MATTHEW CORBETT und die Hexe von Fount Royal (Band 1). Robert Mccammon

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MATTHEW CORBETT und die Hexe von Fount Royal (Band 1) - Robert Mccammon Matthew Corbett

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begann, den Mund aufzumachen, besaß jedoch genügend Altersweisheit, kein Wort herauszulassen. Als Woodward wieder den Wirt ansah, grinste Shawcombe verlegen und die kurze Zurschaustellung von Wut war verschwunden. »Mein Onkel Abner«, erklärte er in verschwörerischem Flüsterton. »Der ist weich in der Birne geworden.«

      Eine weitere Gestalt schritt durch den Qualm an Woodward und Matthew vorbei in den Feuerschein am Rand des offenen Kamins, der mit verrußten Steinen eingefasst war. Diese dünne, kleine Gestalt, kaum mehr als einen Meter fünfzig groß, trug eine geflickte moosgrüne Wolltunika und hatte lange dunkelbraune Haare. Ein Kiefernscheit und eine Armladung Tannenzapfen und Nadeln wurden in die Flammen geworfen. Matthew ertappte sich dabei, das bleiche Profil eines jungen Mädchens mit einem langen Kinn zu betrachten. Ihre ungekämmten Haare hingen ihr ins Gesicht. Sie beachtete ihn nicht weiter und verschwand schnell wieder im Dunkel des Raumes.

      »Maude! Was hockst du da rum? Bring diesen Herren einen Rum!« Dieser Befehl wurde einer anderen Frau in der Hütte zugeworfen, die neben dem alten Mann saß. Ein Stuhl schabte über die ungehobelten Fußbodenbretter, ein Hustenanfall folgte dem nächsten, bis er in ein trockenes Keuchen überging, und dann schlurfte Maude – eine dürre weißhaarige Erscheinung in Kleidung, die aus zusammengenähten Futtersäcken zu bestehen schien – murrend und zungenschnalzend durch eine Tür hinter dem Kamin. »Möge der Herrgott Gnade mit unseren Ärschen haben!«, brüllte Shawcombe ihrer unglücklichen Gestalt hinterher. »Man kommt sich vor, als hätten wir noch nie 'nen atmenden Menschen gesehen, der was zu trinken und essen braucht! Das hier ist ein Wirtshaus, hast du das immer noch nicht begriffen?« Seine Laune schlug schnell wieder um, als er Woodward hoffnungsvoll ansah. »Ihr bleibt doch über Nacht hier, nicht wahr, Sir? Hinten hab ich ein sehr gemütliches Zimmer, das Euch nicht mehr als ein paar Pence kostet. Ein Bett mit einer guten, weichen Matratze steht drin. Da kann sich Euer Rücken von der langen Reise erholen.«

      »Darf ich etwas fragen?«, entschied Matthew sich zu äußern, bevor sein Begleiter dem Wirt antworten konnte. »Wie weit ist es bis Fount Royal?«

      »Fount Royal? Oh, junger Herr, das sind noch zwei, drei Stunden zu Pferde, wenn die Straße gut ist. So, wie's da draußen wettert, schätz ich mal, dass es wohl doppelt so lange braucht. Und gleich ist's dunkel. Da würde ich Jack One Eye oder einem roten Wilden nicht ohne Fackel und Muskete begegnen wollen.« Shawcombe sah wieder den älteren Reisenden an. »Also werdet Ihr wohl hier übernachten?«

      »Natürlich.« Woodward begann, seinen schweren Mantel aufzuknöpfen. »Wir wären dumm, in der Dunkelheit weiterzufahren.«

      »Ich schätze mal, Ihr habt Gepäck, das hereingebracht werden muss?« Shawcombes Lächeln verschwand, als er den Kopf drehte. »Abner! Beweg deinen Arsch und hol ihnen die Sachen! Mädel, du hilfst!«

      Das Mädchen hatte bewegungslos mit dem Rücken an die Wand gelehnt dagestanden, den Blick auf den Boden gerichtet und die bloßen Arme über der Brust gekreuzt. Sie gab keinen Ton von sich, ging aber auf Shawcombes Aufforderung hin zur Tür. Ihre Füße und Beine waren in kniehohe Hirschlederstiefel gekleidet. »Bei dem Wetter scheucht man nicht mal ein Schwein vor die Tür!«, beschwerte sich Abner und blieb sitzen.

      »Stimmt, aber für einen alten Eber wie dich ist es genau richtig!«, gab Shawcombe zurück. Sein Blick war wieder stechend wie ein Dolch. »Steh auf und hol die Sachen!« Abner brummelte etwas in seinen Bart, hievte sich auf die Füße und hinkte dem Mädchen hinterher, als litten seine Beine unter einer schweren Verkrüppelung.

      Matthew hatte Shawcombe fragen wollen, wer ›Jack One Eye‹ war, aber ihm war der Gedanke zuwider, dass sich das Mädchen und der alte Mann – vor allem das Mädchen – mit den schweren Koffern abschleppen mussten. »Ich sollte mit anfassen.« Er bewegte sich auf die Tür zu, doch Shawcombe packte ihn am Arm.

      »Das ist unnötig. Die beiden Weichlinge werden faul, wenn sie immer nur rumsitzen. Die sollen für ihr Essen was tun.«

      Matthew hielt inne und sah dem anderen in die Augen. Er entdeckte etwas darin – Dummheit, Engstirnigkeit, vielleicht reine Grausamkeit –, das ihn anwiderte. Er hatte Männer wie diesen schon oftmals gesehen, und er wusste, dass es sich um einen Tyrannen handelte, der seine Macht über Menschen genoss, die körperlich oder geistig unterlegen waren. Außerdem entdeckte er ein Funkeln von etwas, dass das Begreifen seiner Wahrnehmung sein mochte – was bedeutete, dass Shawcombe vielleicht intelligenter war, als Matthew angenommen hatte. Shawcombe grinste leicht mit verzogenem Mund. Langsam aber bestimmt begann Matthew, seinen Arm dem Griff des Wirts zu entziehen. Shawcombe grinste immer noch, wollte aber nicht loslassen. »Ich habe gesagt«, wiederholte Matthew, »dass ich mit anfassen sollte.«

      Shawcombe ließ nicht los. Immerhin bemerkte Woodward endlich, der sich den Mantel ausgezogen hatte, dass sich vor ihm ein kleines Drama abspielte. »Ja«, meinte er. »Ich glaube, dass sie Hilfe mit den Koffern benötigen werden.«

      »Wie Ihr meint, Sir.« Sofort ließ Shawcombes Hand den Arm des jungen Mannes los. »Ich würd' ja selber gehen, aber mein Rücken ist hin. Früher hab ich die schweren Strohballen im Hafen an der Thames geschleppt, aber das kann ich ni…«

      Matthew grummelte und wandte sich um. Er ging zur Tür hinaus in das letzte blaue Licht der Abenddämmerung und die gesegnete frische Luft. Der alte Mann hatte sich Woodwards Perückenschachtel gegriffen, während das Mädchen hinter dem Wagen versuchte, sich einen der Schrankkoffer auf den Rücken zu laden. »Warte«, rief Matthew und eilte durch den Matsch auf sie zu. »Lass mich helfen.« Er packte einen der Ledergriffe, und im gleichen Moment huschte das Mädchen von ihm weg, als habe er Lepra. Ihr Ende des Schrankkoffers krachte in den Matsch. Sie stand mit hochgezogenen Schultern im Regen, ihr strähniges Haar hing ihr ins Gesicht.

      »Ha!«, gluckste Abner. Im klaren Dämmerlicht sah seine Haut so stumpfgrau aus wie nasses Pergament. »Nutzlos ist das, mit der zu reden – sie sagt nichts. Zu niemand. Die ist reif fürs Tollhaus. Ist, was sie ist.«

      »Wie heißt sie?«

      Abners schorfige Stirn runzelte sich. »Mädel«, antwortete er. Er lachte, als sei die Frage die dümmste gewesen, die ein Mensch je gestellt hatte, und trug die Perückenschachtel ins Haus.

      Matthew betrachtete das Mädchen eine Weile. Sie fing an, in der Kälte zu zittern, gab jedoch keinen Ton von sich und hob auch nicht den Blick, der starr auf den Matsch zwischen ihnen gerichtet war. Wenn er Abner nicht zum Anpacken bewegen konnte, würde Matthew den Schrankkoffer – und auch den zweiten – allein tragen müssen. Er sah zu den Baumkronen empor. Der Regen, der nun stärker fiel, prasselte ihm ins Gesicht. Es war müßig, hier zu stehen, mit den Füßen im Schlamm, und sich über seine Stellung in der Welt zu beklagen; es war ihm bereits schlechter ergangen und konnte es auch eines Tages wieder. Und was das Mädchen anbelangte, wer kannte schon ihre Geschichte? Wen kümmerte es überhaupt? Niemanden. Warum also sollte er sich dann Gedanken machen? Er begann, den Schrankkoffer durch den Schlamm zu zerren, hielt jedoch inne, bevor er die Veranda erreichte.

      »Geh hinein«, sagte er zu dem Mädchen. »Ich bringe den Rest.«

      Sie bewegte sich nicht. Er vermutete, dass sie dort verharren würde, bis Shawcombes Stimme auf sie einpeitschte.

      Es ging ihn nichts an. Matthew hievte den Koffer auf die Veranda, doch bevor er ihn zur Türschwelle zerrte, warf er wieder einen Blick auf das Mädchen und sah, dass sie ihren Kopf in den Nacken gelegt, die Arme ausgestreckt, die Augen geschlossen und den Mund geöffnet hatte, um den Regen zu fangen. Ihm kam der Gedanke, dass sie sich vielleicht auf diese verrückte Art Shawcombes Geruch von der Haut wusch.

      Kapitel 2

      »Äußerst unangenehm«,

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