Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzländer. Andree Richard
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König Salomo (abessinische Malerei). Nach Harris.
Dies ist in kurzen Umrissen die politische Geschichte Abessiniens, die zu derjenigen der europäischen Staaten nicht in der geringsten Beziehung stehen würde, wäre das Land nicht ein christliches Reich. Gerade aber dem Christenthum verdankt es das Interesse, welches für dasselbe stets im Abendlande wach war und welches eine Reihe ausgezeichneter Forscher und Missionäre nach jenem bergigen Lande in Nordostafrika wallfahrten ließ, um uns Kunde von seinen Wundern, seinen Naturschönheiten, seinen Bewohnern und deren Religion zu bringen.
Sehen wir ab von der schon erwähnten Fahrt des Kosmas Indikopleustes, eines christlichen Kaufherrn aus Alexandria, welcher im 6. Jahrhundert die Bai von Adulis besuchte und dort eine wichtige Inschrift kopirte, die er in seiner „Topographia christiana“ veröffentlichte, so treffen wir zunächst wieder im Dogenpalast zu Venedig in dem Weltbilde des Fra Mauro (15. Jahrhundert) auf ein Gemälde Abessiniens von wunderbarer Treue. Nicht blos kennt der Venetianer den rechten Nebenfluß des Nil, den Takazzié, unter seinem wahren Namen, sondern er zeigt uns auch den spiralförmig gekrümmten Lauf des Blauen Nil, den er mit seinem abessinischen Namen Abai bezeichnet. Mehrere [pg 20]abessinische Landschaften, wie Gozan, Bagamidre (Begemeder), Hamara (Amhara) und Saba (Schoa), kommen bereits bei ihm vor. Auch die Küstenstriche des Osthorns von Afrika waren ihm wohlbekannt. In die Nähe der Bab el Mandeb verlegt er die Sitze der Danakil, die Stadt Zeyla und den Landstrich Adal. Er zeichnet uns dann den Lauf des Awasi (Hawasch), in dessen Nähe er die Stadt Härrär setzt.
Im 13. Jahrhundert unterhielt man von Rom aus einen schriftlichen Verkehr mit dem christlichen Abessinien und seit 1243 hören wir auch von Missionen, die dorthin entsendet wurden. Marino Sanuto machte deshalb zu Beginn des 14. Jahrhunderts die Christen Europa’s aufmerksam, wie nützlich ein Bündniß mit den Glaubensgenossen in Nubien oder Habesch bei einem Kreuzzuge gegen Aegypten sein müßte. Seit der Mitte jenes Jahrhunderts wurde auch auf die abessinischen Könige der Titel des Erzpriesters Johannes übertragen und die Kunde von einem angeblich mächtigen Christenreich im Morgenlande vom chinesischen Himmelsgebirge plötzlich nach den Alpenländern am Blauen Nil verlegt. Botschafter dieser Erzpriester erreichten nicht blos die römische Kurie, sondern auch andere europäische Höfe, und die von ihnen eingezogene Kunde wurde getreulich auf den Karten niedergelegt. Als daher die Portugiesen unter Prinz Heinrich dem Seefahrer im 15. Jahrhundert ihre afrikanischen Entdeckungsreisen antraten, war das ferne christliche Reich, das die Geographen jener Zeit das „dritte Indien“ nannten, das äußerste Ziel, welches sie anfänglich ins Auge faßten und auf dem Wege des fabelhaften „Goldflusses“, der ganz Afrika der Quere nach durchströmen sollte, zu erreichen hofften.
Später, als der Seeweg nach Ostindien gefunden war und die Portugiesen sich dort festgesetzt hatten, beschifften sie auch das Rothe Meer und gelangten am 16. April 1520 nach Massaua, dem Ausfuhrhafen der Abessinier. Dort erreichten sie also das ursprüngliche Ziel des Infanten Heinrich, des Seefahrers, das Reich des afrikanischen Erzpriesters Johannes. Statt einer mächtigen Herrschaft, wie sie erwartet hatten, fanden sie aber nur ein beschränktes, in ihren Augen ärmliches Gebiet, rohe Bewohner und ein verwahrlostes Christenthum.
Die bald darauf folgende portugiesische Invasion und die Bemühungen der Jesuiten, die Abessinier zur katholischen Kirche zu bekehren, wurden bereits oben erwähnt. Durch die Berichte der Jesuiten-Missionäre erhielt man dann die erste ausführliche Kunde von den Glaubensbrüdern im Innern Afrika’s und ihrem Lande. Viele wichtige Nachrichten gelangten namentlich durch die Reise des Alvarez (1520–1526) zu uns, der ganz Aethiopien durchpilgerte und südwärts in ferne, noch jetzt beinahe unerforschte Gegenden vor mehr als 300 Jahren gedrungen ist. Bermudez hat uns einen kurzen Bericht über seine Gesandtschaftsreise (1555) hinterlassen; ausführlicher sind die fast gleichzeitigen Barreto und A. Orviedo, ferner Paez (1618), Ameida, Mendez (1625) und endlich P. Lobo, der 1640 nach Europa zurückkehrte.
Nun sollten auch die Deutschen ihren Theil an der Erforschung oder vielmehr Bekanntmachung Abessiniens haben. Im Jahre 1681 erschien zu Frankfurt am [pg 21]Main ein glänzendes literarisches Meisterstück deutscher Gelehrsamkeit, Hiob Leutholf’s (Ludolf’s) klassische „Historia aethiopica, sive brevis et succincta descriptio regni Habessinorum, quod vulgo male Presbyteri Joannis vocatur“, welcher noch mehrere Kommentare und Anhänge folgten. Die Natur des Landes und seine Einwohner, die Geschichte, die Religion und kirchlichen Verhältnisse, die Literatur Abessiniens werden darin ausführlich behandelt. Große Hülfe bei der Ausarbeitung seiner Werke erhielt Leutholf von dem amharischen Patriarchen Abba Gregorius, der kurze Zeit am Hofe des Herzogs Ernst von Sachsen-Gotha weilte und dessen Porträt in dem Kommentar mitgetheilt ist. Die Kleidung der Einwohner, Abbildungen der Pflanzen und Thiere, der Alterthümer des Landes sind in einer für die damalige Zeit sehr treuen Wiedergabe in den Werken Leutholf’s enthalten, der uns auch die Korrespondenz der abessinischen Könige mit den Königen Spaniens, ein Verzeichniß äthiopischer Manuskripte, Gebete und Liturgien, den abessinischen Kalender u. s. w. übermittelt hat und dessen Werk fast ein Jahrhundert lang die vorzüglichste Quelle über Abessinien blieb. Kurz darauf, nachdem Leutholf seine äthiopische Historie veröffentlicht hatte, durchzog 1698 der französische Arzt Poncet das ganze Land, indem er, von Sennar ausgehend, über Amhara und Tigrié bis Massaua gelangte. Gründlicher als alle seine Vorgänger förderte aber 70 Jahre später, durch Leutholf’s Geschichte angeregt, der Schotte James Bruce unsere Kenntniß des Landes durch Sammlung geschichtlicher Urkunden und Quellen, sowie durch genaue astronomische Ortsbestimmungen.
Hiob Ludolf. Nach dem Kupferstiche in dessen „Historia aethiopica“.
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James Bruce, geboren den 14. Dezember 1730 zu Kinnaird in Schottland, wird für alle Zeiten als einer der bedeutendsten unter den abessinischen Reisenden dastehen. In Algier, wo er 1763 als englischer Konsul angestellt worden war, beschäftigte er sich eifrig mit dem Studium der morgenländischen Sprachen und machte von dort aus Reisen längs der Küste des Mittelmeers, den Nil aufwärts bis Syene und nach Baalbek und Palmyra in Asien, wo er die berühmten Alterthümer zeichnete. So vorbereitet trat er im Jahre 1769 seine große Reise an, auf der er von Massaua unter großen Mühen und Gefahren bis Gondar gelangte, wo er sich bei der hier ausgebrochenen Blatternseuche durch Anwendung europäischer Heilmittel sowol bei Hofe als im Volke großes Ansehen erwarb und Gelegenheit fand, in alle Einzelheiten des Volkslebens einzudringen, sowie mit dem furchtbaren Ras Michael freundlich zu verkehren. Er blieb über drei Jahre in Abessinien, fand die Quelle des Abai oder Blauen Nil im Südwesten des Tanasees und brachte ein ganzes Jahr damit zu, seine Reise nördlich durch das Land der wilden Schankela oder Schangalla (Heiden) und Nubien nach Alexandria fortzusetzen, das er im Mai 1773 glücklich erreichte. Seine Reisebeschreibung (Travels into Abyssinia) gab er in fünf Bänden erst 1790 zu Edinburg heraus, worauf er bald (16. April 1794) durch einen Sturz von der Treppe sein Leben endete. Er, der so vielen Gefahren getrotzt, so große Mühen und Beschwerden muthig ertragen, endete auf diese Weise! Die letzten vier Jahre seines Lebens waren ihm noch außerordentlich verbittert worden. Als er sein umfangreiches Werk veröffentlichte, fand das Publikum darin eine solche Menge von ungewöhnlichen Nachrichten, Uebertreibungen und Ungeheuerlichkeiten, daß man den Reisenden kurzweg für einen Lügner erklärte. Er wurde mit Zuschriften bestürmt, die weisen Kritiker behandelten ihn unbarmherzig, und namentlich konnte man sich über die