MATTHEW CORBETT und die Jagd nach Mister Slaughter. Robert Mccammon

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MATTHEW CORBETT und die Jagd nach Mister Slaughter - Robert Mccammon Matthew Corbett

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festgehalten. Die Zeichnung schien wie ein Albtraum, in dem alles schwarz und weiß war, ohne jegliche Gradierung.

      Auf dem zweiten Blatt war etwas zu sehen, das wie der Friedhof der Trinity Church aussah. Die Grabsteine sahen so ähnlich wie die Gebäude der ersten Zeichnung aus, und die Bäume waren dürre, blattlose Skelette. Stand die Figur eines Mannes neben einem der Gräber oder war der Stift an der Stelle zu einem stumpfen Stummel zerdrückt worden?

      Die dritte Zeichnung allerdings war anders. Sie stellte nur einen einfach gemalten Fisch dar, der anscheinend voller Stacheln und von Wasser in der Form von Wellenlinien umgeben war. Auch auf dem vierten Blatt war ein Fisch zu sehen, jedoch mit einem Segel auf dem Rücken und so etwas wie einem langen Schnabel, während die fünfte und letzte Zeichnung aus Kreisen und Vierecken bestand, die so angeordnet waren, dass sie einen nach Luft schnappenden Fisch mit einem einzigen glotzenden Auge ergaben. In der Mitte des Auges hatte der Stift das Papier durchstoßen.

      »Fische zeichnet er oft«, sagte McCaggers. »Warum, weiß ich nicht.«

      »Er ist offensichtlich ein Fischer gewesen.« Greathouse lehnte sich über Berrys Schulter, um das Bild zu betrachten. »Ich habe Matthew schon erklärt, dass der Stamm der Ga …«

      Er beendete den Satz nicht, da plötzlich eine große schwarze Hand hervorschoss und die sich um die Zeichnungen in Berrys Fingern schloss. Sie gab einen Schreckenslaut von sich und wurde blass – und auch Matthew erzitterte bis in die Knie und musste sich einen Aufschrei verbeißen. Denn Zed hatte sich auf einmal direkt vor ihnen materialisiert, wo einen Sekundenbruchteil vorher nichts als Luft gewesen war. Greathouse bewegte sich nicht, aber Matthew spürte, wie angespannt er war – und bereit, einzugreifen, falls es nötig sein sollte.

      Auf Zeds vernarbtem Gesicht regten sich keine Gefühle. Seine schwarzen Augen waren nicht auf Berry, sondern auf das Papier gerichtet. Er zog leicht daran und Berry ließ die Blätter sofort los. Dann drehte er sich um und ging mit den Zeichnungen in der Hand an seinen Arbeitsplatz zurück. Erstaunt nahm Matthew wahr, dass seine Schritte auf den Fußbodenbrettern kaum zu hören waren.

      »Das ist ein weiteres seiner Talente«, meinte McCaggers. »Wenn er will, kann er sich wie ein Schatten bewegen.« Er räusperte sich. »Anscheinend habe ich sein Vertrauen gebrochen. Entschuldigt, wenn das zu Unwohlsein geführt hat.«

      Matthew machte sich um sein eigenes Unwohlsein keine Gedanken, sondern um das von Zed und zu welchen Konsequenzen es führen könnte. Der Sklave hatte McCaggers‘ Instrumente in den Werkzeugkasten zurückgelegt. Die eine Hand schützend um seine Zeichnungen geklammert klappte er den Deckel zu und schnappte den Verschluss zu.

      »Hat er viele Bilder gemalt?«, fragte Berry, deren Wangen langsam wieder Farbe bekamen.

      »Er malt jede Woche eins oder zwei. Unter seiner Pritsche hat er eine ganze Kiste davon.«

      »Ich zeichne auch. Ich frage mich … ob er sich für meine Bilder interessieren würde?«

      »Wenn nicht er«, meinte McCaggers, »dann ich. Auf jeden Fall.«

      »Was ich damit meine … vielleicht könnte man auf die Art mit ihm reden. Hören, was er zu sagen hat.« Sie sah Greathouse an. »Durch die Sprache der Kunst.«

      »Das wäre sicherlich der Mühe wert.« Seit das Gespräch auf die zweiunddreißig Pfund gekommen war, schienen ihn ein Teil seiner Begeisterung und auch das Funkeln in seinen Augen verlassen zu haben. »Also dann. Danke, dass Ihr Euch Zeit für uns genommen habt, McCaggers.« Er warf noch einen Blick auf Zed, dessen ihnen zugedrehter Rücken verkündete, dass er von Besuchern genug hatte. Dann ging Greathouse unter den Skeletten hindurch zur Tür hinaus.

      »Ich freue mich auf Euren nächsten Besuch«, sagte McCaggers zu Berry. Matthew kam sich wie ein drittes Rad an einer Händlerschubkarre vor. »Hoffentlich kann ich Euch dann einen Tee servieren.«

      »Danke vielmals«, erwiderte sie. Erleichtert folgte Matthew ihr aus dem Reich des Leichenbeschauers hinaus auf die Treppe.

      Als sie die Wall Street zum East River hinuntergingen, fing Berry an, über Zeds Zeichnungen zu reden. Von einer natürlichen Qualität, fand sie. Von elementarer Kraft. Meinst du nicht?

      Matthew zuckte die Schultern. Ihm waren die Bilder nicht viel anders vorgekommen als das, was ein Insasse des Hospitals für geistig Unzulängliche bei Westerwicke in der New-Jersey-Kolonie krakeln würde. Er überlegte noch, ob er das sagen sollte, als eine schwarze Katze zwischen zwei Gebäuden hervorschoss und ihm vor die Füße lief. Da hielt er den Mund lieber geschlossen und die Augen offen, um tobende Stiere, Bisamrattenlöcher, Pferdeäpfel und was der Teufel ihm sonst noch zu bieten hatte, rechtzeitig zu erspähen.

      Kapitel 5

      Früh am Samstagmorgen, als die Sonne hinter dem Wald aufging und die Welt in feurige Farben tauchte, ertappte Matthew seine Gedanken dabei, auf dem Zahn des Monsters zu verweilen und zum Stillstand zu kommen.

      Er saß auf dem muskulösen Rappen Dante, seinem Lieblingspferd aus Tobias Winekoops Stall. Seit sieben Uhr war er in Richtung Norden auf der Poststraße unterwegs und gut vorangekommen. Die vertrauten Straßen und Gebäude der Stadt lagen längst hinter ihm; hier, auf der über Hügel führenden und in Täler tauchenden Straße, die sich zwischen riesigen Eichen und Gebüsch dahinwand, das drohte, den Weg zu erdrosseln, befand er sich in einem gefährlichen Landstrich.

      Im Sommer war er ganz in der Nähe von einem hünenhaften, verschlagenen Straßenräuber angehalten worden. Man musste auf wilde Tiere achten und sich vor Indianern hüten, die abgesehen von dem Pfeil, der sich einem durch die Kehle bohrte, wie unsichtbar waren. Natürlich gab es hinten bei den Felsen am Fluss den einen oder anderen Bauernhof und ein paar Landsitze, die von Steinmauern und den Musketen der Siedler beschützt wurden, so gut es ging. Niemand konnte den New Yorkern nachsagen, keinen Mut zu haben – entweder Mut oder eine Passion dafür, permanent am Rande des Untergangs zu leben.

      Matthew wollte sich an diesem Tag so fern wie möglich vom Untergang halten, war aber auf alles vorbereitet. Unter seinem grauen Umhang trug er eine schwarze, um die Taille gebundene Schärpe, in der eine geladene Steinschlosspistole steckte. Dank Greathouses anspruchsvollem Unterricht wusste er davon inzwischen gut Gebrauch zu machen. Matthew wusste, dass er nie ein guter Fechter werden würde und auch mit den Fäusten zu langsam war. Aber eine Pistole konnte er schnell genug spannen und schießen, um einem Straßenräuber den Scheitel zu ziehen, wenn es sein musste.

      Den Ritt hatte er schon seit Wochen geplant, war bereits mehrmals zu Bett gegangen, um am nächsten Morgen loszureiten – und dann zu merken, dass er doch nicht so viel Willenskraft hatte, wie er dachte. Aber an diesem Morgen war er bereit aufgewacht. Vielleicht war es der Blick auf den Zahn des Monsters – McCaggers Rätsel ohne Lösung – gewesen, der ihn erkennen ließ, dass er selbst ein unlösbares Rätsel mit sich herumtrug: Etwas, das aufgedeckt werden musste, das sich dem Licht entzog wie ein Riesenzahn zwanzig Schritt unter Grund in einem Minenschacht. Wie konnte er sich Ermittler nennen, wenn er die Lösung seines eigenen Problems nicht ermitteln konnte?

      Oder, um ganz ehrlich zu sein, das Problem nicht angehen wollte. Das war der wahre Grund für die Pistole in seiner Schärpe – und kein potenzieller Straßenräuber oder der höchst unwahrscheinliche Angriff eines wilden Tieres oder eines Indianers. Ein Indianer würde eher neugierig denn blutdürstig sein. In letzter Zeit hatte es keine Auseinandersetzungen zwischen den Irokesen und den Siedlern gegeben.

      Fünfzehn Meilen von New York entfernt ritt er an diesem strahlenden Samstagmorgen auf Chapels Landsitz zu, auf dem er und Berry fast

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