Metaphysik. Aristoteles

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Metaphysik - Aristoteles

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und nachfolgende Glieder in fester Ordnung gibt, da ist es undenkbar, daß das, was diesen übergeordnet ist, auch noch neben ihnen existiere. Z.B. wenn die Zwei der Ursprung der Zahlen ist, so wird nicht eine Zahl noch neben den Arten der Zahlen, und ebensowenig wird eine Figur noch neben den Arten der Figuren existieren.Wenn es aber in diesen Fällen sich so verhält, so werden kaum in den anderen Fällen die Gattungen neben den Arten existieren; denn dort könnte man noch am ehesten annehmen, daß es solche Gattungen gibt. Nun gibt es hier bei den letzten Arten allerdings weder ein Vorausgehendes noch ein Nachfolgendes; aber da, wo es ein Höherstehendes und ein Niedrigerstehendes gibt, ist das Höherstehende auch immer das Prius; also würde es danach auch hier keine Gattung neben den Arten geben können.

      Demzufolge wäre augenscheinlich die Art, die nur noch Individuen umfaßt, in eigentlicherem Sinne Prinzip als die Gattungen. Andererseits aber läßt sich nicht leicht sagen, in welchem Sinne man jene als Prinzip auffassen soll. Denn was Prinzip und Grund ist, das muß auch neben den Gegenständen, für die es Prinzip ist, bestehen und das Vermögen haben, von ihnen gesondert für sich zu sein. Wie aber sollte irgend jemand auf die Annahme geraten, daß etwas derartiges wirklich Hebenden Einzelwesen existiere, wenn nicht deshalb, weil es als ein Allgemeines gilt und von einer Gesamtheit ausgesagt wird? Wenn aber dies den Grund bildet, so müßte man, was in höherem Grade allgemein ist, auch als das gelten lassen, was in höherem Sinne Prinzip ist, und mithin müßten es dann wieder die obersten Gattungen sein, die die Bedeutung von Prinzipien haben.

      Das achte Problem

      Nun hängt aber damit eine Schwierigkeit zusammen, die unter allen die ernsteste und für eine sorgfältige Erwägung die dringlichste ist; von ihr zu handeln ist jetzt der Augenblick gegeben. Wenn es nämlich nichts Weiteres neben den Einzelwesen gibt, die Einzelwesen aber ins Unendliche verlaufen: wie ist es da möglich, eine Erkenntnis dieses Unendlichen zu gewinnen? Erkennen wir alles doch nur insofern, als es darin Einheit und Identität gibt und insofern ein Allgemeines vorliegt. Andererseits aber, wenn dies sich notwendig so verhält, und wenn es demnach neben den Einzelwesen noch etwas weiteres geben muß, so würde mit Notwendigkeit folgen, daß, was neben dem Einzelnen existiert, die Gattungen sind, seien es nun die niedrigsten oder auch die obersten. Eben aber haben wir durch unsere Überlegungen ausgemacht, daß das unmöglich ist.

      Weiter aber, gesetzt auch, es sei ausgemacht, daß neben dem Zusammengesetzten, also neben dem, was Materie mit der von ihr ausgesagten Bestimmung ist, noch etwas Weiteres existiert, wie dann? Muß es, wenn es dergleichen gibt, ein solches neben allem geben, oder wohl neben einigem und neben anderem nicht, oder auch neben gar keinem? Wenn es nichts außer den Einzelwesen gibt, so gäbe es auch nichts, was Gegenstand des Denkens wäre; alles wäre Gegenstand sinnlicher Wahrnehmung, und eine Erkenntnis von irgend etwas wäre unmöglich, wofern man nicht so weit geht, schon die sinnliche Wahrnehmung für eine Erkenntnis auszugeben. Damit gäbe es dann auch nichts Ewiges, nichts Unbewegtes. Denn was sinnlich wahrgenommen wird, das ist alles vergänglich und in beständiger Bewegung. Andererseits, wenn es nichts Ewiges gibt, dann wird auch alles Entstehen undenkbar. Denn damit etwas entstehe, muß es ein Seiendes geben, das wird und aus dem etwas wird, und das letzte Glied der Reihe muß dem Entstehen entnommen sein, wenn es in der Ableitung des einen aus dem andern nach rückwärts ein Letztes gibt, und es doch unmöglich ist, daß etwas aus Nichts geworden sei. Weiter aber, wenn es ein Entstehen und eine Bewegung gibt, dann muß es dafür auch ein Endglied nach vorwärts geben. Denn ohne Ende vollzieht sich keine Bewegung, sondern jede hat ein Ziel, und daß etwas entstehe, dessen Entstandensein unmöglich ist, das hat keinen Sinn; was aber entstanden ist, das muß sein Dasein in dem Augenblick haben, wo seine Entstehung beendet ist. Und weiter, wenn also die Materie Existenz hat, weil sie unentstanden ist, dann ist es doch wohl noch viel mehr anzunehmen, daß die Form existiert als das Wesen, das die Materie annimmt. Denn wäre weder die eine noch die andere, dann existierte überhaupt nichts. Ist das aber undenkbar, so muß notwendig neben dem konkreten Gebilde noch etwas sein, nämlich die Gestalt und die Form.

      Wenn man aber ein solches setzt, so erhebt sich das neue Bedenken, für welche Gegenstände man es zu setzen hat, für welche nicht. Denn offenbar hat es keinen Sinn, es für alle Gegenstände zu setzen. So werden wir nicht annehmen, daß es neben den einzelnen Häusern noch ein Haus obendrein gibt. Und außerdem: soll in allen Einzelwesen die Wesenheit eine einheitliche sein, z.B. eine in allen Menschen? Das wäre doch widersinnig; denn alles das, was eine einheitliche Wesenheit hat, ist eines. Oder soll sie Vieles und Verschiedenes sein? Aber auch dies ist unannehmbar. Und zugleich: auf welchem Wege wird denn die Materie zu jeglichem von diesen? und in welchem Sinne ist denn das konkrete Gebilde jenes beides zusammen?

      Das neunte Problem

      Sodann, die Prinzipien betreffend läßt sich noch folgendes fernere Bedenken erheben. Ist jedes Prinzip ein Eines nur im Sinne einer Art, so wird nichts aus den Prinzipien abgeleitetes eins sein der Zahl nach, auch nicht die Eins selber und nicht das Seiende. Wie soll es aber ein Erkennen geben, wenn es nicht ein Eines gibt über allem? Andererseits, ist jedes der Prinzipien numerisch eins, existiert es also nur einmal und nicht wie bei den sinnlichen Gegenständen jedesmal im gegebenen Falle als ein numerisch Anderes - so z.B. sind für diese bestimmte Silbe, jedesmal wo sie als eine und dieselbe vorkommt, auch die Buchstaben, aus denen sie besteht, der Art nach dieselben, während sie numerisch andere sind - ist es also nicht so, sondern sind die Prinzipien des Seienden jedes numerisch eins: so wird es nicht neben diesen Elementen noch etwas anderes geben; so viel Einzelwesen, so viel Prinzipien. Denn ob man sagt: numerisch eines, oder: Einzelwesen, das macht keinen Unterschied. Das eben ist der Sinn des Wortes: das Einzelwesen ist das numerisch Eine, das Allgemeine aber das in den Einzelnen Gemeinsame. Es verhält sich also damit wie bei den Elementen des Lautgebildes. Wenn diese numerisch bestimmt wären, so müßte die Anzahl sämtlicher Lettern die es gibt ebenso groß sein wie die der Buchstabenarten, da nicht zwei oder mehr existierende Lettern denselben Buchstaben bedeuten würden.

      Das zehnte Problem

      Eine Frage sodann, die an Schwierigkeit keiner anderen nachsteht, ist von unseren Zeitgenossen ebenso wie von ihren Vorgängern unerledigt gelassen worden; wir meinen die Frage, ob die Prinzipien der vergänglichen Dinge dieselben sind wie die der unvergänglichen, oder ob sie von ihnen verschieden sind. Sind sie dieselben, wie geschieht es, daß das eine vergänglich, das andere unvergänglich ist, und was ist der Grund dafür? Die Gesinnungsgenossen des Hesiodos wie alle die, deren Reflexion sich in mythischer Form bewegte und sich auf das ihrem Vorstellungskreis Zusagende beschränkte, haben was uns beschäftigt nicht beachtet. Indem sie die Prinzipien zu Göttern machen und alles von Göttern ableiten, lautet ihre Erklärungsweise etwa so: sterblich geworden sei, was nicht von Nektar und Ambrosia gekostet habe! Mit solchen Ausdrücken meinten sie offenbar in der ihrem Vorstellungskreise geläufigen Weise der Sache zu genügen. Indessen, schon mit der Verwendung von Ursachen dieser Art zur Erklärung haben sie etwas für uns völlig Unverständliches vorgebracht. Denn nehmen die Götter diese Dinge zu sich bloß um des Genusses willen, so bilden Nektar und Ambrosia für ihr Dasein nicht den Grund; andererseits nehmen sie sie zu sich um der Selbsterhaltung willen, wie können die Götter als unsterblich gelten, wenn sie doch der Nahrung bedürfen? Indessen, auf solches Philosophieren in mythischer Form sich ernsthaft einzulassen, ist nicht der Mühe wert. Wir müssen uns an diejenigen halten, die in der Form strenger Wissenschaft verfahren, und müssen sie befragen, wie es kommt, daß von den Wesen, die aus denselben Quellen stammen, der eine Teil seiner Natur nach ewig, der andere vergänglich ist.

      Da sie einen Grund dafür nicht anzugeben wissen und die Sache auch nicht wohl verständlich ist, so liegt der Schluß nahe, daß die Prinzipien und Gründe für beides wohl nicht die gleichen sein werden. Hat doch selbst Empedokles, von dem man wohl annehmen kann, daß er noch am ehesten seine Gedanken in strenger Folgerichtigkeit entwickelt, sich dieser Schwierigkeit nicht zu entziehen gewußt. Er setzt ein Prinzip, den Streit, als Grund der Vergänglichkeit; aber nichtsdestoweniger möchte man meinen, daß

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