Die wichtigsten Werke von Leo Tolstoi. Leo Tolstoi

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Die wichtigsten Werke von Leo Tolstoi - Leo Tolstoi

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und hatte über die Mütze ein Tuch gebunden. Er war sichtlich betrunken, umarmte den Soldaten, der neben ihm saß, und sang mit heiserer Stimme ein französisches Liedchen. Die Soldaten blickten ihn lachend an. »Nun, nun, du da, belehre mich! Ich begreife schnell! Wie heißt es?« sagte der Spaßvogel, den Morel umarmte.

      »Vive Henri quatre,

       Vive ce roi vaillant!

       Ce diable à quatre«,

      sang Morel, mit den Augen blinzelnd.

      »Wiwarika,

       Wiwseruwaru

       Sidjablaka!«

      wiederholte der Soldat, indem er wirklich die Melodie traf.

      »Hohoho! Prachtvoll!« riefen die groben Stimmen. Auch Morel lachte.

      »Nun weiter! Noch mehr, noch mehr!«

      »Qui eut le triple talent

       De boire, de battre

       Et d’ être un vert galant.«

      »Nun, das klingt auch ganz gut. Nun, nun, Saletajew!«

      »Küji«, begann Saletajew mit Mühe.

      »Kijü letriptala

       De bu de ba

       I detrawagala.«

      »Siehst du, so ein Franzos, prachtvoll! Oihohoho! Willst du noch essen?«

      »Gib ihm Grütze! So ein Verhungerter wird nicht gleich wieder satt.«

      Wieder gaben sie ihm Grütze, und Morel aß lachend auch den dritten Kessel aus.

      »O Himmel! O Himmel! Wie sternenklar!« bemerkte ein alter Soldat. »Es wird eine schreckliche Kälte geben!« …

      Bald wurde es still.

      248

       Inhaltsverzeichnis

      Je weiter die Franzosen flohen, je kläglicher ihre Überreste wurden, besonders nach der Schlacht an der Beresina, auf die man in Petersburg so große Hoffnungen gesetzt hatte, um so heftiger wurden auch die gegenseitigen Beschuldigungen der russischen Heerführer, und ihre Geringschätzung sprach sich immer stärker gegen Kutusow aus, wenn auch in so höflicher Form, daß Kutusow nicht darauf antworten konnte. Alles, was er sagte, zum Beispiel, man müsse auf Proviant warten, die Leute haben keine Stiefel, war so einfach, und alles, was andere vorschlugen, war so kompliziert und klug, daß sie überzeugt waren, er sei alt und einfältig, sie aber geniale Heerführer. Besonders nach der Vereinigung mit der Armee des glänzenden Admirals Wittgenstein, des Helden Petersburgs, stieg diese Meinung und dieses Geschwätz in den Generalstäben bis zur äußersten Grenze. Der Großfürst Konstantin kam bei der Armee an und teilte Kutusow mit, daß der Kaiser über die schwachen Erfolge unserer Truppen und ihre langsamen Bewegungen unzufrieden sei und in nächster Zeit selbst bei der Armee eintreffen werde. Kutusow, der im Hofleben so erfahren und gegen den Willen des Kaisers zum Oberkommandierenden ernannt worden war, der den Thronfolger von der Armee entfernt und gegen den Willen des Kaisers Moskau aufgegeben hatte, begriff wohl, daß seine Rolle ausgespielt war.

      Am 29. November kam Kutusow in Wilna an, wo er alte Freunde und Erinnerungen traf. Er fühlte sich der Ruhe bedürftig, wandte sich von den kriegerischen und politischen Dingen ab, als ob alles, was jetzt in der historischen Welt vorging, ihn nichts mehr angehe.

      Gegen den Willen des Kaisers hielt Kutusow in Wilna den größten Teil der Truppen zurück. Nur ungern beschäftigte er sich mit der Armee; wie seine Umgebung sagte, war er sehr ermüdet und hinfällig, überließ alles seinen Generalen und gab sich in Erwartung des Kaisers Zerstreuungen hin. Am 7. Dezember verließ der Kaiser Petersburg in Begleitung des Grafen Tolstoi, des Fürsten Wolkonsky, Araktschejews und einer großen Suite, und kam am 11. Dezember in Wilna an. Trotz der strengen Kälte standen vor dem Schloß etwa hundert Offiziere des Generalstabes in voller Uniform, sowie eine Ehrenwache vom Semenowschen Regiment. Ein Kurier, der dem Kaiser vorausgefahren war, schrie: »Er kommt!« Konownizin eilte zu Kutusow, um ihm dies zu melden. Sogleich erschien die dicke Gestalt des Alten in voller Uniform mit allen Orden schwankend auf der Vortreppe des Schlosses und stieg seitwärts mühsam die Stufen herab. Alle Augen richteten sich auf den Schlitten, der in vollem Lauf sich näherte und in welchem schon der Kaiser und Wolkonsky sichtbar wurden.

      Der General war in heftiger Erregung, befühlte sich hastig und rückte den Hut zurecht. Als der Kaiser aus dem Schlitten stieg, faßte er sich, überreichte den Rapport und begrüßte ihn mit seiner gewöhnlichen Stimme.

      Der Kaiser betrachtete Kutusow mit einem raschen Blick vom Kopf bis zu den Füßen. Sein Gesicht verfinsterte sich einen Augenblick, sogleich aber trat er mit ausgebreiteten Armen auf den alten General zu und umarmte ihn. Darauf begrüßte der Kaiser die Offiziere und die Ehrenwache, reichte nochmals dem Alten die Hand und ging mit ihm ins Schloß. Als der Kaiser mit dem alten Feldmarschall allein war, sprach er seine Unzufriedenheit über die langsame Verfolgung und über die Mißgriffe bei Krasnoje und an der Beresina aus und äußerte seine Ansicht über den künftigen Feldzug jenseits der Grenze. Kutusow erwiderte nichts, und seine Miene zeigte denselben gehorsamen, gedankenlosen Ausdruck wie vor sieben Jahren, als er bei Austerlitz den Befehl des Kaisers empfing. Am anderen Tage fand beim Feldmarschall ein Diner und Ball statt, an welchem der Kaiser teilnahm. Kutusow erhielt den Georgenorden erster Klasse, und der Kaiser erwies ihm hohe Ehren, aber alle wußten, daß der Kaiser mit dem Feldmarschall unzufrieden war. Als Kutusow auf dem Ball nach alter Gewohnheit aus der Zeit Katharinas beim Eintritt des Kaisers in den großen Saal ihm die eroberten Fahnen zu Füßen legen ließ, verfinsterte sich die Miene des Kaisers, und einige hörten seine Bemerkung: »Alter Komödiant!«

      Die Unzufriedenheit des Kaisers mit Kutusow stieg in Wilna besonders deshalb, weil Kutusow die Bedeutung des bevorstehenden Feldzugs nicht begreifen konnte oder wollte. Als der Kaiser am folgenden Morgen den um ihn versammelten Offizieren sagte: »Sie haben nicht nur Rußland, sondern auch Europa gerettet«, begriffen alle, daß der Krieg noch nicht zu Ende sei. Nur Kutusow wollte das nicht begreifen und sprach offen seine Meinung aus, der neue Krieg könne Rußland keinen Vorteil bringen und seinen Ruhm nicht erhöhen. Er versuchte, dem Kaiser die Unmöglichkeit zu beweisen, neue Truppen auszuheben, und sprach von dem schweren Druck, der auf dem Volk laste, von der Möglichkeit eines Mißerfolgs und so weiter. Um den Alten zu schonen, übernahm der Kaiser selbst den Oberbefehl. Einige Veränderungen fanden im Generalstab statt.

      249

       Inhaltsverzeichnis

      Peter empfand das volle Gewicht der physischen Entbehrungen, die er in der Gefangenschaft erduldet hatte, erst dann, als sie ihr Ende erreicht hatten. Nach seiner Befreiung fuhr er nach Orel, wo er am dritten Tage nach seiner Ankunft erkrankte und drei Monate lang krank lag. Obgleich ihn die Ärzte behandelten, ihm Blut abzapften und Medizin zu schlucken gaben, genas er dennoch. Alles, was er seit seiner Befreiung erlebt hatte, hinterließ fast keinen Eindruck. Er erinnerte sich nur des trüben Regenwetters und Schneetreibens, der innerlichen physischen Schmerzen, des Krankheitsgefühls, an die Schmerzen in den Füßen und in der Seite. Er erinnerte sich des allgemeinen Unglücks und der Lage des Volkes, der Neugierde

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