Der Bergpfarrer Staffel 8 – Heimatroman. Toni Waidacher
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Christel fühlte, wie es ihr schwindelte. Der Lärm der Menschen, die laute Musik – alles schien im Moment so weit von ihr entfernt.
Wäre jetzt neben ihr eine Kanone abgefeuert worden, sie hätte den Knall wohl nicht gehört.
Erst als jemand ungeduldig und heftig an die Scheibe des Kassenhäuschens klopfte, schien es, als wache sie auf. Draußen stand ihr Vater und blickte sie kopfschüttelnd an.
»Was ist denn los mit dir?« fragte er. »Du läßt es schon drei Minuten über die Zeit laufen.«
Christel sah ihn erschrocken an.
»Was? Ach du liebe Güte«,
rief sie. »Ich hab’s ganz verges-sen.«
»Das hab’ ich gemerkt«, knurrte ihr Vater.
Normalerweise drehte sich das Karussell genau fünf Minuten. Eine kleine Uhr, die neben der Geldkassette lag, zeigte an, wann der Bremshebel betätigt werden mußte, um das Karussell langsam ausfahren zu lassen.
Wenzel Ottinger sah seine Tochter forschend an.
»Geht’s dir net gut?« fragte er. »Bist’ krank? Soll ich dich ablösen?«
Christel schüttelte den Kopf.
»Nein, nein«, erwiderte sie. »Mir geht’s gut. Ich war bloß eben mit meinen Gedanken woanders und hab’ net auf die Uhr geschaut. Es kommt net wieder vor.«
»Na, hoffentlich«, sagte der alte Schausteller. »Wir haben nämlich nix zu verschenken.«
Mit diesen Worten schlurfte er in Richtung seines Wohnwagens.
Karsten Steiner, der die kleine Szene beobachtet hatte, kam her-über. Natürlich war es ihm auch aufgefallen, daß das Karussell zu lange gefahren war. Gerade, als er an das Kassenhäuschen gehen wollte, um zu fragen, was los sei, sah er den Chef schon dort stehen.
»Was war denn los?« erkundigte er sich, während er die eingesammelten Fahrchips auf die Matte legte.
Christel nahm sie und zählte sie durch. Dann legte sie sie auf einen Stapel und schüttelte den Kopf.
»Ach nix«, sagte sie.
Karsten entging nicht, daß sie an ihm vorbei zu jemandem hinsah, der am Karussell stand. Er drehte sich ebenfalls um und schaute in die Richtung. Dort stand ein junger Mann und unterhielt sich mit einem kleinen Kind. Vermutlich seine Tochter, Karsten hatte beobachtet, wie er der Kleinen zuvor einen Chip zugesteckt hatte.
Aber warum betrachtete Christel den Mann so intensiv? Kannte sie ihn vielleicht?
»Wer ist denn das?« fragte er und deutete mit dem Kopf auf Thomas Hofstetter.
»Woher soll ich dass wissen?« fragte Christel ungehalten zurück. »Ein Besucher halt.«
Sie wich seinem Blick aus und war erleichtert, als der Schaustel-lergehilfe zur Seite treten mußte, weil eine junge Frau an die Kasse wollte.
Karsten ließ sich indes nicht mit dieser Erklärung abspeisen. Er erinnerte sich, daß der Mann mit dem Kind gestern nachmittag schon dagewesen war. Über eine Stunde hatte er das Kind fahren lassen. Das war ungewöhnlich und hatte den jungen Mann eine schöne Stange Geld gekostet.
Außerdem erinnerte sich Karsten, daß der Bursche andauernd auf das Kassenhäuschen gestarrt hatte. Jetzt freilich, wenn er sich Christels merkwürdiges Verhalten vergegenwärtigte, dann konnte er sich schon einen Reim darauf machen...
Hatte das Madl eben gelogen? Kannten die beiden sich doch?
Karsten spürte, wie ihm das Herz schwer wurde und brennende Eifersucht in ihm aufstieg.
Wenn Christel und der Mann sich hier nicht zum ersten Mal sahen, war es dann nur eine flüchtige Bekanntschaft?
Oder steckte mehr dahinter? War der Mann vielleicht der Grund für die ablehnende Haltung des Madls, ihm gegenüber?
Fragen über Fragen, und Karsten Steiner wußte, daß ihm nur ein Mensch darauf antworten konnte – Christel.
Aber würde sie es auch wollen...?
*
Max Trenker hatte auf dem Festplatz ein provisorisches Polizeirevier aufgebaut. Es befand sich in einer kleinen Holzhütte, und viel mehr, als einen Tisch und ein paar Stühle gab es nicht darin. Als Christian Ruland den Beamten dort aufsuchte, saß Max gerade alleine dort, während sein Kollege aus der Kreisstadt Streife ging.
»Da hast’ mir ja schöne Neuigkeiten am Telefon berichtet«, begrüßte er den Förster.
Christian winkte ab und setzte sich auf einen angebotenen Stuhl.
»Mir wär’ auch lieber, ich hätt’ auf den Anruf verzichten können«, erwiderte er. »Was sagt denn der Polizeicomputer?«
»Net viel«, gab Max zurück. »Alle, die in Frage kommen, sitzen noch ein. Ich hab’s genau überprüft. Der erste wird in drei Wochen entlassen.«
Die Miene des Forstbeamten verfinsterte sich.
»Dann haben wir’s also mit einem Unbekannten zu tun«, stellte er fest. »Möglicherweise mit einem, der gar net von hier kommt.«
Max Trenker zuckte die Schultern.
»Möglich. Es ist ja kein Kunststück, mit dem Auto schnell einige Kilometer hinter sich zu bringen«, meinte er.
»Da werden wir wohl heut’ nacht Streife gehn müssen«, sagte Christian. »Soll ich noch ein paar Leut zusammentrommeln?«
»Damit würd’ ich noch abwarten«, entgegnete der Polizist. »Die Stelle, an der dein Hund auf die Reste gestoßen ist, liegt net weit ab von der Kreisstraße. Ich würd’ denken, daß der Wilderer mit Auto gekommen ist. Wenn er’s noch mal tut, wird er seine Vorgehensweise net ändern. Dafür spricht auch, daß er das Wild gleich an Ort und Stelle zerlegt hat. Er muß sich recht sicher gefühlt und das Fleisch dann gleich mit dem Wagen abtransportiert haben. Ich würd’ vermuten, daß es reicht, wenn wir beide uns die Nacht um die Ohren schlagen und uns dort verstecken, wo dein Nero fündig geworden ist. Irgendwo am Wildwechsel wird’s der Kerl versuchen, und dann schnappen wir ihn uns.«
»Und wenn’s zwei sind?«
»Mit denen werden wir auch noch fertig.«
Christian Ruland schmunzelte.
»Mein Schwiegervater wird auf jeden Fall auch mit von der Partie sein«, verkündete er.
»Na also, dann kann doch gar nix schiefgehn«, lachte Max.
Sie besprachen, wie sie vorgehen wollten und verabredeten eine
Zeit.
»Wie geht’s eigentlich der Claudia?« erkundigte sich Christian, bevor er aufbrach. »Kommt sie heut’ herüber?«
Max machte ein sauertöpfisches Gesicht. Seine Liebste,