Historische Romane von Henryk Sienkiewicz. Henryk Sienkiewicz
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Читать онлайн книгу Historische Romane von Henryk Sienkiewicz - Henryk Sienkiewicz страница 113
Lange Zeit herrschte tiefes Schweigen, denn sie wollten sich weiden an dem Anblick des Mannes, den sie früher geradezu gefürchtet hatten, und der jetzt tief gebeugt vor ihnen stand, der jetzt in einen härenen Sack gehüllt war und um den Hals einen Strick trug, an dem die Scheide eines Schwertes hing.
Offenbar wünschten sie auch, daß eine große Anzahl von Leuten seine Demütigung mitansehe, denn durch die in die andern Stuben führenden Seitenthüren konnte eintreten, wer Lust hatte, und bald war der Saal fast zur Hälfte mit Bewaffneten angefüllt. Alle schauten mit unendlicher Neugierde auf Jurand, sprachen laut und machten Bemerkungen über ihn. Er aber faßte wieder Mut bei ihrem Anblick, denn er sagte sich, wenn Danveld nicht halten wollte, was er versprach, so hätte er nicht so viele Zeugen geladen.
Da gebot Danveld durch eine Handbewegung Schweigen und gab einem der Knappen ein Zeichen, worauf dieser sich Jurand näherte und den Strick an dessen Hals erfassend, ihn um einige Schritte näher zu dem Tische heranzog.
Jetzt nahm Danveld das Wort und sagte zu dem Gefangenen: »Du hast Dich mit dem Orden herumgebissen wie ein wütender Hund, deshalb fügte es Gott, daß Du wie ein Hund mit einem Strick um den Hals vor uns stehst und unserer Gnade, unserem Erbarmen anheim gegeben bist.«
»Vergleiche mich nicht mit einem Hunde, Komtur,« entgegnete Jurand, »denn damit nimmst Du auch all denen die Ehre, welche mit mir kämpften und durch meine Hand fielen.«
Auf diese Worte hin erhob sich ein Gemurmel unter den bewaffneten Mannen, doch wäre es schwer zu sagen gewesen, ob sie über diese kühne Antwort erzürnt oder von ihrer Richtigkeit betroffen waren.
Aber eine derartige Wendung des Gespräches behagte dem Komtur nicht und er sagte: »Seht, sogar hier besudelt er uns voll Hochmut und voll Hoffart mit seinem Geifer.«
Und Jurand hob die Hände empor wie ein Mensch, welcher den Himmel zum Zeugen anruft, und entgegnete, das Haupt schüttelnd: »Gott weiß, daß meine Hoffart mich verließ, als ich den Fuß in diese Burg setzte. Gott weiß aber auch und wird darüber richten, ob Ihr Euch nicht selbst beschimpft und in mir den ganzen Ritterstand, indem Ihr mich beschimpft. Denn die Ritterehre ist das, was jeder Gegürtete hochhalten sollte.«
Danveld runzelte die Stirne, aber in diesem Augenblick bewegte der Narr die Kette, woran er den Bären festhielt, so daß sie laut klirrte, und rief aus: »Eine Strafpredigt! Eine Strafpredigt! Ein Prediger aus Masovien ist zu uns hierher gekommen! Hört! Eine Strafpredigt! …«
Dann wendete er sich zu Danveld:
»Herr,« sagte er, »als Graf Rosenheim durch den Glöckner wegen der Predigt allzu früh erweckt ward, befahl er ihm, die Schnur des Glockenturmes von einem Knoten zum andern aufzuessen. Dieser Prediger hat ein Seil um den Hals, befiehl ihm, es aufzuessen, bevor die Predigt zu Ende ist.«
Während er so sprach, blickte er indessen mit einer gewissen Unruhe auf den Komtur, weil er nicht sicher war, ob jener lachen oder ihn wegen der unzeitigen Bemerkung auspeitschen lassen werde.
Als er jedoch sah, daß Danveld über seine Scherze durchaus nicht ungehalten war, wurde er kühn und schrie: »Hole den Striegel und kämme den Bären, dann mag er Dir als Gegendienst die Haarzotteln kämmen!«
Daraufhin ließ sich da und dort Gelächter vernehmen, und aus den Umherstehenden rief jemand: »Im Sommer wirst Du das Rohr am See schneiden!«
»Und mit Aas Krebse fangen,« rief ein anderer.
Ein dritter aber fügte hinzu: »Und jetzt fange an, die Krähen von dem Galgen zu verscheuchen. An Arbeit soll es Dir hier nicht mangeln.«
So verhöhnten sie Jurand, der ihnen einst so furchtbar erschienen war. Allmählich überkam eine gewisse Fröhlichkeit die ganze Versammlung. Manche traten hinter dem Tisch hervor, näherten sich dem Gefangenen, um ihn genau zu betrachten, und sagten: »Dies ist also der wilde Eber, dem unser Komtur die Hauzähne ausschlug. Er hat gewiß Schaum vor dem Maule, gar gerne würde er beißen, aber er kann nicht!« Danveld und die andern Ritter, welche anfangs dieser Vernehmung des Gefangenen den Anschein einer feierlichen Gerichtssitzung hatten geben wollen und nun sahen, daß die Sache eine andere Wendung nahm, erhoben sich alle von den Bänken und gesellten sich zu denen, welche bei Jurand standen.
Der alte Zygfryd aus Insburk sah dies ungern, doch der Komtur sprach zu ihm: »Runzelt die Stirne nicht, es wird noch größere Lustbarkeit geben!« Und auch sie begannen Jurand zu betrachten, da sich eine solche Gelegenheit selten bot, denn war einer der Ritter oder Knechte ihm zuvor so nahe gekommen, so schlossen sich meist dann seine Augen für immer.
Manche sagten: »Breitschultrig ist er, wenn schon er ein dickes Fell unter dem Sacke hat, man könnte ihn mit Erbsenstroh umwinden und auf den Jahrmarkt führen.« Wieder andere riefen nach Bier, damit der Tag sich noch fröhlicher für sie gestalte.
In der That vernahm man nach wenig Augenblicken das Klappern der gefüllten Krüge, und der düstere Saal erfüllte sich mit dem Geruch des unter den Deckeln hervorquellenden Schaumes. Der aufgeheiterte Komtur erklärte laut: »So ist es gerade recht, er soll nicht denken, daß sein Verhör eine wichtige Sache für uns ist.« Deshalb näherten sie sich ihm wieder und ihn mit ihren Krügen unter das Kinn stoßend, sagten sie: »Du würdest wohl gerne trinken, Du massurischer Rüssel?« Manche gossen sich Bier in die Hand und spritzten es ihm in die Augen, er aber stand da wie vernichtet, zuletzt aber stürzte er auf den alten Zygfryd zu, und offenbar fühlend, daß er sich nicht länger beherrschen könne, schrie er laut genug, um den im Saal herrschenden Lärm zu übertäuben: »Bei dem Leiden Christi und Euerm ewigen Seelenheil, gebt mir mein Kind zurück, wie Ihr versprochen habt!«
Und er wollte die Hand des alten Komturs ergreifen, allein dieser wich rasch zurück und rief: »Fort von mir, Sklave, was begehrst Du?«
»Ich entließ Bergow aus der Gefangenschaft und bin selbst hierhergekommen, weil Ihr verspracht, daß Ihr mir dafür meine Tochter wiedergebt, die sich hier befindet.«
»Wer versprach Dir dies?« fragte Danveld.
»Auf Glauben und Gewissen, Du, Komtur!«
»Zeugen hast Du jedoch nicht und in diesem Falle könnte von einer Berufung auf Zeugen auch nicht die Rede sein, da es sich um mein Versprechen und um meine Ehre handelt!«
»Ich beschwöre Dich bei Deiner Ehre! Bei der Ehre des Ordens!« rief Jurand.
»Die Tochter soll Dir wiedergegeben werden,« antwortete Danveld. Dann wendete er sich zu der Versammlung und sprach: »Alles, was ihm hier widerfuhr, ist unschuldiger Zeitvertreib und steht nicht in richtigem Verhältnis zu seinen Verbrechen. Dieweil wir aber versprachen, ihm die Tochter wiederzugeben, sobald er sich stelle und sich vor uns demütige, soll es sich auch zeigen, daß wir unser Wort halten, indem wir jenes Mädchen, das wir den Händen der Ränder entrissen, frei lassen und nach des Gefangenen strenger Buße wegen seiner Sünden gegen uns, auch ihm gestatten, sich in seine Burg zu begeben.«
Diese Rede setzte viele in Erstaunen, da sie Danveld und seinen langjährigen Haß auf Jurand kannten