MATTHEW CORBETT und die Hexe von Fount Royal (Band 1). Robert Mccammon
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Читать онлайн книгу MATTHEW CORBETT und die Hexe von Fount Royal (Band 1) - Robert Mccammon страница 10
Die schnelle Bewegung ließ eine Ratte aufquieken – dem Geräusch nach zu urteilen musste es eine sehr große sein – und mit kratzenden Krallen wieder in ihr Nest in der Wand verschwinden. Der Lärm des vom Dach auf den Boden fallenden Regens vermischte sich zu einer wahren Symphonie. Matthew dachte, dass es an der Zeit war, eine Arche zu bauen. Vielleicht hatte Abner recht, und das Ende der Welt war angebrochen. Vielleicht würde das Jahr 1700 nie auf einem Kalender verzeichnet werden.
Wie dem auch sein mochte, er sah sich gezwungen, den Regenströmen noch sein eigenes Wasser hinzuzufügen. Und der Schwere in seinem Gedärm nach zu urteilen, gleich noch etwas mehr. Verdammt, er würde in dieses Unwetter hinausgehen und sich wie ein Tier hinkauern müssen. Wenn es ginge, würde er ja versuchen, noch etwas anzuhalten, doch manche Dinge ließen sich nicht halten. Während die Ratten neben dem Bett ihrer Geschäfte nachgingen, würde er sich im Wald hinter der Scheune wie ein zivilisierter Mann erleichtern. Und auf der nächsten Reise – die Gott verhüten möge – würde er daran denken, einen Nachttopf mitzunehmen.
Er befreite sich aus dem Folterinstrument, das als Bett getarnt war. Im Wirtshaus herrschte Stille; es musste mitten in der Nacht sein. In der Ferne grollte Donner; über der Carolina-Kolonie führte der Sturm immer noch sein Unwesen wie ein Geier mit schwarzen Schwingen. Matthew schob seine Füße in die Schuhe. Er besaß keinen eigenen schweren Mantel und zog sich daher den des Richters über sein Flanellnachthemd, der noch feucht von Woodwards jüngster Expedition hinter die Scheune war. Die Stiefel des Richters neben dem Bett waren lehmbeschmiert und würden mit einer groben Borstenbürste bearbeitet werden müssen, um wieder sauber zu werden. Matthew wollte nicht ihre einzige Kerze mit hinausnehmen, da das Unwetter sie schnell löschen und die rattenschwänzigen Wandbewohner in dem dunklen Zimmer vielleicht noch dreister werden würden. Er beschloss, eine Laterne aus der Wirtsstube mitzunehmen, und hoffte, dass sie ihm genügend Licht spendete, damit er nicht in den laut Woodward »gottlosen Unrat« dort draußen treten würde. Er konnte dann auch gleich nach den Pferden sehen, da er sowieso zur Scheune ging.
Als er die Hand auf dem Türriegel hatte und ihn gerade anheben wollte, hörte der Richter auf zu schnarchen und begann leise zu stöhnen. Matthew sah, wie sich Woodwards Gesicht unter der gesprenkelten Kuppel seiner Glatze verzog. Matthew hielt inne und starrte ins schummerige flackernde Licht. Woodwards Mund öffnete sich und die Augenlider flatterten. »Oh«, wisperte der Richter klar und deutlich. Obwohl seine gequälte Stimme nur ein Flüstern war, konnte Matthew darin etwas hören, das er nur als reinen und schrecklichen Schmerz beschreiben konnte. »Ohhhh«, gab Woodward im Kerker seines Albtraums von sich. »Ann … ihm tut es weh.« Er holte gepeinigt Luft. »Ihm tut … ihm tut es … oh Gott, Ann … ihm tut …« Er sagte noch etwas, ein Gewirr von Worten, unter das sich ein weiteres leises, furchtbares Stöhnen mischte. Seine Hände griffen fahrig nach dem Ausschnitt seines Nachthemds, sein Kopf drückte sich tief ins Stroh. Aus seinem Mund erklang ein mattes Geräusch, das der Widerhall eines Schreis hätte sein können. Dann entspannte sich sein Körper langsam, und das Schnarchen setzte wieder ein.
Für Matthew war dies nichts Neues. Der Richter schritt in vielen Nächten durch finstere Gefilde der Qual, doch er weigerte sich, über den Grund dafür zu sprechen. Vor fünf Jahren hatte Matthew ihn einmal gefragt, was denn Schlimmes gewesen sei, und Woodwards Reaktion war eine scharfe Rüge gewesen: Matthews Aufgabe sei es, den Beruf des Gerichtsdieners zu erlernen, und wenn er daran kein Interesse haben sollte, könnte er jederzeit wieder einen Platz im Waisenhaus bekommen. Die Bedeutung dieser Botschaft, die mit untypischer Verdrießlichkeit ausgedrückt wurde, war deutlich gewesen. Was auch immer den Richter des Nachts verfolgte, durfte nicht zur Sprache gebracht werden.
Es hatte etwas mit seiner Frau in London zu tun, glaubte Matthew. Ann musste sie heißen, auch wenn Woodward ihren Namen im Wachzustand nie erwähnte und auch nie etwas über sie erzählte. Obwohl Matthew seit seinem fünfzehnten Geburtstag bei Isaac Woodward lebte, wusste er nur sehr wenig über das frühere Leben des Mannes in England. Er wusste nur, dass Woodward ein recht bekannter Anwalt gewesen war, der es auch zu finanziellem Erfolg gebracht hatte – was aber seine Umstände verändert hatte und weshalb er von London nach Übersee in die rauen Kolonien gegangen war, blieb ein Rätsel. Matthew reimte sich aus dem, was er gelesen hatte, und dem, was Woodward über London erzählte, zusammen, dass es eine großartige Stadt sein musste. Er selbst war nie dagewesen, auch in England nicht, denn er hatte das Licht der Welt auf einem Schiff im Atlantik, neunzehn Tage außerhalb von Plymouth entdeckt.
Leise hob Matthew den Riegel und verließ das Zimmer. Im dunklen Raum dahinter leckten im Kamin noch immer kleine Flammen an schwarzen Stücken Holz. Bitterer Rauch schwebte in der Luft. Neben dem Kamin hingen zwei Laternen. Beide waren aus flach geklopftem Blech gefertigt, in das mit Nägeln kleine Löcher geschlagen worden waren, durch welche das Licht hinausdrang. In einer der Laternen steckte eine Kerze. Matthew fand auf dem Boden einen Kiefernzweig, steckte ihn an den Überresten des Feuers in Brand und hielt die Flamme an den Kerzendocht.
»Was treibt Ihr denn da? Hm?«
Matthew erschrak sich fast zu Tode, als die Stimme die Stille durchschnitt. Er wirbelte herum, und das schwache Licht der Laterne fiel auf Will Shawcombe, der mit einer verrußten Tonpfeife und einem Humpen Rum vor sich an einem der Tische saß.
»Ihr schleicht herum, junger Mann?« Shawcombes Augen lagen tief in ihren Höhlen und sein Gesicht wurde vom Kerzenlicht schmutzig gelb getüncht. Ein Rauchring quoll aus seinem Mund.
»Ich … muss mal«, antwortete Matthew, immer noch nervös.
Shawcombe sog langsam an seiner Pfeife. »Na«, sagte er, »dann passt auf, wo Ihr hintretet. Ist ganz schön matschig da draußen.«
Matthew nickte. Er machte sich auf den Weg zur Tür, aber Shawcombe sprach erneut: »Euer Herr würde sich wohl nicht von seiner feinen Weste trennen wollen, oder?«
»Nein, würde er nicht.« Obwohl er wusste, dass Shawcombe ihn mit der Bemerkung reizen wollte, konnte er das so nicht stehen lassen. »Mr. Woodward ist nicht mein Herr.«
»Ist er nicht? Na, wie kommt es dann, dass er Euch sagt, was Ihr zu tun und zu lassen habt? Mir scheint, dass er der Herr ist und Ihr der Sklave seid.«
»Mr. Woodward will nur das Beste für mich.«
»Aha.« Shawcombe legte seinen Kopf schief und blies einen Rauchpfeil an die Decke. »Er lässt Euch das Gepäck tragen und dann erlaubt er Euch nicht mal, Euren Schwanz nass zu machen? All dieser Scheiß über die Gesellschaft von Wölfen und dass Ihr beschützt werden müsst. Und Ihr seid ein zwanzig Jahre alter Mann! Ich wette, der lässt Euch den Dreck von seinen Schuhen kratzen, stimmt's?«
»Ich bin sein Gerichtsdiener«, betonte Matthew. »Nicht sein Kammerdiener.«
»Macht er seine Stiefel sauber oder Ihr?«
Matthew zögerte. Es stimmte, er bürstete dem Richter die Stiefel, aber es störte ihn nicht. Manche Dinge, wie das Ablegen der Gerichtsunterlagen, aufzuräumen, die Kleidung zu flicken, die Koffer zu packen und eine Vielzahl kleinerer Aufgaben waren Matthew ganz einfach zugefallen, weil er besser darin war, sich um solche Einzelheiten zu kümmern.
»Hab ich's doch gewusst«, fuhr Shawcombe fort. »So einer wie der hat blaues Blut. Der will sich nicht die Hände dreckig machen, was? Tja, wie ich schon sagte – der ist der Herr und Ihr seid der Sklave.«
»Ihr könnt glauben, was Ihr wollt.«
»Ich glaube, was ich sehe«, entgegnete Shawcombe. »Kommt her, ich zeige euch was. Ihr als Sklave könnt das gern mal sehen.« Bevor Matthew etwas sagen und hinausgehen konnte, hob Shawcombe