Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten. Sven Elvestad
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Читать онлайн книгу Detektiv Asbjörn Krag: Die bekanntesten Krimis und Detektivgeschichten - Sven Elvestad страница 7
Während der Detektiv noch in diese Gedanken versunken dasaß, trat der Polizeichef zu ihm ein. Krag sah sofort, daß er etwas auf dem Herzen hatte.
»Finden Sie nichts Merkwürdiges an diesem Geldschrank, abgesehen davon, daß er klarerweise einem Einbruch ausgesetzt war?« fragte er.
»Ja,« erwiderte der Detektiv, »an diesem Geldschrank ist allerlei Merkwürdiges. Was sofort in die Augen fällt, ist ja, daß sich nicht ein einziger unbezahlter Wechsel darin vorfindet. Hingegen eine Menge anderer Papiere. Wo hat der Wucherer seine Wechsel?«
»Genau, was ich dachte,« sagte der Chef. »Und ob das nicht so zu verstehen ist, daß mehrere an dem Verbrechen beteiligt waren – und daß sie die Wechsel vernichtet haben?«
»Sehr möglich. Aber das Wahrscheinlichste ist doch, daß Jaerven seine Wertpapiere in der Bank deponiert hat?«
»Das können wir baldigst feststellen,« sagte der Chef, »ich werde sofort telephonieren ...«
Er verschwand in sein Kontor. Als er bald darauf zurückkehrte, sagte er:
»Ja, ganz richtig. Jaerven hat ein Safe in dem feuersicheren Gewölbe der Bank gemietet. Da das Gerücht von der vermutlichen Ermordung des Wucherers schon dorthin gedrungen ist und große Bestürzung hervorgerufen hat, hat mir der Bankdirektor die Erlaubnis gegeben, die von Jaerven in der Bank deponierten Papiere zu untersuchen. Ich gehe sofort hin. Sie kommen doch mit?«
Krag erwiderte:
»Für den Augenblick ist es nicht von großem Interesse für mich, diese Papiere zu sehen. Es genügt vollständig, wenn Sie sie untersuchen. Ich habe jetzt anderes vor. Aber ich möchte Sie bitten, mir namentlich eine Information zu verschaffen: Welche Indossenten die Wechsel des Kommissionsagenten Bruun und des Leutnants Hjelm auf 3000 bzw. 2000 Kronen unterschrieben haben. Die Wechsel sind am Zehnten und Elften fällig. Jaerven ist, wie Sie sich erinnern werden, am Zwölften verschwunden.«
Der Polizeichef verstand sofort, was er meinte, und notierte sich die Namen.
»Das habe ich mir auch gedacht,« sagte er, »wenn der Verbrecher einer von Jaervens Schuldnern ist, dann muß es einer sein, dessen Wechsel an dem Tag fällig war, an dem der Wucherer verschwunden ist.«
Damit ging der Chef.
Krag blieb einige Minuten in tiefen Gedanken sitzen, während er seine Zigarette rauchte. Dann stand er plötzlich auf, trat an ein Bücherbrett und nahm einen Adreßkalender heraus. Sobald er gefunden hatte, was er suchte, ging er fort.
Beim nächsten Standplatz nahm er eine Droschke und fuhr in der Richtung der Bygdöer Allee fort.
– – – Unterdessen war der Polizeichef in der Bank angelangt, wo er den Präsidenten der Direktion traf, der ihn sofort in die feuerfesten Gewölbe der Bank geleitete. Hier lagen die Privat-Safes in Reih und Glied. Agent Jaervens Safe trug die Nummer 29; es wurde geöffnet, und man begann sofort die Papiere zu durchsuchen.
Der Polizeichef bat, ihm die zwei Wechsel zu zeigen, die vom Kommissionsagenten Bruun und Leutnant Hjelm unterschrieben waren. Der erste war vom Konsul A. C. Brunn indossiert.
Der Direktor der Bank war sehr erstaunt, als er den Namen des Konsuls auf diesem Wechsel des Wucherers erblickte.
»Das ist doch seltsam,« sagte der Polizeichef, »der Konsul ist so reich, daß man einen Wechsel mit seinem Namen in jeder Bank anbringen kann, da braucht man sich doch nicht erst an einen Wucherer zu wenden.«
»Selbstverständlich,« erwiderte der Bankdirektor, »und wenn der Wechsel auch auf 300 000 Kronen gelautet hatte anstatt auf 3000. Da muß sicherlich etwas dahinterstecken.«
Und er sah dem Polizeichef mit einem bedeutungsvollen Blick in die Augen.
»Es wird jedenfalls notwendig sein, sich der Person dieses Kommissionsagenten zu versichern,« sagte der Polizeichef.
Der Bankdirektor fügte hinzu:
»Aber gleichzeitig möchte ich Sie bitten, seinen Onkel, den Konsul, rufen zu lassen. Hier handelt es sich ja um nichts Geringeres, als daß seine im ganzen Lande bekannte Familie vielleicht durch einen aufsehenerregenden Skandal bemakelt werden soll. Wenn der Wechsel falsch ist – und man ist unleugbar versucht, es zu glauben –, dann bin ich überzeugt, daß der Konsul das Geld bezahlen wird, um den Skandal zu vermeiden.«
Der Polizeichef nickte. Die anderen bemerkten, daß er plötzlich sichtlich bewegt schien. Nach einigen Augenblicken des Schweigens sagte er:
»Hier handelt es sich nicht nur um eine Fälschung.«
Der Direktor zuckte zusammen.
»Was meinen Sie?«
»Wie Sie wissen, spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, daß Jaerven ermordet worden ist.«
»Wir haben es gehört.«
»Und die Polizei nimmt mit Bestimmtheit an, daß der Mörder ein Mann ist, der an einem bestimmten Tag seinen Wechsel nicht einlösen konnte. Jaerven pflegte in solchen Fällen nicht schonend vorzugehen.«
»Das ist wahr.«
»Wenn nun dieser Wechsel, der am Zehnten fällig war, also zwei Tage vor Jaervens Verschwinden, sich als falsch erweist, dann liegt ja die Vermutung nahe, daß der Kommissionsagent zu einem verzweifelten Mittel gegriffen hat, um der Entdeckung der Fälschung zu entgehen. Ein Verbrechen zieht stets ein anderes nach sich.«
»Aber der Kommissionsagent mußte sich doch sagen,« wendete der Bankdirektor ein, »daß die Fälschung ja doch früher oder später entdeckt werden mußte, da der Wechsel ja nicht beseitigt werden konnte.«
»Es hat sich aber gezeigt, daß der Mörder die eiserne Kasse des Wucherers, sowie andere Aufbewahrungsorte durchstöbert hat, um ihn zu finden. Es ist ganz klar, daß er im Besitz der Schlüssel des Wucherers gewesen sein muß. Er hat die äußere Tür mit dem richtigen Schlüssel geöffnet; aber um in das innerste Fach der eisernen Kasse zu gelangen, mußte er Gewalt anwenden. Vermutlich hat der Wucherer den Schlüssel zu diesem Fach nicht bei sich getragen.«
»Es liegt ja nahe, anzunehmen, daß der Betreffende nach seinem Wechsel gesucht hat,« warf der Bankdirektor ein. »Und wenn er soviel wie einen Mord wagte, um ihn zu erlangen, dann muß es –«
Der Bankdirektor hielt inne und sah den Polizisten an.
Dieser ergänzte:
»Dann muß der Wechsel falsch gewesen sein.«
»Ich verfolge den Gedanken weiter,« fuhr der Direktor fort, »wenn nun der Wechsel dieses Kommissionsagenten falsch ist, dann muß zweifellos der Verdacht auf ihn fallen.«
Der Chef des Sicherheitsbureaus nickte.
»Das wollen wir eben feststellen,« sagte er.
Der Polizist und der Bankdirektor verließen zusammen die Lokale der Bank und begaben sich sofort in das Polizeigebäude.