Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten. Sven Elvestad

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Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten - Sven Elvestad

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sah nach dem Wetter, einzelne folgten ihm mit den Blicken und lächelten halb verdrießlich, halb höhnisch, als wüßten sie, was er im Sinn hatte.

      »Willst du schon gehen, Segelmacher?« fragte einer von ihnen.

      Segelmacher Jan wandte sich um und lehnte sich an den Türpfosten. Er hatte einen großen struppigen Bart, der, wenn er sprach, fast ganz den Mund verdeckte, seine asthmatische Summe klang sehr undeutlich. Sein Kopf war unnatürlich schwer für den schmächtigen Körper, und daß er ihn zur Brust hinabgebeugt hielt, gab ihm etwas Heimtückisches. Wenn er vor sich hinsah, wurde ein Streifen des weißen Augapfels unter den Pupillen sichtbar, was seinen Augen einen schielenden Blick gab. Er antwortete nicht direkt auf die Frage.

       »Wir kriegen morgen gutes Wetter, denk ich,« sagte er, »eine feine Brise von Südost.«

      »Wie kannst du das sehen, Segelmacher?« fragte einer am Tisch, »der Himmel ist ja pechschwarz, und kein Mondstrahl dringt durch die Wolken.«

      »Ich weiß es«, erwiderte der Segelmacher. »Ich erinnere mich noch ganz genau, so war es auch an jenem Abend vor zwanzig Jahren. Zwanzig Jahre ist es jetzt her«, wiederholte er und steuerte wieder auf den Trinktisch zu.

      Drüben kicherte einer. Das war der Schuster Julius, ein kleiner dünner Kerl, der zwischen zwei breiten Fischern beinahe verschwand. Er hatte jenes Fadenscheinige in seiner Erscheinung, das Leuten seines Berufs in sehr engen Gemeinwesen eigen zu sein pflegt; sein Gesicht war fahlgrau, so als hätte er sich nie ordentlich reingewaschen, sein Bart hing zerfranst herab.

      Der Schuhmacher entdeckte, daß die anderen anerkennend lachten, und da sagte er:

      »Darum meinst du vielleicht, daß etwas passieren muß, Segelmacher, weil es zwanzig Jahre her ist. Ich sehe dich noch, wie du an demselben Abend vor zehn Jahren warst. Da hast du dich auch herumgedrückt und nachdenklich das Wetter angeguckt und zu prophezeien angefangen – du feierst da so eine Art Jubiläum.«

      »Der Segelmacher glaubt an Wunder«, bemerkte ein anderer.

      Und nun kam es von einem nach dem andern vom Tisch her:

      »Er glaubt an die Worte der Schrift: Du sollst nicht zweifeln.«

      »Aber das Abenteuer ist vorbei.«

      »Er ist eigentlich glücklich, der Segelmacher, denn er hat die Hoffnung nicht aufgegeben. Er und sie dort draußen – die Hexe.«

      Der Sprechende wies mit einer Geste in den dunklen Flur. Vielleicht hatte jemand draußen die Bemerkung gehört, denn für einen Augenblick blieb der krumme, drohende Schatten wie lauschend stehen. Da wurde es ganz still in der Schankstube, aber dann glitt der Schatten wieder in das Dunkel zurück, und das seltsame Gespräch ging weiter, diese stechenden, feindseligen Worte, die ein Geheimnis verrieten, das alle kannten:

       »Nicht einmal die Pfaffen gaben noch Hoffnung, weder der alte, der fort ist, noch der neue, der kam.«

      »Nein, das ist, weiß Gott, wahr. Es wird immer nur öder und hoffnungsloser hier um das Fährhaus.«

      »Wir sterben auch einer nach dem andern, wir sind unser nicht mehr viele.«

      »Aber wir, die wir noch da sind, wir warten alle«, meinte der Segelmacher. Sein unheimlicher Blick bekam einen eigenen, triumphierenden Glanz:

      »Ich weiß es,« fuhr er fort, »ihr tut nur so, als ob ihr nicht mehr glauben würdet. Aber keiner hat die Hoffnung ganz aufgegeben, das ist die Wahrheit, denn keiner hier von uns weiß etwas. Nichts wissen wir. Ihr hört mich alle gern so reden, wie ich rede, denn es tut euch wohl, mir zu widersprechen, es liegt auch im Widerspruch eine Art Trost, weil er einen ganz kleinen Zweifel oder eine ganz kleine Hoffnung offenläßt, wie ihr wollt. Und mit mir ist es auch anders als mit euch. Ich habe meine Segelwerkstatt.«

      »Die Dunkelkammer ...«, brummte einer.

       »Die Dunkelkammer, ja«, erwiderte der Segelmacher bitter. »Das ist schon richtig, daß es dort drinnen immer dunkler und dunkler wird. Auf den Fenstern liegt jahrzehntealter Staub, von einem Jahr zum andern kann ich merken, wie das Licht abnimmt und sie immer blinder werden. Ist mir recht so, es liegt etwas so Menschliches darin. Es ist etwas von meinem eigenen Leben in dieser Werkstatt, so senken die Jahre auch ihr Dunkel über mich. Aber wenn ich hineinkomme, so habe ich die Erinnerungen an das Vergangene viel deutlicher um mich, als ihr andern sie haben könnt. Das liegt an der alten Luft dort drinnen, am Halbdunkel und dann an dem Geruch von Segeltuch und Takelwerk und Teer. Wenn ich dort drinnen stehe und Atem schöpfe, ist es mir, als wenn ich die Brigg wieder aus dem Sunde gehen sähe, wie vor zwanzig Jahren, wißt ihr nicht mehr, wie sie in der Südostbrise duftete, frisch geteert und fein? Wenn ich diesen Duft wieder spüre, da wird die Hoffnung wieder lebendig, ich glaube, ich ahne die Brigg irgendwo weit draußen auf dem Meer, weit, weit weg unter einem anderen Himmel – aber noch da.«

      Der Segelmacher hatte die Stimme zu einem heiseren Röcheln gesenkt, und es wurde merkwürdig still in der Stube. Die Leute wetzten unwillig auf den Stühlen, als erbitterte es sie, daß man ihnen diese Erinnerung aufdrängte. Plötzlich trat eine Erscheinung aus dem Flur, es war der krumme Schatten, der nun in der Gestalt eines alten Weibes auflebte, gebückt, mit einem zigeunerhaft dunklen, scharfgeschnittenen Gesicht, das war die Herbergsmutter Kaisa. Sie war in grobes, bauerngewebtes Zeug gekleidet, und an den Füßen hatte sie Männerröhrenstiefel. Aber über dem dunklen Leibchen funkelte eine dicke Halskette aus Gold, an ihren gekrümmten Fingern und in den Ohren leuchteten Ringe. Sie blieb einen Augenblick stehen und nickte dem Segelmacher zu, dabei lächelte sie vielsagend. Dann sagte sie mit geheimnisvoller Betonung:

      »Ich habe deine Worte gehört, Segelmacher. Ich weiß auch, was ich weiß.«

      Plötzlich wandte sie sich an die andern am Admiralstisch, und mit harter, gebieterischer Stimme sagte sie kurz:

      »Man ruft.«

      Sigvard erhob sich sofort.

      Ein anderer öffnete die große Tür nach dem Fluß zu. Das Brausen des strömenden Wassers drang abgeschwächt in die Stube, und der Luftzug stieß eine Rußsäule aus der Lampe. Alle horchten.

      Durch das Brausen hörte man aus weiter Ferne von der anderen Seite des Flusses eine rufende Stimme:

      »Hol über ... hol über!«

      Der junge Sigvard ging rasch auf die Tür zu.

      »Ich nehme das Boot«, sagte er.

      II. Die »Glücksprobe«

       Inhaltsverzeichnis

       Von einem Haken neben der Tür nahm Sigvard seine Mütze, eine runde Winterhaube aus Schafspelz, er wand auch eine wollene Schärpe um den Hals, es war noch Vorfrühling, und an den kalten Flußufern blieb der Frost lange in der Luft hängen. Dann ging er durch die breite Doppeltür hinaus. Die Herbergsmutter Kaisa blieb stehen und sah ihm nach. Eine Weile blieb es still rings um den großen Tisch, man konnte Sigvards Schritte die Holzstufen hinunter hören, die zu einer Brücke führten. Kaisa bog ihren mageren Kopf vor und starrte in die Dunkelheit, sie war wie ein ungeheurer Rabe, der auslugt. Es gab nichts anderes zu sehen, als eine baumelnde angezündete Laterne unten auf der Brücke. Da machte Sigvard das Boot klar. Kaisa schloß die schwere Tür wieder zu.

      Während

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