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John Rowell wäre in der Nacht ermordet worden.

      Eine halbe Stunde später betrat ich mit dem Gendarmerie-Hauptmann das Haus des Engländers. Der Diener stand ganz verzweifelt vor der Thür und weinte. Ich hatte zuerst den Mann in Verdacht, aber er war unschuldig. Den Schuldigen hat man nie entdecken können.

      Als ich in das Wohnzimmer des Sir John Rowell. trat, sah ich auf den ersten Blick mitten in dem Raum die Leiche auf dem Rücken liegen. Die Weste war zerrissen, ein Ärmel hing herab, alles deutete darauf hin, daß ein furchtbarer Kampf stattgefunden hatte.

      Der Engländer war erwürgt worden, sein schwarzes, gedunsenes Gesicht hatte etwas Gräßliches und schien ein furchtbares Entsetzen auszudrücken. Zwischen den zusammengebissenen Zähnen steckte etwas und sein blutiger Hals war von fünf Löchern durchbohrt, als wären fünf Eisenspitzen dort eingedrungen.

      Ein Arzt folgte uns, er betrachtete lange die Fingerspuren im Fleisch und that die seltsame Äußerung:

      – Das ist ja, als ob er von einem Skelett erwürgt worden wäre.

      Ein Schauder lief mir über den Rücken, und ich blickte zur Wand, auf die Stelle, wo ich sonst die entsetzliche Hand gesehen. Sie war nicht mehr da, die Kette hing zerbrochen herab.

      Da beugte ich mich zu dem Toten nieder und fand in seinem verzerrten Mund einen der Finger dieser verschwundenen Hand. Gerade am zweiten Glied von den Zähnen abgebissen, oder vielmehr abgesägt.

      Die Untersuchung wurde eingeleitet, man fand nichts, keine Thür war aufgebrochen worden, kein Fenster, kein Möbel. Die beiden Wachthunde waren nicht wach geworden.

      Die Aussage des Dieners war etwa folgende:

      Seit einem Monat schien sein Herr sehr erregt, er hatte viele Briefe bekommen, aber sie sofort wieder verbrannt. Oft nahm er in einem Wutanfall, fast tobsuchtartig, eine Reitpeische und schlug ein auf diese vertrocknete Hand, die an die Mauer geschmiedet und, man weiß nicht wie, zur Stunde, als das Verbrechen geschehen, geraubt worden war.

      Er ging sehr spät zu Bett und schloß sich jedesmal sorgfältig ein. Er hatte immer Waffen bei der Hand, manchmal sprach er Nachts laut, als zankte er sich mit jemandem. Diese Nacht hatte er aber zufällig keinen Lärm gemacht, und der Diener hatte Sir John erst ermordet vorgefunden, als er die Fenster öffnete. Er hatte niemandem im Verdacht.

      Was ich wußte, teilte ich dem Beamten und der Polizei mit, und auf der ganzen Insel wurde sorgfältig nachgeforscht - man entdeckte nichts.

      Da hatte ich eine Nacht, ein Vierteljahr nach dem Verbrechen, einen furchtbaren Traum. Es war mir, als sähe ich die Hand, die entsetzliche Hand wie einen Skorpion, wie eine Spinne längs der Vorhänge hinhuschen. Dreimal wachte ich auf, dreimal schlief ich wieder ein, dreimal sah ich dieses entsetzliche Überbleibsel um mein Zimmer herumjagen, indem es die Finger wie Pfoten bewegte.

      Am nächsten Tage brachte man mir die Hand, die man auf dem Kirchhof, wo Sir John Rowell begraben war, da man seine Familie nicht eruiert hatte, auf seinem Grabe gefunden hatte.

      Der Zeigefinger fehlte.

      Das, meine Damen, ist meine Geschichte, mehr weiß ich nicht.

      Die Damen waren bleich geworden, zitterten, und eine von ihnen rief:

      – Aber das ist doch keine Lösung und keine Erklärung, wir können ja garnicht schlafen, wenn Sie uns nicht sagen, was Ihrer Ansicht nach passiert ist.

      Der Beamte lächelte ernst:

      – O meine Damen, ich will Sie gewiß nicht um Ihre schönsten Träume bringen, ich denke ganz einfach, daß der Besitzer dieser Hand gar nicht tot war und daß er einfach gekommen ist, um sie mit der Hand wieder zu holen, die ihm übrig geblieben war; aber ich weiß nicht, wie er das angestellt hat. Das wird eine Art Vendetta sein.

      Eine der Damen flüsterte:

      – Nein, das kann nicht so gewesen sein!

      Und der Untersuchungsrichter schloß immer noch lächelnd:

      – Ich habe es Ihnen doch gesagt, daß meine Erklärung Ihnen nicht passen würde.

      Elternmord

       Inhaltsverzeichnis

      Der Verteidiger hatte auf Geistesgestörtheit plädiert. Wie sollte man sich sonst dieses seltsame Verbrechen erklären?

      Eines Morgens hatte man in Chatou zwei zusammengebundene Leichen gefunden, Mann und Frau, zwei bekannte Persönlichkeiten der guten Gesellschaft, reich, nicht mehr ganz jung, aber erst seit einem Jahr verheiratet, die Frau war jedoch seit drei Jahren Witwe gewesen.

      Man hätte keinen Feind nennen können, den sie gehabt. Ein Raubmord lag offenbar nicht vor, aber es war, als müßten sie über den Uferrand in den Fluß hinab geworfen worden sein, nachdem man sie beide, einen nach dem andern mit einem schweren Eisen erschlagen.

      Die Untersuchung hatte kein Ergebnis; die Schiffer wußten nichts, und die Sache würde eingeschlafen sein, hätte sich nicht ein junger Tischler aus dem benachbarten Dorf Georg Louis, allgemein ›der Bürger‹ geheißen, der Obrigkeit gestellt.

      Auf alle Fragen antwortete er nur:

      – Ich kannte den Herrn seit zwei Jahren, die Frau seit einem halben Jahr. Sie kamen oft zu mir, um alte Möbel reparieren zu lassen, denn ich verstehe mich darauf.

      Und als man ihn fragte:

      – Warum haben Sie sie denn ermordet? – antwortete er beharrlich:

      – Ich habe sie getötet, weil ich sie töten wollte! – Mehr war nicht herauszubekommen.

      Der Mann war offenbar ein natürlicher Sohn, der auf dem Land einer Ziehfrau übergeben und da vernachlässigt worden war. Er hieß nur Georg Louis, aber da er, als er größer wurde, seltsam aufgeweckt war, mit natürlichem Geschmack und allerlei Feinheiten, die seine Kameraden nicht besaßen, nannte man ihn den »Bürger« und gar nicht mehr anders.

      Er war Tischler geworden und galt für einen außerordentlich geschickten Handwerker; er schnitzte sogar in Holz.

      Man hielt ihn für etwas überspannt, Anhänger von kommunistischen, sogar nihilistischen Ideen. Er las viel Hintertreppenromane, und in den Volksversammlungen war er unter Bauern und Arbeitern ein einflußreicher, gewandter Redner.

      Der Verteidiger plaidierte auf Unzurechnungsfähigkeit.

      Wie konnte man in der That annehmen, daß dieser Arbeiter seine besten Kunden ermordet hätte, reiche und gut zahlende, (wie er anerkannte), die ihm seit zwei Jahren für dreitausend Franken Arbeitslohn eingebracht (seine Bücher wiesen es aus).

      Es gab nur eine einzige Erklärung: Geistesgestörtheit, die fixe Idee eines Kranken, der sich an allen Besitzenden, durch die Ermordung von zwei von ihnen, rächen will.

      Und der Verteidiger spielte in geschickter Weise auf den Spitznamen »der Bürger«, an und rief:

      – Ist das nicht eine Ironie, eine Ironie, die wohl im stande ist, den unglücklichen Menschen, der

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