefallen, mit mir zu arbeiten?« fragte er, als Guido fort war, und legte seinen Arm um ihre Taille.
Diese Berührung durchzuckte sie wie ein elektrischer Schlag. Unwillkürlich drängte sie sich näher an ihn heran und legte für einen Augenblick ihren Kopf an seine Schulter. »Sehr«, erwiderte sie und sah ihm tief in die Augen.
»Dann liebst du Guido nicht mehr?«
»Ich habe ihn eigentlich nie geliebt. Er ist ein Feigling. Das habe ich aber erst jetzt erkannt.«
»Glaubst du, daß du wieder Morphium beschaffen kannst?«
»Klar, Karl. Aber noch muß ich ein Weilchen damit warten. Der Apotheker ist nach dem Besuch der Polizei etwas wachsamer geworden. Aber laß mich nur machen. Er ist ganz verrückt nach mir. Und ich mache ihm Hoffnungen.« Sie lachte erheitert auf.