MATTHEW CORBETT und die Jagd nach Mister Slaughter. Robert Mccammon

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MATTHEW CORBETT und die Jagd nach Mister Slaughter - Robert Mccammon Matthew Corbett

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      Der Zahn ließ ihm keine Ruhe; ein so ganz und gar unglaubliches Ding. Hätte er ihn nicht mit eigenen Augen gesehen, hätte er McCaggers für einen beschwipsten Lügner gehalten. Es stimmte wohl, dass der Zahn ein Beweis für die Existenz eines Behemoth oder Leviathan war – aber zu welchem Zweck hatte solch ein Monster existiert? Warum sollte Gott, in all seiner Weisheit, eine derartige Kreatur erschaffen? Nur zum Töten? Er konnte sich ein uraltes Feld unter grauem Himmel vorstellen, über dem die Blitze zuckten, und eine gigantische dunkle Gestalt, die sich mit dem Maul voller klingenartiger Zähne, blau und nass im Sturm, über die Erde bewegte. Einen massiven Kopf, der sich nach beiden Seiten drehte und nach etwas suchte, das er in Stücke reißen konnte.

      Eine Vorstellung, die einem mitten am Tage einen Albtraum bescheren konnte, dachte Matthew. Besonders, als plötzlich etwas vor ihm im Gebüsch raschelte. Er sprang fast aus dem Sattel – und zwei kleine braune Hasen hoppelten fröhlich davon.

      Als die Straße sich vor einem finsteren kleinen Sumpf gabelte, nahm er die linke Abzweigung zum Fluss hin. Zu Chapels Landsitz war es nicht mehr weit; in einer Stunde würde er ihn erreicht haben. Er hatte ein ungutes Gefühl im Magen, das nicht von dem getrockneten Rindfleisch herrührte, das er als Frühstück gekaut hatte. Es war aufreibend, an einen Ort zurückzukehren, an dem er zu sterben geglaubt hatte. Und tatsächlich merkte er, dass er den Himmel über den Bäumen nach kreisenden Falken absuchte.

      Dante trabte weiter dahin, ohne sich um die Erinnerungen seines Reiters zu scheren. Und dann, noch bevor Matthew sich geistig darauf vorbereitet hatte, kamen sie an eine gut zweieinhalb Meter hohe Mauer aus rauen Steinen, die von Schlingpflanzen überwachsen war. Matthew musste plötzlich wie ein unerfahrener Reiter mit den Knien gedrückt oder an den Zügeln gezerrt haben, denn Dantes Kopf schoss mit empörtem Schnauben in die Höhe und gab ihm zu verstehen, dass er nicht darüber erhaben war, abgeworfen zu werden.

      Die Straße führte nahe an der hässlichen Mauer entlang. Wie schon bei seinem ersten Besuch beschlich Matthew das Gefühl, sich nicht einem Landsitz, sondern einer Festung zu nähern. Schon bald sah er die breiten Planken des Holztors, das so weit offenstand, wie Hauptwachtmeister Lillehorne und die anderen Männer, die zu seiner Rettung gekommen waren, es stehengelassen hatten. Plötzlich wirkte die Sonne auf Matthew nicht mehr hell genug. Die kühle Brise fühlte sich brutal und schneidend an. Er musste durchs Tor auf das Grundstück reiten. Denn er musste herausfinden, wie vier Menschen an jenem furchtbaren Sommertag Lillehornes Männern entkommen und unauffindbar verschwunden bleiben konnten.

      Er lenkte Dante durch das Tor, ritt an dem weiß verputzten Wachhaus mit den zerbrochenen Fenstern vorbei und folgte der Zufahrt, die sich nach rechts in den dichten Wald schlängelte.

      Vier Menschen. Ein gut gekleideter Mann und eine elegante Frau, die Matthew an jenem Tag aus der Entfernung gesehen hatte, hinten bei den Gebäuden am verfallenen Weinberg. Die Frau hatte unter einem blauen Sonnenschirmchen zu ihnen hinübergesehen. Beide konnten nicht gefunden werden, obwohl Lillehorne und seine Männer das Grundstück und den Wald nicht nur an jenem Tag abgesucht hatten, sondern zu neuerlicher Suche zurückgekehrt waren, nachdem sie am Tor Wachposten abgestellt hatten. Spurlos verschwunden.

      Dann der noch in Ausbildung befindliche Auftragsmörder Ripley unbestimmbaren Alters. Zierlich, bleich und seltsam zerbrechlich wirkend. Seidige Haare in der Farbe von Staub, eine lange schmale Narbe, die seine rechte Augenbraue bis zum Haaransatz durchschnitt; das Auge darunter eine kalte, milchig-weiße Kugel. Mit gezückter Stricknadel in der Hand hatte er sich über Berry gebeugt, um ihr damit das Auge zum Gehirn hoch zu durchstoßen.

      Einfach weg.

      Und der rätselhafte Fechter, Graf Anton Mannerheim Dahlgren, der Matthew mit einer Dolchspitze fast den Bauch aufgeschlitzt hatte. Dahlgren hatte Chapels Haus mit einem gebrochenen Handgelenk und in Vorhänge gewickelt auf recht unsanfte Art in Richtung Fischteich verlassen.

      Unauffindbar, jeder letzte miese preußische Inch von ihm.

      Wie hatten diese vier flüchten können? Sämtliche Gebäude des Landsitzes waren vom Keller bis zur Dachkammer durchsucht worden. Der Wald war wie ein Teppich durchkämmt worden, und einige der Sucher waren sogar auf Bäume geklettert, um weiter in die Ferne sehen zu können.

      Waren sie wie Dämonen davongeflogen? Matthew hielt das für unwahrscheinlich, besonders, da Dahlgren einen gebrochenen Flügel hatte. Doch selbst damit war Dahlgren ein gefährlicher Widersacher, und Matthew gefiel die Vorstellung ebenso wenig, dass Ripley irgendwo da draußen seine Nadeln anspitzte.

      Ein großes zweistöckiges Haus aus roten und grauen Ziegeln schob sich in sein Sichtfeld. Viele Fenster schmückten die schöne Hausfront und ein graugestrichenes Glockentürmchen zierte das Dach. Schornsteine reckten sich dem Himmel entgegen. Die Zufahrt beschrieb unweit der Eingangstreppe einen Kreis um einen Seerosenteich, und an der Treppe angekommen ließ Matthew Dante halten.

      Die Haustür stand offen – oder besser gesagt, die Haustür existierte nicht mehr. Sie war aus den Angeln gerissen. Auf der Treppe lag ein vom Regen ruinierter Stuhl mit gelbem Sitzpolster, der vermutlich von dem überladenen Wagen gefallen war, mit dem andere wertvolle Stücke davongeschafft worden waren. Einige der Fensterscheiben waren eingeschlagen und auf der Türschwelle lagen Keramikscherben – die Überreste eines großen weißen Topfes, der aus gierigen Fingern gerutscht war. Auf dem mit Unkraut bewachsenen Rasen vor dem Haus stand ein Schreibtisch aus dunklem Eichenholz auf zwei gebrochenen Beinen wie ein Pferd, das nur noch erschossen werden wollte. Die Schubladen fehlten. Matthew dachte, dass es vielleicht der Sekretär aus Chapels Arbeitszimmer war, das Lillehorne auf der Suche nach Beweisen auf den Kopf gestellt hatte.

      Also dann. Wie Matthew angenommen hatte, waren viele New Yorker aus Neugier – und dank der finsteren Geschichten im Ohrenkneifer – hergekommen und die Satteltaschen und Wagen mit Beutestücken aus Chapels Haus beladen als Diebe wieder gegangen. Er konnte ihnen daraus keinen Vorwurf machen. Nur zu gut erinnerte er sich an das fürstliche Mobiliar des Herrenhauses, die Wandteppiche, die Gemälde, die Lüster und Kerzenständer, die verschnörkelten Tische und Stühle und … Oh.

       Ja.

       Die Bücher.

      Matthew war nie dazu gekommen, sich in der Bibliothek umzusehen. Vielleicht waren noch ein paar Bücher da. Denn wer würde seinen Karren mit Büchern vollladen, wenn er sich mit persischen Teppichen und Himmelbetten davonstehlen konnte?

      Er stieg ab und führte Dante an den Seerosenteich, damit das Pferd trinken konnte. Am Ufer des Teichs scheute Dante plötzlich, und Matthew stieg im selben Moment ein fauliger Geruch in die Nase. Eine große tote Schlange, an der sich surrend die grünlichen Schmeißfliegen labten, trieb im Wasser. Matthew wich zurück, band Dante ein Stück weiter die Zufahrt hinunter an einem niedrigen Ast an und öffnete eine der Satteltaschen. Er gab dem Pferd einen Apfel zu fressen. Matthew trank einen Schluck Wasser aus seinem Lederschlauch und goss sich dann etwas davon in die hohle Hand, um Dante trinken zu lassen. Hier im Schatten des Hauses konnte er den Verwesungsgeruch der Schlange wie die unsichtbare Gegenwart von Professor Fell riechen.

      Der Landsitz gehörte Chapel, aber das Unternehmen gehörte Professor Fell. Wie Greathouse Matthew gesagt hatte: Wer Professor Fell verärgert, bleibt nicht lange am Leben.

      Matthew hatte das Unternehmen zu Fall gebracht, den Spieltisch umgeworfen. Aber hatte er das Spiel gewonnen? Nein. Die Blutkarte, die mit dem roten Fingerabdruck an seiner Tür abgegeben worden war, bedeutete, dass das Spiel gerade erst begonnen hatte. Matthew würde dafür zahlen müssen, den Unmut des Professors erregt zu haben.

      Er merkte, dass seine Hand auf der in seiner Schärpe steckenden Pistole lag. Im Haus regte sich

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