MATTHEW CORBETT und die Jagd nach Mister Slaughter. Robert Mccammon
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Matthew machte eine neuerliche Kopfzählung. Der Fiedler hatte mit dem Geigekratzen aufgehört. War er ein Streicher oder Streiter? George und sein unbewusster Kamerad lagen noch immer mit den Köpfen auf dem Tisch, aber vielleicht würden sie beim ersten Schlagabtausch wieder zum Leben erwachen. Was Dippen Nack tun würde, konnte niemand sagen. Die schlampige Frau grinste. Ihre Schneidezähne hatte man ihr bereits ausgeschlagen. Baiter würde mit dem Abbeißen der Nase wahrscheinlich warten, bis Bonehead einen Kopf eingeschlagen hatte. Die fünf anderen: Zwei sahen wie raubeinige Dockarbeiter aus, die Lust auf einen guten Kampf hatten. Die restlichen drei an einem der hinteren Tische trugen gute Anzüge, die sie vielleicht nicht beschädigen wollten und pafften Pfarrerspfeifen, auch wenn sie mit Sicherheit keine Gotteshirten waren.
Es konnte so oder so ausgehen, dachte Matthew, hoffte aber, dass Greathouse das Risiko zu berechnen wusste.
Statt auf Bonehead zuzumarschieren nahm Greathouse seine Mütze ab, zog sich den Mantel aus und hängte beides an Wandhaken. »Wir wollen hier nur ein Weilchen zusammensitzen. Wie ich schon sagte, wir erwarten jemanden. Weder Mr. Corbett noch meine Wenigkeit suchen Streit.«
Erwarten jemanden? Matthew hatte keine Ahnung, wovon er redete.
»Und auf wen wartet Ihr?« Bonehead lehnte sich an den Tresen und verschränkte seine dicken Arme. Eine Schulternaht drohte zu platzen. »Auf Eure Freundin Lord Cornloch?« Neben ihm fing Baiter zu kichern an.
»Nein«, erwiderte Greathouse. »Wir erwarten einen Mann, den ich möglicherweise für die Herrald Vertretung anheuern werde. Ich dachte mir, dass hier ein interessanter Ort für unser Treffen ist.« In diesem Moment ging die Tür auf. Matthew sah einen Schatten auf der Türschwelle, hörte schwere Stiefel, und Greathouse sagte: »Da ist er ja!«
Der Sklave Zed kam herein, mit einem schwarzen Anzug, weißen Strümpfen und einer weißen Seidenkrawatte bekleidet.
Bis auf kollektives Luftschnappen wurde es totenstill. Matthews Augen drohten ihm aus dem Kopf zu quellen, als er Greathouse mühsam ansah. Die Anspannung seiner Halssehnen brach ihm fast den Nacken. »Habt Ihr den Verstand verloren?«, brachte er heraus.
Kapitel 2
Mit Verstand oder ohne – Greathouses Augen glitzerten und in seiner Stimme schwang Stolz mit, als er sich an den Sklaven wandte: »Aber hallo! Wenn du nicht ehrbar aussiehst!«
Ob Zed das Lob verstand, wusste niemand. Der Sklave blieb mit dem Rücken an die Tür gedrückt stehen. Seine breiten Schultern waren leicht gebeugt, als fürchtete er, den seltenen Frieden in der Schänke aus dem Gleichgewicht zu bringen. Der Blick seiner schwarzen, unergründlichen Augen wanderte von Greathouse zu den anderen Gästen und dann wieder zu Greathouse. Auf Matthew wirkte er fast flehend. Zed wollte genauso wenig hier sein, wie er willkommen war.
»Das ist der Neger vom Leichenbeschauer!«, kreischte die Schlampe. »Ich hab gesehen, wie der ’n toten Mann getragen hat, als wär der ein Sack Federn!«
Das war nicht übertrieben. Zu Zeds Aufgaben unter Ashton McCaggers gehörte der Abtransport Toter von der Straße. Matthew hatte die ungeheure Kraft des Sklaven im Kühlzimmer des Rathauskellers im Einsatz gesehen.
Zed war kahlköpfig und massiv gebaut, fast so groß wie Hudson Greathouse, aber mit breiterem Rücken, Schultern und Brustkorb. Ihn anzusehen war, als werfe man einen Blick auf die mysteriöse Kraft des Schwarzen Kontinents. Er war so schwarz, dass seine Haut im gelben Lampenlicht bläulich zu schimmern schien. Seine Wangen, Stirn und Kinn waren von den Tätowierungsnarben seines Stammes bedeckt, in die ein Z, E und D eingeschnitten worden waren – die Buchstaben, nach denen McCaggers ihn benannt hatte. Der Leichenbeschauer hatte ihm ein paar rudimentäre Brocken Englisch beigebracht, damit er seine Arbeit ausführen konnte. Das Reden konnte er ihm allerdings nicht lehren, denn Zeds Zunge war bereits herausgeschnitten gewesen, bevor das Sklavenschiff New York erreicht hatte.
Skelly dagegen hatte seine Zunge noch und grölte wie aus tiefstem Höllenschlund: »Schafft den Neger raus!«
»Das ist gegen das Gesetz, dass der hier reinkommt!«, schrie Baiter, kaum dass Skellys Stimme nicht mehr die Sägespäne von den Dachsparren rüttelte. Sein rotgeflecktes Gesicht war von selbstgerechter Wut verzerrt, als hätte ihn jemand beleidigt. »Schafft ihn raus oder wir schmeißen ihn raus! Was, Bonehead?«
»Das Gesetz? Gegen welches Gesetz? Ich bin hier der Wachtmeister, Herrgott noch mal!« Nack hatte sich wieder gerührt, aber in seiner Verfassung war es vom sich Rühren bis zum Aufstehen noch ein langer Weg.
Bonehead hatte auf die Drohung, die sein Kamerad gerade von sich gegeben hatte, nicht reagiert. Matthew schien es, als würde Bonehead die massive Statur des Neuankömmlings beäugen, und Bonehead war kein Holzkopf, der seinen Schädel an derartigen Muskeln ramponieren wollte. Allerdings war auch er ein Mann, und wie viele Männer wurde auch er umso streitsüchtiger, je tiefer der Pegel in seinem Trinkbecher sank. Bonehead trank einen mächtigen Schluck flüssigen Mutes und sagte, wenn auch eher in seinen Becher hinein: »Stimmt, verdammt noch mal!«
»Ach, Gentlemen, nehmt doch Vernunft an!« Greathouse hob die Hände und Matthew sah die zahlreichen kleinen Narben und Knötchen auf den viel benutzten Knöcheln des Mannes. »Und Ihr, Sir«, wandte er sich an Baiter, »werdet doch nicht im Ernst jeden Erlass respektieren, den Lord Cornbury unter seinem Kleid hervorzieht?«
»Ich sagte«, ertönte die Stimme des Wirts, die jetzt weniger nach Bullfrosch, sondern mehr nach dem Klicken einer soeben gespannten Pistole klang, »schafft mir das Vieh aus den Augen!«
»Und weg von unsern Nasen«, fügte einer der Gentlemen hinten im Schankraum hinzu, womit Matthew wusste, dass ihnen in diesem Wirtshaus keine einzige Person wohlgesonnen war.
»Na gut.« Greathouse zuckte mit den Schultern, als wäre alles zur Zufriedenheit geregelt. »Dann nur einen guten Tropfen für ihn und wir gehen wieder.«
»Der kann meine Pisse trinken, bevor ich dem einen Tropfen von meinem Brandy einschenke!«, brüllte Skelly, und über Matthews Kopf schwankten die Lampen an ihren Ketten. Skellys Augen waren weit aufgerissen und wild. Sein roter Bart, in dem der tausendfältige Dreck von New York klebte, zuckte wie der Schwanz einer Klapperschlange. Matthew hörte draußen den Wind heulen, hörte ihn kreischen und durch die Ritzen zwischen den Brettern pfeifen, als wollte er das Wirtshaus zersplittern. Die beiden Dockarbeiter waren aufgesprungen. Einer von ihnen ließ seine Knöchel krachen. Warum tun Männer das?, fragte sich Matthew. Um ihre Fäuste größer zu machen?
Greathouse hörte keine Sekunde lang auf zu lächeln. »Also wie wär’s – ich bezahle einen Brandy für mich, und dann lassen wir alle in Ruhe. Passt Euch das?« Zu Matthews Entsetzen war der große Mann – der große Idiot! – bereits auf dem Weg zum Tresen, hielt genau auf die Stelle zu, wo Bonehead und Baiter offensichtlich nur darauf warteten, ihn zusammenzuschlagen. Skelly blieb mit spöttisch verzogenem Mund bewegungslos hinter der Theke stehen, und als Matthew einen Blick auf Zed warf, sah er, dass der Sklave keinerlei Interesse an einem weiteren Schritt auf einen Eklat zu hatte, geschweige denn an einem verschmutzten Trinkbecher.
»Er wird dem Neger zeigen, was ihm passt!«, protestierte die Frau, aber Matthew dachte bereits Ähnliches.
Wir erwarten einen Mann, den ich möglicherweise für unsere Herrald Vertretung anheuern werde, hatte Greathouse gesagt.
Bis dahin hatte