Dr. Norden Jubiläumsbox 7 – Arztroman. Patricia Vandenberg
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Читать онлайн книгу Dr. Norden Jubiläumsbox 7 – Arztroman - Patricia Vandenberg страница 14
»Dachte ich es mir doch. Die besten Geschichten hat er dir wieder verschwiegen«, erwiderte Mario und begann von dem Unglück zu erzählen, bei dem seine Eltern vor vielen Jahren ums Leben gekommen waren. Im letzten Moment war es Daniel und Fee Norden gelungen, wenigstens den kleinen Mario vor dem Ertrinken zu retten. »Weil ich keine Verwandten mehr hatte, wollten mich die beiden adoptieren. Aber dann haben sich Johannes und Anne Cornelius unsterblich in mich verliebt und mich bei sich aufgenommen«, erzählte er schmunzelnd. »Danny hat also die besten Voraussetzungen in Sachen Adoption. Ihr beiden hättet viele Ratgeber an eurer Seite, die euch mit Rat und Tat zur Seite stünden«, beendete er seinen Bericht sichtlich zufrieden.
Zuerst schien es, als ob diese Erzählung Tatjana optimistischer gestimmt hätte. Doch nach einem Moment des Schweigens verfinsterte sich ihre Miene wieder.
»Danny und ich haben in letzter Zeit so viel Streit. Ich fürchte, meine Lüge war der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Bestimmt will er jetzt nichts mehr von mir wissen.« Wie um ihre Worte zu unterstreichen, schüttelte sie deprimiert den Kopf.
»So schwarz darfst du nicht sehen«, versuchte Mario, sie von diesem Gedanken abzubringen. »Mit Sicherheit braucht er ein bisschen Zeit, um die Nachricht zu verdauen. Aber bestimmt steht er morgen, spätestens übermorgen wieder hier an deinem Bett, und es gibt eine große Versöhnung«, versprach er fast feierlich.
Diese Vorstellung war zu schön, um wahr zu sein, und Tatjana hatte berechtigte Zweifel.
»Glaubst du wirklich?«, fragte sie und seufzte tief.
Ein Leben ohne Danny war unvorstellbar für sie. Und doch hatte sie einen nicht unerheblichen Teil dazu beigetraten, dass es so weit gekommen war und diese Möglichkeit nun drohend vor ihr stand.
*
Um nicht nachdenken zu müssen, vergrub sich Danny Norden für den Rest des Tages in Arbeit. Mit gewohnter Sorgfalt führte er eine Reisetauglichkeitsuntersuchung durch, versorgte einen gequetschten Zeh, verabreichte Impfungen und begutachtete Wunden, bis zu seinem großen Bedauern schließlich auch der letzte Patient des Tages die Praxis verlassen hatte. Als auch noch das Telefon klingelte und Mario Cornelius ihn an den versprochenen Besuch in Tatjanas Wohnung erinnerte, musste er endgültig in die raue Wirklichkeit zurückkehren.
»Ich kann in einer halben Stunde bei Tatjanas Wohnung sein«, erklärte der Kinderarzt, und zähneknirschend willigte Danny ein.
Schließlich wollte er seinen Onkel nicht im Stich lassen. Pünktlich parkte er den Wagen vor dem Haus und stieg aus, als er Mario bereits vor der Tür auf und ab gehen sah.
»Das muss ja wirklich dringend sein, wenn du freiwillig die Klinik verlässt!«, ließ sich Danny trotz seiner Verzweiflung zu einem Scherz hinreißen.
»Manchmal muss man eben über seinen Schatten springen«, erwiderte Mario vielsagend. »Vor allen Dingen, wenn es um eine besondere Frau geht.«
Danny verstand die Anspielung sehr wohl, presste aber demonstrativ die Lippen aufeinander, als er Mario ins Haus ließ.
»Wundere dich bitte nicht über den Zustand der Wohnung. Eigentlich wollte Tatjana nächste Woche zu mir ziehen«, erklärte er und stieß die Tür zu dem kleinen Apartment auf.
Tatsächlich war das Durcheinander bemerkenswert. Überall standen Umzugskartons und halb gepackte Schachteln herum. Jede freie Fläche war mit Krimskrams bedeckt. Die ganze Wohnung machte den Eindruck, als hätte der Bewohner sie Hals über Kopf verlassen.
»Was heißt hier »sie wollte«?«, fragte Mario möglichst beiläufig, während er sich in dem Chaos umsah. »Willst du nicht noch einmal mit ihr reden?«
Ratlos zuckte Danny mit den Schultern.
»Ich weiß noch nicht«, gestand er zögernd, winkte Mario mit sich in die kleine Küche und sah sich suchend um. »Natürlich weiß ich, dass ich nicht unschuldig bin an der Entwicklung. Ich verstehe einfach nicht, warum mir diese Veränderungen an Tatjana nicht aufgefallen sind.« Während er sprach, hatte Danny hatte gefunden, wonach er gesucht hatte. Der Backofen war der einzige freie Platz in der kleinen Wohnung, und Tatjana hatte ihre Gesellenstücke dort auf einem Kuchenblech in Sicherheit gebracht. Danny ging in die Knie und zog behutsam – auf keinen Fall wollte er etwas kaputt machen – das Backblech heraus.
Um besser sehen zu können, ging Mario neben ihm in die Knie.
»Ihr beide habt ganz schön Stress. Da übersieht man schon mal was …« Unvermittelt hielt er inne und stieß vor Staunen einen Pfiff aus. »DAS ist Tatjanas essbarer Schmuck?« Die Bewunderung in seiner Stimme war unverkennbar, und einen Moment lang fühlte sich Danny geschmeichelt, als handelte es sich um seine eigenen Kreationen.
»Toll, nicht?«, fragte er und konnte selbst kaum den Blick lösen von den zarten Ringen, den Kettenanhängern und Ohrringen, über die er neulich noch mit seiner Freundin gesprochen hatte. Die hauchdünnen runden Scheiben waren golden lackiert. Mit Zuckerkristallen und feinen Malereien aus Zuckerschrift wirkten sie wie kostbare orientalische Einlegearbeiten.
»Toll ist die Untertreibung des Jahrhunderts«, widersprach Mario, als er seine Sprache endlich wiedergefunden hatte. »Dieser Schmuck ist eine Sensation. Damit würde Tatjana auf jeder Messe Furore machen.«
»Du vergisst, dass sie aus Teig und nicht für die Ewigkeit gemacht sind«, erinnerte Danny seinen Onkel schmunzelnd. Einen Moment lang schwiegen seine quälenden Gedanken still.
»Was ist schon für die Ewigkeit?«, entfuhr es Mario, und vorsichtig streckte er die Hand nach einem silberfarbenen Ring mit blauem Zuckerkristall aus. Leicht wie eine Feder, war er doch stabiler als gedacht. »Komisch, ich könnte schwören, dass ich den schon mal irgendwo gesehen habe.«
Danny musste lachen.
»Ich wette mit dir, dass du ihn sogar täglich vor Augen hast«, sagte er. »Das ist nämlich eine hundertprozentige Kopie von Mums Verlobungsring.«
In diesem Augenblick fiel es Mario wie Schuppen von den Augen. Behutsam steckte er den Ring auf die Kuppe seines kleinen Fingers und betrachtete ihn von allen Seiten.
»Das ist genau das passende Geschenk für Carina. Und sie muss ja nicht wissen, dass das Original ausgerechnet ein Verlobungsring ist.« Vergnügt zwinkerte er seinem Neffen zu.
»Wie du willst.« Danny schob das Backblech zurück in den Ofen und Mario zog die kleine Schmuckschachtel hervor, die er in weiser Voraussicht mitgebracht hatte.
»Perfekt!« Zufrieden betrachtete er den Ring, bevor er das Kästchen zuklappte und es vorsichtig in die Sakkotasche steckte. »Jetzt kann ich wieder beruhigt in die Klinik fahren und mich ganz entspannt auf das Treffen morgen vorbereiten.«
»Morgen schon?« Danny stand auf und streckte den schmerzenden Rücken durch. »Vielleicht solltest du dir das noch mal überlegen. Du siehst ja an mir, was draus werden kann.« Er schnitt eine unfrohe Grimasse.
Diese Bemerkung war besorgniserregend für Mario. Während sie zur Tür gingen, legte er die Hand auf Dannys Schulter.
»Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird«, gab er seinem Neffen einen weisen Rat. »Schlaf eine Nacht drüber, und morgen sieht die Welt wieder ganz anders aus. Mal abgesehen davon … So eine Adoption kann ja auch ein echter Glücksgriff sein, wie unschwer an mir zu erkennen ist«,