MATTHEW CORBETT und die Hexe von Fount Royal (Band 1). Robert Mccammon

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MATTHEW CORBETT und die Hexe von Fount Royal (Band 1) - Robert Mccammon Matthew Corbett

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      Bestürzt schüttelte Matthew den Kopf. »Ich dachte, wir würden ein anständiges Zimmer bekommen. Aber selbst die Scheune wäre besser gewesen.«

      »Von einer Nacht in dieser Unterkunft werden wir nicht sterben.« Woodward deutete mit dem Kinn auf das mit einem Brett verschlossene Fenster, gegen das der Platzregen prasselte. »Ich möchte behaupten, dass wir umkommen würden, wenn wir in diesem Wetter weiterfahren müssten. Sei also dankbar, Matthew.« Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Kleidung zu, die er zum Abendessen anlegen wollte. Er hatte seinen Koffer geöffnet und sorgfältig ein sauberes weißes Leinenhemd, frische Strümpfe und ein Paar graue Kniebundhosen auf das Bett gelegt. Auch Matthews Koffer stand offen und ein sauberer Satz Kleidung lag bereit. Woodward bestand darauf, dass sie sich zum Essen wie zivilisierte Menschen kleideten; egal, wo sie sich unter welchen Bedingungen befanden. Oft kam es Matthew sinnlos vor, sich wie ein Kardinal herauszuputzen, nur um dann eine Armenspeise zu vertilgen. Doch er begriff, dass es für Woodward von unverzichtbarer Wichtigkeit war, da er sich sonst nicht wohlfühlte.

      Woodward hatte den Perückenständer aus seinem Schrankkoffer geholt und ihn auf den kleinen Tisch gestellt, der mit dem Bett und einem Kieferholzstuhl die gesamte Einrichtung der Kammer darstellte. Woodward hatte eine seiner drei Perücken daraufgesetzt: Eine recht passabel braun gefärbte mit kleinen Löckchen, die bis in Schulterhöhe fielen. Im rauchigen Schummerlicht, das von der am Wandhaken über dem Tisch hängenden Laterne ausging, betrachtete Woodward sein kahles Haupt in einem mit Silber eingefassten Handspiegel, der mit ihm aus England gekommen war. Sein weißer Skalp war von einem Dutzend oder mehr rötlicher Altersflecken gesprenkelt – ein durch und durch widerwärtiger Anblick, wie er fand. Um die Ohren herum trug er einen dünnen grauen Haarkranz. In seiner weißen Unterwäsche dastehend musterte er die Flecke. Sein dicker Bauch hing über den stramm gezogenen Hosenbund und unten stachen seine Beine aus der Hose bleich und dünn wie die eines Reihers hervor. Er seufzte leise. »Die Zeit meint es alles andere als gut«, sagte er. »Jedes Mal, wenn ich in diesen Spiegel schaue, finde ich etwas Neues zu lamentieren. Behüte deine Jugend, Matthew. Sie ist ein kostbares Gut.«

      »Ja, Sir.« Die Worte klangen fast ausdruckslos. Da Woodward oft in poetischem Ton Reden über die Leiden des Alterns hielt, war es für den Jüngeren kein neues Gesprächsthema. Matthew zog sich ein frisches weißes Hemd an.

      »Einst war ich ein stattlicher Mann«, fuhr Woodward fort. »Wirklich.« Er hielt den Spiegel anders und betrachtete die Altersflecken. »Gutaussehend und eitel. Jetzt bin ich wohl nur noch eitel.« Er verengte die Augen. Es waren mehr Flecken, als er das letzte Mal gezählt hatte. Ja, er war ganz sicher. Noch mehr Mahnungen, dass er sterblich war, dass ihm seine Zeit auf dieser Erde davonrann wie Wasser aus einem löcherigen Eimer. Abrupt steckte er den Spiegel weg.

      »Ich rede zu viel, nicht wahr?«, fragte er und blickte mit dem Hauch eines Lächelns zu Matthew hinüber. »Nein, darauf brauche ich keine Antwort. Heute Abend soll es keine Selbstvorwürfe geben. Oh weh! Mein armer Stolz!« Er langte in seinen Koffer und holte langsam eine Weste heraus; eine, die alles andere als gewöhnlich war. Sie hatte die dunkelbraune Farbe guter französischer Schokolade und das feinste schwarze Seidenfutter. Dünne eingewobene Goldfäden dekorierten die Weste und glitzerten im Schummerlicht, als Woodward sie bewundernd in den Händen hielt. Die zwei kleinen, diskreten Taschen waren ebenfalls mit Goldfäden eingefasst, und die fünf Westenknöpfe bestanden aus reinem Elfenbein – nach all den Jahren des Tragens waren sie mittlerweile recht vergilbt, aber eben doch aus Elfenbein. Es war ein prächtiges Kleidungsstück, ein Relikt aus Woodwards Vergangenheit. Mehrmals war er in Armut geraten, sodass die Speisekammer kahl und seine Geldbörse noch leerer war, aber obwohl ihm die Weste auf dem Markt von Charles Town eine hübsche Summe einbringen würde, hatte er niemals in Betracht gezogen, sie zu verkaufen. Denn sie war ein Verbindungsstück zu seinem Leben als bemittelter Gentleman. Oft hatte er sie sich beim Einschlafen über die Brust gelegt, als könne sie ihm Träume von den glücklicheren Zeiten in London bescheren.

      Über ihnen krachte der Donner. Matthew sah, dass sich in der Ecke ein Loch gebildet hatte: Wasser rann die rohen Baumstämme hinunter und sammelte sich auf dem Boden zu einer Pfütze. Ihm war im Zimmer auch eine Menge Rattendreck aufgefallen. Er nahm an, dass die Nager hier vielleicht noch größer als ihre städtischen Verwandten sein mochten, und beschloss, Shawcombe um eine weitere Kerze zu bitten – wenn er überhaupt schlafen würde, dann nur im Sitzen neben der Laterne.

      Während Matthew sich ein Paar dunkelblaue Beinkleider und eine schwarze Jacke anzog, legte Woodward die Strümpfe, die am Bauch sehr eng sitzenden grauen Kniehosen und sein weißes Hemd an. Er stieg in seine Stiefel, von denen so viel Lehm wie möglich abgeschabt worden war, zog dann seine geschätzte Weste an und knöpfte sie zu. Als Nächstes kam die Perücke, die er mithilfe des Handspiegels geraderückte. Woodward kontrollierte, ob noch Barthaare zu sehen waren. Er hatte sich an einer Schüssel Regenwasser rasiert, die Shawcombe ihnen zum Waschen gebracht hatte. Zu guter Letzt zog er sich eine beigefarbene Jacke über, ein zwar recht zerknittertes, aber bewährtes Stück Reisekleidung. Matthew bürstete sich die wild abstehenden, kurz geschnittenen schwarzen Haare, und dann waren die beiden Männer bereit, sich von ihrem Gastgeber empfangen zu lassen.

      »Kommt und setzt Euch!«, rief Shawcombe, als Woodward und Matthew die Wirtsstube betraten. Der Qualm vom offenen Kamin schien jetzt noch stärker zu sein und roch säuerlich. Hier und da waren ein paar Kerzen aufgestellt, und Maude und das Mädchen machten sich an einem Topf zu schaffen, der an einem Haken über den roten Kohlen brodelte und dampfte. Shawcombe lief mit einem Krug Rum umher und winkte die Männer an einen Tisch. Seine Bewegungen ließen darauf schließen, dass der Rum seine Wirkung schon entfaltet hatte. Er blinzelte und pfiff zuerst leise, dann immer lauter. »Heiliger Herrgott im Königsarsch, ist das Gold, was Ihr da tragt?« Bevor Woodward einen Schritt zurücktreten konnte, war Shawcombes Hand schon hervorgeschossen und strich über die glitzernde Weste. »Oh, das ist ein schönes Stück Stoff! Maude, sieh dir das an! Der Herr trägt Gold, hast du so was schon mal gesehen?«

      Die alte Frau, deren Gesicht unter ihren weißen Haaren im Feuerschein wie eine rissige Maske aus Lehm wirkte, warf einen Blick über ihre Schulter und gab ein Geräusch von sich, das verstümmeltes Englisch oder auch ein Keuchen sein konnte. Dann wandte sie sich wieder dem Topf zu, rührte und bellte das Mädchen mit Befehlen oder Flüchen an.

      »Seht euch nur diese zwei Vögel an!«, sagte Shawcombe mit breitem Grinsen zu den Frauen. Für Matthew sah sein Mund wie eine klaffende Schnittwunde aus. »Ein Goldvogel und ein schwarzer Vogel! Na, Ihr seid ja ein Spektakel!« Er zerrte einen Stuhl vom nächstbesten Tisch. »Kommt, setzt Euch und ruht Eure Federn aus!«

      Woodward, der in seiner Würde beleidigt wurde, zog sich selbst einen Stuhl hervor und ließ sich darauf so elegant nieder, wie ihm unter den Umständen möglich war. Matthew blieb stehen, sah Shawcombe ins Gesicht und sagte: »Einen Nachttopf.«

      »Hä?« Das Grinsen hing noch immer schief in Shawcombes Gesicht.

      »Einen Nachttopf«, wiederholte der junge Mann mit fester Stimme. »Unsere Kammer hat keinen.«

      »Einen Nachttopf.« Shawcombe nahm einen Schluck aus dem Krug. Ein Rinnsal Rum tropfte von seinem Kinn. Das Grinsen war wie weggewischt und seine Pupillen zu schwarzen Nadelköpfen geschrumpft. »Einen gottverdammten Nachttopf, ja? Na, was glaubt Ihr wohl, wozu die Wälder da sind? Wenn Ihr pissen oder scheißen wollt, dann geht da raus. Wischt Euch die Ärsche mit Blättern ab. Und jetzt setzt Euch hin, Euer Essen ist gleich fertig.«

      Matthew blieb stehen. Sein Herz schlug immer schneller. Er konnte die blanke Spannung zwischen ihnen in der Luft spüren, und sie war genauso ekelhaft wie der Rauch des Feuers. Die Venen an Shawcombes speckigem Nacken quollen blutgefüllt hervor. Sein Gesicht hatte einen trotzigen, ungehobelten Ausdruck angenommen, der Matthew Lust einflößte, ihn zu schlagen – und wenn er zuschlug, würde er es mit dreifach stärkerer Gewalt heimgezahlt bekommen. Die Sekunden dehnten

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