MATTHEW CORBETT und die Hexe von Fount Royal (Band 1). Robert Mccammon

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MATTHEW CORBETT und die Hexe von Fount Royal (Band 1) - Robert Mccammon Matthew Corbett

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war schlammbespritzt, aber – dem Herrgott sei Dank! – die Kerze brannte noch. Er stand auf und ging vorsichtig zu den Knochenresten hinüber. Dann kniete er nieder und ließ das Licht darauf fallen, versuchte zu sehen, von was für einem Tier sie stammen mochten. Während er so dasaß, hörte er ein leises Rutschgeräusch zu seiner Rechten. Er leuchtete mit der Laterne dorthin und entdeckte, dass sich im Morast ein gut vier Fuß breites Loch aufgetan hatte. Das Rutschgeräusch stammte vom Schlamm, der hineintriefte.

      Matthew dachte, dass es die Stelle sein konnte, die unter seinen Füßen nachgegeben hatte. Selbst die Erde wehrte sich gegen den endlosen Regen. Er stand auf, ging langsam an den Rand des Lochs und leuchtete mit der Laterne hinein.

      Zuerst entdeckte er in der Tiefe etwas, das wie ein Haufen Stöcker aussah. Alles war schlammbedeckt und lag in einem wirren Durcheinander. Doch je länger er darauf starrte, desto klarer wurde das Bild.

      Furchtbar klar.

      Er konnte die Knochen eines Armes ausmachen, die auf etwas lagen, das ein halbverwester nackter Oberkörper sein mochte. Ein graues Kniegelenk stach aus dem Matsch hervor. Eine Hand, deren Finger zu dürren Knochen geschrumpft waren, griff nach oben, als flehte sie um Hilfe. Auch ein Kopf befand sich dabei; ein schlammiger Schädel, an dem nur noch wenig Fleisch hing. Matthew, dessen Mund knochentrocken geworden war und dessen Herz nur so hämmerte, konnte sehen, dass die Schädeldecke wie von einem grausamen Schlag nach innen eingedellt war.

      Ein Hammer konnte einen solchen Tod herbeiführen, erkannte er. Ein Hammer – oder ein Ratten tötender Holzschlegel.

      Anscheinend ruhte mehr als eine Leiche in dem Grab. Vielleicht vier oder fünf, die einfach hineingeworfen worden waren und nun durcheinander lagen. Es war unmöglich, das genau zu sagen; nur, dass es eine Vielzahl von Knochen war. Keine der Leichen schien angekleidet beerdigt worden zu sein.

      He, Herr Gerichtsdiener! Seid Ihr Euch sicher, dass er sich nicht von der Weste trennen will?

      Matthew spürte, wie der Boden unter seinen Füßen nachgab und zu rutschen anfing. Mit einem Geräusch wie dem Zischen von einem Dutzend Schlangen begann die Erde um ihn herum einzubrechen, und Matthew sah, dass noch mehr menschliche Gebeine wie die Schiffssparten eines Wracks an die Oberfläche gedrückt wurden. Wie in einem Albtraum gefangen stand Matthew benommen auf dem sinkenden Erdreich, während unter seinen Schuhen lauter Hinweise auf Mord hervorquollen. Erst als er Gefahr lief, in die Arme der Toten zu sinken, wandte er sich ab, zerrte seine Beine aus dem Schlamm und kämpfte sich zur Scheune vor.

      Durch den Regen mühte er sich in Richtung des Wirtshauses ab. Die Dringlichkeit seiner Mission verlieh ihm Flügel. Noch einmal rutschte er aus und fiel hin, bevor er die Tür erreichte – und dieses Mal krachte die Laterne in eine Pfütze. Die Kerze verlosch. Roter Matsch überzog ihn von Kopf bis Fuß. Als er in die Wirtsstube taumelte, sah er, dass Shawcombe nicht mehr am Tisch saß, obwohl der Bierkrug dort noch stand und der bitterriechende Pfeifenrauch in der Luft hing. Matthew unterdrückte den Drang, dem Richter eine Warnung zuzuschreien, betrat schnell die Kammer und verriegelte die Tür hinter sich. Woodward lag wie vorher lang ausgestreckt im Tiefschlaf da.

      Matthew schüttelte den Mann an den Schultern. »Wacht auf! Hört Ihr mich?« Obwohl seine Stimme hoch vor Angst war, tönte sie laut genug, um den Richter aus dem Schlaf zu reißen. Woodward begann zu erwachen. Seine Augenlider öffneten sich und seine trüben Augen bemühten sich, etwas zu sehen.

      »Wir müssen hier weg!«, drängte Matthew. »Sofort! Wir müssen …«

      »Heiliger Herrgott im Himmel!«, krächzte Woodward. Er richtete sich auf. »Was ist dir geschehen?«

      »Bitte hört zu«, sagte Matthew. »Ich habe da draußen Leichen gefunden! Skelette, die hinter der Scheune begraben sind! Ich glaube, Shawcombe ist ein Mörder!«

      »Was? Hast du den Verstand verloren?« Woodward schnüffelte den Atem des jungen Mannes. »Das kommt von dem verdammten Indianerbier, stimmt's?«

      »Nein, ich habe Tote in einer Grube gefunden! Vielleicht hat Shawcombe sogar Kingsbury ermordet und ihn dort reingeworfen!« Er merkte, wie verwirrt der Richter dreinschaute. »Hört mir zu! Wir müssen so schnell wie möglich von hier fort …«

      »Gentlemen?«

      Es war Shawcombes Stimme hinter der Tür, und Matthew gerann das Blut in den Adern. Knöchel pochten gegen das Holz. »Gentlemen, ist alles in Ordnung?«

      »Ich glaube, dass er uns heute Nacht umbringen will!«, flüsterte Matthew dem Richter zu. »Er will Eure Weste haben!«

      »Meine Weste«, wiederholte Woodward. Sein Mund war wie ausgetrocknet. Er warf einen Blick auf die Tür und dann auf Matthews schlammbespritztes Gesicht. Wenn es auf dieser verrückten Welt tatsächlich so etwas wie Wahrheit gab, dann war es die, dass Matthew nie log und auch keinerlei Neigung zu Hirngespinsten hatte. Die blanke Angst in den Augen des jungen Mannes war keine Einbildung. Woodwards Herz begann schneller zu schlagen.

      »Gents?« Shawcombes Mund presste sich jetzt gegen die Tür. »Ich hab Euch reden gehört. Gibt's Probleme?«

      »Nein, keinerlei Probleme!«, gab Woodward zurück. Er legte einen Finger auf die Lippen, um Matthew zu bedeuten, still zu sein. »Uns geht es gut, danke!«

      Ein paar Sekunden lang herrschte Stille. Dann: »Herr Gerichtsdiener, Ihr habt die Haustür offengelassen«, sagte Shawcombe. »Was soll das?«

      Isaac Woodward sah sich mit einer der schrecklichsten Entscheidungen seines Lebens konfrontiert. Sein Säbel, der zwar rostig und stumpf war, befand sich noch im Wagen. Er hatte weder einen Dolch noch ein Stoßgebet, mit dem er sie beschützen konnte. Falls Shawcombe tatsächlich ein Mörder war, so war nun anscheinend die Stunde gekommen, in der er zuschlagen würde. Woodward schaute auf das einzige Fenster im Zimmer, das mit einem Brett verrammelt war, und traf seine Entscheidung: Sie würden alles zurücklassen – die Koffer, Perücken, Kleidung, alles – um ihr Leben zu retten. Er winkte Matthew ans Fenster. Dann erhob er sich leise vom feuchten Stroh der Bettstatt.

      »Euch hat's wohl die Sprache verschlagen, junger Mann?«, wollte Shawcombe wissen. Seine Stimme klang unfreundlich. »Ich hab Euch was gefragt!«

      »Einen Moment!« Woodward öffnete einen der Koffer, nahm zwei Hemden heraus und legte seine Hände auf die golddurchwirkte Weste. Auch wenn der Tod ihm im Genick saß – er konnte sie nicht zurücklassen. Die Zeit reichte weder dafür, seine Füße in die Stiefel zu zwängen, noch seinen Dreispitz zu schnappen. Er nahm die Weste, richtete sich auf und bedeutete Matthew, den Fensterladen zu entriegeln.

      Matthew gehorchte. Laut sprang der Riegel frei. Matthew drückte den Fensterladen nach draußen in den Regen hin auf.

      »Die kommen aus'm Fenster raus!«, schrie Onkel Abner, der genau darunter stand. Matthew sah, dass er in einer Hand eine Laterne und in der andern eine Mistforke hielt.

      Hinter Woodward krachte es gewaltig: Die Tür brach nach innen auf. Kreidebleich wirbelte er in dem Moment herum, als Shawcombe mit einem Zahnstummel entblößenden Grinsen über die Türschwelle trat. Hinter ihm stand Maude mit einem Kerzenhalter, dessen zwei Wachsstücke flackerndes Licht auf ihre wilden weißen Haare und ihr dämonenhaft zerfurchtes Gesicht warfen.

      »Oho!«, sagte Shawcombe spöttisch. »Na, schau mal einer an, Maude! Die wollen sich aus dem Staub machen, ohne ihre Rechnung zu begleichen!«

      »Was soll diese Unverschämtheit?«, herrschte Woodward ihn an und versteckte seine wahren Gefühle – blanke, panische Angst – hinter

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