MATTHEW CORBETT und die Jagd nach Mister Slaughter. Robert Mccammon

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MATTHEW CORBETT und die Jagd nach Mister Slaughter - Robert Mccammon Matthew Corbett

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holte sich die Trittleiter und stieg darauf, um das Schachspieler-Buch aus dem Regal zu nehmen. Er blätterte es durch, traf eine schnelle Entscheidung und legte es für die Endauswahl beiseite. Eine Abhandlung über Mondstrahlen zog ihn als Nächstes an, doch er entschied sich dagegen. Dann streckte er die Finger nach der Geschichte des Schlosses aus und musste beide Hände nehmen, da der Wälzer ein Gewicht wie eine gusseiserne Bratpfanne hatte. Nein, das würde Dante sich niemals auf den Rücken laden lassen. Er wollte das Buch gerade wieder zurückstellen, als sich etwas darin bewegte.

      Matthew erschrak so sehr, dass er fast von der Leiter fiel. Er hielt das Buch waagerecht vor sich und wollte es aufklappen, nur um zu erkennen, dass es gar kein Buch war.

      Es handelte sich um eine als Buch getarnte Kassette. Die Geschichte des Schlosses war selbst verschlossen, und zwar genau an der Stelle, wo sich eigentlich die Seiten befinden sollten. Der Deckel gab nicht nach. Was auch immer sich darin befand, war keine leichte Lektüre. Aber wo war der Schlüssel?

      Das wusste wohl nur Gott. In diesen Trümmern würde man nichts finden.

      Matthews Blick richtete sich auf den goldenen Titel eines anderen Buchs: Die erhabene Kunst der Logik.

      Denk nach, mahnte er sich.

      Wenn es meins wäre, wo hätte ich dann den Schlüssel versteckt? Nicht weit weg. Wohl irgendwo in diesem Zimmer. Dort, wo ich ihn schnell holen könnte. Er grübelte. Wenn eine abgeschlossene Kassette als Buch über Schlösser getarnt war, könnte es doch anderswo in der Bibliothek ein Buch über Schlüssel geben, in dem der Schlüssel versteckt war? Aber so einen Titel hatte er nicht gesehen, und er hatte sich jedes einzelne Buch auf dem Fußboden angesehen. Die Geschichte des Schlüssels war nicht darunter gewesen. Natürlich hätte das Buch auch im Kamin gelandet sein können.

      Oder … nicht.

      Matthew ging die Titel der in der Nähe stehenden Bücher durch. Nichts mit Schlüsseln war darunter. Er nahm Die Geschichte des Schlosses, stieg von der Leiter und legte das Buch auf den zertrümmerten Schreibtisch. Die einzige Schublade des Pults stand offen. Jemand hatte ein Tintenfass darin ausgegossen und die Papiere und Schreibfedern zu Brei verkleben lassen. Matthew ging zum Ende des Regals, wo die restlichen Bücher standen. Er spähte zum obersten Brett hoch – dem am weitesten rechts und somit genau an der entgegengesetzten Stelle der Geschichte des Schlosses stehenden Buch. Es war ein durchschnittlich dicker Band, der uralt aussah. Den kleingedruckten verblassten Titel auf dem Buchrücken konnte er nicht entziffern.

      Nichtsdestotrotz war es sein Hauptverdächtiger. Im Nu hatte er die Trittleiter hinübergetragen, war hochgestiegen und hielt das Buch in der Hand. Es fühlte sich erstaunlich leicht an.

      Auf dem abgeschabten braunen Ledereinband stand Solomons kleiner Schlüssel.

      Als Matthew es aufschlug, entdeckte er, dass es tatsächlich einmal ein Buch gewesen war, die Seiten aber mit einer rasiermesserscharfen Klinge ausgehöhlt worden waren. Im Hohlraum lag vermutlich nicht Solomons kleiner Schlüssel, sondern Chapels großer. Matthew verspürte plötzlich eine aufgeregte Freude, die sich vielleicht als Siegesgefühl bezeichnen ließ. Er nahm den Schlüssel heraus, klappte das Buch zu und stellte es wieder an seinen Platz. Dann stieg er von der Leiter.

      Als er den Schlüssel ins Schloss steckte, merkte er, dass sein Herz so wild wie eine Irokesentrommel hämmerte. Was mochte nur in der Kassette sein? Ein Dokument, das Professor Fell gehörte? Etwas, das auf seinen Aufenthaltsort schließen ließ? Wenn ja, dann musste es wohl in Stein gemeißelt sein.

      Er drehte den Schlüssel um. Das leise Klick hörte sich so höflich an, wie es sich für das Schloss eines Gentleman geziemte. Matthew öffnete den Deckel.

      Es kann sein, dass Fell mittlerweile kurz vor dem Erreichen seines Ziels steht, hatte Greathouse ihm erzählt. Ein Verbrecherreich aufzubauen, das die Kontinente überspannt. Die vielen kleinen Haie, die in ihren eigenen Meeren tödlich genug sind, haben sich um diesen einen großen Hai geschart und sind nun hierhergeschwommen …

      Matthew sah einen schwarzledernen Beutel, der mit einer Schnur zugebunden war. Etwas anderes befand sich nicht in der Kassette. Der Knoten der Schnur war mit einem Stück Papier versiegelt, auf dem ein roter Stempel prangte.

      Der große Haifisch, dachte Matthew. Greathouses Fischmetapher war der Wahrheit nahe gekommen, stimmte aber nicht: Der Siegelstempel in rotem Wachs stellte einen stilisierten Kraken dar, dessen acht Arme ausgestreckt waren, als wollte er die ganze Welt mit ihnen packen.

      Matthew nahm an, dass Greathouse sich sehr dafür interessieren würde. Er hob den schweren Beutel aus der Kassette, um ihn auf den Schreibtisch zu legen, und hörte den unverwechselbaren Klang klimpernder Münzen.

      Er legte seinen Fund nieder und starrte ihn einen Moment lang an. Um den Beutel zu öffnen, würde er das Siegel brechen müssen. War er dazu bereit? So ganz sicher war er sich nicht. Irgendetwas jagte ihm Angst ein, die Art von Angst, aus der Albträume entstanden. Es war besser, Greathouse das Siegel brechen zu lassen und nichts weiter damit zu tun zu haben.

      Aber er legte den Beutel nicht in die Kassette zurück. Er tat überhaupt nichts, als sich mit dem Handrücken über den Mund zu fahren. Denn seine Lippen waren plötzlich wie ausgetrocknet.

      Er wusste, dass er eine Entscheidung treffen musste, und zwar eine wichtige. Die Minuten tickten spürbar dahin. Nie hatte sich die Entfernung zwischen diesem Haus und seinem Leben in New York größer angefühlt.

      Er fürchtete sich nicht nur davor, das Siegel zu brechen, sondern auch davor, den Beutel zu öffnen. Gab es denn niemanden, der ihm sagen konnte, was er tun sollte? Der ihm raten konnte, was falsch und was richtig war? Wo waren die Stimmen von Richter Woodward und Richter Powers, wenn er sie brauchte? Nicht zu hören. Nichts als Stille. Aber es war doch bloß Papier, oder? Nur der Umriss eines Kraken auf einem Stempel? Und das lag ja bereits so lange in der Kassette. Es kam niemand mehr, um den Beutel zu holen. Keiner dachte mehr daran.

      Er sagte sich, dass er Greathouses Hilfe nicht brauchte. Immerhin war er ihm in der Herrald Vermittlung gleichgestellt. Er hatte Katherine Herralds Brief sowie eine Lupe erhalten, die es bewiesen.

      Ohne sich noch mehr Zeit zum Nachdenken zu geben, brach er das Siegel. Der wächserne Krake zerbrach und öffnete sich ihm. Dann löste er die Schnur und spähte in den Lederbeutel. Seine Augen wurden groß, als die Sonne durch die Fenster der Bibliothek auf das Gold schien und ihn fast blendete.

      Er nahm eine der Münzen in die Hand und untersuchte sie genauer. Auf der einen Seite prangten die Köpfe von William und Mary, auf der anderen ein Schild und darüber eine Krone. 1692, sagte das Datum. Matthew versuchte das Gewicht der Münze zu schätzen. Er hatte in seinem ganzen Leben nur zwei dieser Münzen gesehen, beide aus seiner Zeit als Nathaniel Powers‘ Gerichtsdiener. Nach einem Raubüberfall war ein Teil des Geldes bei einem Pelzhändler sichergestellt worden. Die Münze in Matthews Hand war ein Fünfguinee-Stück, ein paar Schilling mehr als fünf Pfund wert – die wertvollste Münze des britischen Königreichs. Und in dem Beutel waren … wie viele davon? All das Gold glänzte so, dass es schwer zu zählen war. Er schüttete es auf dem Tisch aus, und als sechzehn Münzen herausfielen, erkannte er, dass er mehr als achtzig Pfund vor sich hatte.

      »Mein Gott«, hörte er sich wie vor den Kopf geschlagen flüstern.

      Denn er war wie vor den Kopf geschlagen. Dies waren Reichtümer – eine Geldmenge, die selbst ein Handwerksmeister in einem ganzen Jahr kaum zu verdienen vermochte. Ein junger Anwalt verdiente weniger pro Jahr, und ein junger Ermittler erst recht.

      Und

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