MATTHEW CORBETT und die Hexe von Fount Royal (Band 2). Robert Mccammon

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MATTHEW CORBETT und die Hexe von Fount Royal (Band 2) - Robert Mccammon Matthew Corbett

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mochten. Es konnte durchaus sein, dass die richtigen Feldfrüchte für Fount Royal erst noch gepflanzt werden mussten und dass Bidwell wohl beraten war, einen Botaniker zurate zu ziehen. Allerdings würde ein Botaniker einen entsprechenden Lohn dafür einfordern – und wenn Winston Bidwells Kombination aus Geiz und geschwollenem Selbstgefühl richtig eingeschätzt hatte, hielt sich Fount Royals Gründer vermutlich in der Landwirtschaft ebenso bewandert wie im Schiffsbau.

      Schließlich erreichte Matthew das letzte Gebäude in der Fleißstraße, hinter dem nur noch die Palisaden aufragten.

      Wenn der Rattenfänger von anderen Menschen entfernt hatte leben wollen, hätte er sich ein passenderes Haus nur noch bauen können, indem er ein Loch grub und es mit einem lehmbeschmierten Dach bedeckte. Das Haus – das eine solche Bezeichnung kaum verdiente – ließ Winstons miserable Hütte wie ein Ebenbild von Bidwells Herrenhaus erscheinen.

      Gebüsch und Unkraut wucherten bis an die Wände und versteckten es vor neugierigen Augen. Kletterpflanzen klammerten sich an die graue Wandverschalung, und auf dem Dach spross Efeu. Die vier Fenster des Hauses waren mit nicht gestrichenen und stark verwitterten Fensterläden verrammelt, und Matthew fand, es grenzte an ein Wunder, dass der viele Regen die baufällige Behausung nicht davongeschwemmt hatte.

      Er bahnte sich durch den kahlen Vorgarten, der vom durchweichten Matsch noch immer schlüpfrig war, den Weg zur Tür. Linch hatte über der Haustür drei große Rattenskelette an Lederriemen aufgehängt, ganz so, als wollte er damit der Welt seinen Beruf verkünden. Sofern es denn Menschen auf der Welt gab, die sich an seine Tür verirrten. Oder vielleicht waren diese drei Ratten auch nur so schwer zu erlegen gewesen, dass Linch sie als Trophäen aufgehängt hatte. Matthew schluckte seine Abscheu hinunter, ballte die Faust und klopfte an die Tür.

      Er wartete, aber niemand kam. Matthew klopfte erneut und rief diesmal »Mr. Linch? Dürfte ich ein paar Worte mit Euch reden?« Noch immer kam niemand an die Tür. Der Rattenfänger war nicht zuhause, sondern vermutlich langschwänzigen Damen oder Dummen auf der Spur.

      Matthew war eine ziemliche Strecke gelaufen, um mit dem Mann zu reden, und der Gedanke, den Marsch wiederholen zu müssen, gefiel ihm nicht. Er entschied sich, auf Linch zu warten, obwohl sich nicht sagen ließ, wann der Rattenfänger wohl zurückkommen mochte. Er klopfte noch ein drittes Mal an und legte seine Hand auf den grob gefertigten Riegel. Dann hielt er inne und überlegte, ob er es moralisch verantworten konnte, uneingeladen das Haus des Mannes zu betreten.

      Er ließ den Riegel los und starrte mit in die Taille gestemmten Händen auf die Tür. Was sollte er nur tun? Er schaute die Fleißstraße hinauf in die Richtung, aus der er gekommen war. Nirgendwo war eine Menschenseele zu sehen. Am anständigsten wäre es natürlich, wieder zu gehen und ein andermal wiederzukommen. Am nötigsten allerdings … das war etwas ganz anderes.

      Er war sich unsicher, ob er Linchs Haus betreten wollte. Sicher war er sich nur darüber, dass es, wenn es jemals ein nach Ratten stinkendes Haus gegeben hatte, dieses sein musste. Und die Skelette boten eine unangenehme Vorstellung dessen, was es drinnen zu sehen geben mochte. Wieder schaute Matthew die Fleißstraße hinauf – und wieder erblickte er niemanden. Wenn er die Gelegenheit nutzen wollte, die Behausung des Rattenfängers zu durchsuchen, dann war der Moment dazu jetzt zweifelsfrei gekommen.

      Er holte tief Luft. Das unbefugte Betreten eines Hauses war etwas ganz anderes, als in eine Scheune einzudringen … oder? Er wollte sich um die feinen Unterschiede lieber nicht zu sehr den Kopf zerbrechen.

      Bevor er es sich anders überlegen konnte, hob er schnell den Riegel und drückte die Tür auf. Sie öffnete sich leicht auf gut geölten Türangeln. Und im durch den Eingang fallenden Sonnenlicht sah Matthew etwas sehr Seltsames.

      Auf der Türschwelle stehend spähte er ins Haus und fragte sich, ob er den Verstand verloren hatte. Oder zumindest seinen Geruchssinn. Sein Erstaunen trieb ihn ins Haus hinein. Neugierig sah er sich um.

      Es gab einen Schreibtisch und eine Schlafstatt, eine Feuerstelle und ein Wandbrett, auf dem Kochgeschirr stand. Ein Stuhl stand neben einem Tisch, auf dem eine Laterne platziert war. Unweit davon lagen ein halbes Dutzend in Ölpapier eingeschlagene Kerzen. Am Fußende des Betts stand ein Nachttopf. Zwei Paar schmutzige Schuhe standen nebeneinander bei der Feuerstelle, in der keinerlei Asche lag. Ein einsatzbereiter Besen lehnte an der Wand.

      Und all dies erstaunte Matthew zutiefst: Linchs Haus war ein Musterbeispiel von Ordnung.

      Das Bett war gemacht, die Decke gerade und stramm gezogen. Der Nachttopf war strahlend sauber – und auch die Kochtöpfe und Schöpfkellen. Am Glas der Laterne war nirgendwo ein Fleckchen Ruß zu sehen. Der Boden und die Wände waren vor nicht allzu langer Zeit geschrubbt worden, und das Haus roch noch nach Teerseife. Matthew war sich sicher, dass er vom Boden essen könnte und keinen Krümel Schmutz in den Mund bekommen würde. Es war so ordentlich, dass es Matthew mehr Angst als das schreckliche Chaos in Winstons Haus einjagte. Denn wie Winston war auch der Rattenfänger ganz anders, als man erwartet hätte.

      »Na dann«, sagte Matthew. Seine Stimme zitterte. Er schaute noch einmal in Richtung Stadt, aber die Fleißstraße war zum Glück noch immer verwaist. Dann fuhr er damit fort, sich das Haus anzusehen, das von außen wie ein Schweinestall wirkte, drinnen aber geradezu der Inbegriff von … Kontrolle war.

      Es war eins der seltsamsten Dinge, die er je gesehen hatte. Das einzige Anzeichen von Schmutz oder Unordnung im ganzen Haus waren die vier dreckigen Schuhe. Matthew nahm an, dass sie zu Linchs Rattenfängerkostüm gehörten. Er beschloss, es nicht nur bei einem simplen Einbruch zu belassen, und öffnete eine Kiste, in der er Hemden, Hosen und Strümpfe fand. Alle waren sauber und akkurat gefaltet.

      Neben der Laterne und den Kerzen stand ein kleines Elfenbeinkästchen. Matthew öffnete es und fand Streichhölzer und einen Feuerstein darin. Die Streichhölzer waren wie Soldaten aufgereiht. In der Ecke des Zimmers fand Matthew eine Kiste, die mit gepökeltem Fleisch, Maiskolben, einem Topf Mehl und einem Topf Getreide, sowie einer Flasche Rum, einer Flasche Wein und anderen Lebensmitteln gefüllt war. Auf dem Schreibtisch lagen eine Tonpfeife und ein ordentlich verpacktes Bündel mit Tabak. Auch ein Tintenfass, eine Feder und blanke Seiten Papier lagen auf der Tischplatte. Er zog die Schublade des Pults auf und fand darin ein zweites Tintenfass, noch mehr Papier, eine lederne Geldbörse und – oh Wunder – ein Buch.

      Es war nur ein dünnes Büchlein, aber offenbar mehrmals gelesen und abgenutzt, wie der abgegriffene und auseinanderfallende Einband attestierte. Matthew öffnete es vorsichtig, um sich die Titelseite anzusehen, die fast aus dem Buch rutschte, und hatte erneut Grund, sich zu wundern. Der verblasste Titel des Buchs lautete Das Leben eines Pharao oder Über die erstaunlichen Vorfälle im alten Ägypten.

      Matthew wusste, dass die ägyptische Kultur, die durch Moses' Leben in der Heiligen Bibel allgemein bekannt war, ein gewisses Segment der englischen und europäischen Bevölkerung faszinierte – hauptsächlich die Wohlhabenden, die Zeit und Lust hatten, sich in Theorien und Diskussionen über diese geheimnisvolle Zivilisation zu ergehen. Ein solches Buch, nur zum Angeben und ungelesen, wäre durchaus in Bidwells Bücherei zu erwarten gewesen. Es war ganz und gar unglaublich, dass der Rattenfänger ein Interesse am Leben eines Pharao hatte, egal, wie fantastisch es beschrieben war. Wären die Seiten des Buchs nicht so mürbe gewesen, hätte Mathew darin geblättert, um sich einen besseren Eindruck vom Inhalt zu verschaffen. Aber er entschied sich wohlweislich dagegen. Es reichte ihm zu wissen, dass Gwinett Linch nicht der Mann war, als der er sich gab.

      Nur … wer war er dann?

      Matthew klappte das Buch zu und legte es haargenau so hin, wie er es gefunden hatte. Er war sich sicher, dass Linch sofort auffallen würde, wenn es auch nur ein klein wenig verschoben war. Er nahm die Geldbörse, klappte sie auf, und entdeckte ein kleines Objekt darin, das in ein braunes, mit Zwirn

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