Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten. Sven Elvestad
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Читать онлайн книгу Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten - Sven Elvestad страница 38
Die Nacht zum Mittwoch schlief Asbjörn Krag allein in der Polizeiwachtstube, wo einige der untergeordneten Konstabler immer anwesend waren. Er wollte es nicht riskieren, allein zu sein, denn er fühlte sich beständig von der Mörderbande des rotbärtigen Ingenieurs umschwärmt.
Am Mittwoch in aller Frühe ging er in die Stadt. Er hatte einen geladenen Revolver in der Tasche. Im Hotel erfuhr er, daß Ingenieur Barra die ganze vorhergehende Nacht aufgesessen war und gearbeitet hatte. Von Zeit zu Zeit hatte man ihn fieberhaft im Zimmer hin und her gehen gehört. Um acht Uhr morgens war ein schwarzbärtiger Mann zu ihm auf Besuch gekommen, und die beiden hatten lange miteinander gesprochen.
»War es ein Nordländer?« fragte Krag.
»Nein,« erwiderte der Hotelportier, »ich glaube, es war ein Spanier oder Italiener, er sprach sehr gebrochen Norwegisch.«
Der Detektiv erbat sich eine nähere Beschreibung, und der Portier berichtete, daß der Fremde von kleinem Wuchs war, aber sehr muskulös und stark, und aussah wie ein Seemann oder etwas Derartiges, denn dicht über dem Handgelenk hatte er einen blauen Anker eintätowiert. Er hatte kohlschwarzes Haar und Bart und trug kleine Goldohrringe. Dieser Schwarze war gegen neun Uhr fortgegangen und gleich darauf hatte sich Ingenieur Barra zum Schlafen niedergelegt.
Asbjörn Krag begab sich zur Polizeistation zurück und sah in den Protokollen nach, ob irgendein Ausländer angemeldet war, dessen Aussehen der Beschreibung des Portiers entsprechen konnte. Aber es war nichts zu finden. Krag setzte darum die ganze Detektivabteilung des Polizeikorps in Bewegung, um den Schwarzen zu finden. Im Laufe des Vormittags wurden alle Pensionen und Hotels der ganzen Stadt durchstöbert, aber nirgends wohnte ein Mann, der der Beschreibung entsprach.
Asbjörn Krag begann ganz fieberisch zu werden. War es denn nicht möglich, den Aufenthaltsort dieses verdammten Schurken und seiner Mitverbündeten zu finden? Es mußte eine ganze Menge solcher geben, aber es konnte nicht die Rede davon sein, herauszufinden, wo sie nachts schliefen oder sich außerhalb der bestimmten Zeiten aufhielten, wo sie mystisch und plötzlich in der Nähe des rotbärtigen Ingenieurs auftauchten und wieder verschwanden. Aber Krag wußte doch jetzt, daß der entscheidende Wendepunkt des Abenteuers unmittelbar bevorstand, in höchstens vierundzwanzig Stunden würde das geschehen, was Barra Reichtum oder Gefängnis bringen mußte.
Donnerstag stand im Telegramm. Also morgen gingen zwei Schnellzüge nach dem Süden, der Tagesschnellzug um zwei Uhr und der Nachtschnellzug um elf Uhr zehn. Natürlich konnte von einem Attentat gegen den Tagesschnellzug nicht die Rede sein – also handelte es sich darum, auf den Elfuhrzehnzug aufzupassen. Er hatte es auch erreicht, daß die Lokomotive Nummer 72 diesem Zuge nicht beigegeben wurde.
Der Detektiv wußte ganz gut, daß man ihm nachspionierte. Nie war er auf der Straße so vielen starrenden Augen begegnet wie jetzt, und er bemerkte einzelne fremde Menschen, die immer wieder und wieder seinen Weg kreuzten.
Unterdessen schlich der Tag dahin. Der Abend begann zu dämmern.
Gegen neun Uhr wurde Krag aus dem Hotel gemeldet, daß der Schwarze wieder bei Barra gewesen war. Nach Verlauf einer halben Stunde war er fortgegangen.
Krag fragte, ob etwas passiert sei, während er sich in Barras Zimmer aufhielt.
»Nein,« antwortete der Portier, »nichts anderes, als daß Barra, sowie der Schwarze gekommen war, dem Kellner läutete und ihm sagte, daß er den Rest des Abends absolut ungestört sein wolle. Er wäre müde nach der vorhergegangenen schlaflosen Nacht. Gleich darauf war der Schwarze fortgegangen.«
Krag bereute, daß er keine Wache vor dem Hoteleingang aufgestellt hatte, aber jetzt ließ sich ja nichts mehr tun. Um halb elf Uhr rief er das Hotel telephonisch an und fragte, ob Barra noch immer schlafe. Ja, lautete die Antwort, in seinem Zimmer sei alles still, Barra schlafe noch immer.
Um halb zwölf Uhr klingelte er mit derselben Frage an und bekam dieselbe Antwort.
Aber plötzlich packte den Detektiv ein furchtbarer Gedanke, der ihn bleich wie der Tod machte.
Asbjörn Krag griff nach seinem Hute und stürzte zur Türe hinaus.
Vor der Polizeistation hielt er eine fahrende Droschke auf. Er zeigte seine Polizeikarte und rief den Namen des Hotels.
»Fahren Sie wie besessen,« rief er.
Der Kutscher drehte den Wagen, er knallte ein paarmal mit der Peitsche, und dann rollte Asbjörn Krag mit rasender Geschwindigkeit durch die Straßen dahin. Die Leute sahen sich um und riefen dem Wagen Bemerkungen nach, weil er mit so wahnwitziger Hast fuhr.
Ein paar Minuten später war Krag vor dem Hotel.
Der Portier empfing ihn im Stiegenhaus. Aus dem Gesicht des Detektivs konnte er entnehmen, daß etwas Ernstes vorgefallen sein mußte.
»Führen Sie mich sofort in Ingenieur Barras Zimmer,« sagte er.
»Aber er hat gewünscht, ungestört zu sein.«
»Das hat gar nichts zu sagen. Führen Sie mich nur in sein Zimmer.«
Der Detektiv und der Portier sprangen in den Fahrstuhl, der sie rasch in das dritte Stockwerk brachte.
Der Portier wies auf eine Türe.
»Nummer 34,« sagte er.
Krag ging zu der angewiesenen Türe und klopfte an. Niemand antwortete. Er klopfte stärker. Noch immer keine Antwort.
Der Detektiv rüttelte an der Türe. Sie war von innen versperrt.
Der Portier begann unruhig zu werden.
»Die Gäste daneben sind alle zur Ruhe gegangen,« sagte er. »Wenn Sie so lärmen, wecken Sie das ganze Hotel auf.«
Asbjörn Krag antwortete nicht.
»Rufen Sie den Direktor,« befahl er.
Eine Minute später war der Direktor zur Stelle und fragte, was denn um Himmelswillen da vorgehe.
Asbjörn Krag machte ihn aufmerksam, wer er war, und verlangte dediziert, Ingenieur Barra zu sprechen. Er wies die Arrestorder vor.
»Gut,« antwortete der Direktor, »da bleibt nichts anderes übrig, als zu öffnen.«
Er klopfte nun ebenfalls an die Türe und schrie hinein, daß aufgemacht werden müsse. Aber es kam keine Antwort.
»Sie sind sicher, daß er drinnen ist?« fragte der Direktor.
»Ganz sicher,« erwiderte der Portier, »ich habe ihn nicht ausgehen sehen.«
Der Direktor rüttelte an der Klinke und rief noch einmal, aber es kam noch immer keine Antwort.
»Vielleicht ist er doch zu einem rückwärtigen Ausgang hinausgegangen,« murmelte er, »das sieht ganz mysteriös aus.«
Aber Asbjörn Krag wies auf das Schlüsselloch.
»Der Schlüssel steckt doch innen.«
Der Direktor schien ratlos.