Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger
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Читать онлайн книгу Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band) - Peter Rosegger страница 186
»Ah, Du kommst schon, Schreiner!« rief er ihm zu.
»Bart,« sagte der Wahnfred, faßte ihn an den Händen und wollte ihn rasch mit sich weiter zerren. »Bart, Du wirst es wissen, daß nicht mehr viel Zeit ist. Du hast sie ins Haus genommen und ihretwegen die Schergen geduldet um Deinen Wohnsitz. Du bist uns Freund gewesen, so wirst mir’s jetzt auch redlich sagen, was ich finden werde.«
»Beim Leben ist sie noch,« antwortete der Bart, »und dort im Dickicht ist der Schaub in Bereitschaft.«
Es war ein Bund aus den längste Kornhalmen des vergangenen Sommers. Wahnfred that ihn auseinander und legte sich hinein, und die Männer banden den Schaub über ihn zusammen. Dann legten sie ihn auf zwei Tragstangen und trugen ihn hin gegen das Haus im Tärn.
»Es ist nur ein Glück, daß die Wichte gestern zu einem Schießen gegangen und noch nicht zurückgekehrt sind,« sagte der Bart, »bis auf Einen, der noch vor der Hausthür sitzt und zu seinem Zeitvertreib mit dem Messer allerlei Figuren in die Wand schneidet. Um ihn zu täuschen, habe ich schon heute Morgens ein Paar Schaube ins Haus tragen lassen. In den ersten hat er mit seinem Spieß gestochen und hämisch gefragt, was wir da trügen? Ich habe ihn wiederum gefragt, ob er keinen Strohschaub kenne? Wenn nicht, so möge er zum Nachbar Freiwild gehen, uns das Stroh ausdreschen, die Schaube ins Haus tragen und auf den Dachboden legen helfen. Von Arbeit will er nichts wissen, der Landrab’, hat sich auf seine Bank gedrückt, beim zweiten Schaub hat er nicht mehr gefragt.«
»Weiß sie, daß ich komme?« fragte der Wahnfred im Strohbunde.
»Sei still, Schreiner, wir kommen schon ans Haus.«
Sie trugen die Last über den Anger, sie trugen dieselbe zwischen der Baumgruppe durch, die als Schutzwart gegen Sturm und Blitz dastand, sie trugen den Schaub über den kleinen Hof, wo der Brunnen rieselte, sie trugen denselben langsam, mit fast trägem Behagen gegen die Thür.
Der Büttel kauerte auf seiner Bank; er hatte vor sich eine Schüssel mit Butter stehen, die er sich in der Vorrathskammer geholt. Er starrte mit Unwillen auf den Rest seines köstlichen Raubes, denn er wollte noch gern davon genießen und war schon satt. Als er nun die Männer mit dem Strohbunde heranschreiten sah, gedachte er seiner Pflicht, der er nach so fettem Bissen doch wieder einmal nachkommen solle, denn dieser Scherge das war ein Mensch, der sich sein Essen auch verdienen wollte.
»Ist das wieder Stroh?« fragte er brummig.
»Ja, Herr Soldat,« antwortete der Bart; »Du hast ein sauberes Amtel, hältst Schildwache vor lauter Stroh.«
»Ist das alles Stroh?« rief der Scherge und schlug mit dem Spieß auf den Schaub.
Anstatt Angst verspürte der Bart Zorn. »Wenn ich nur wüßt’, wie das Thier heißt, das dem Stroh so viel nachstellt?« versetzte er.
»Ablegen!« knurrte der Scherge.
»He, Ihr werdet doch Spaß verstehen?« Mit diesen Worten suchte der Feuerwart zu begütigen.
Aber der Büttel riß den Strohbund von der Trage, zerbrach das Band; die Männer suchten ihn zurückzudrängen, er drohte mit Waffen und grub in den Halmen, und in dem Augenblicke, als der Schaub auseinanderfiel, sprang Wahnfred aus demselben auf und erfaßte den erschreckt zurücktaumelnden Schergen an der Gurgel. »So soll ich mir die letzte Stunde meines Weibes erkämpfen!« Diese Worte stieß er hervor, würgte den Söldner und schleuderte ihn an die Wand, daß der Schädel klang.
Wahnfred stürzte in das Haus, in die Stube.
Diese war dunkel, die Fensterchen waren verhüllt mit Lappen, auf dem Tische brannte eine rothe Kerze. Das Weib des Bart hatte vergessen auf den Bannfluch, hatte das Crucifix hervorgeholt, das sie vor den Räubern der Heiligthümer gerettet.
Bei diesem alten Holzkreuze waren eine lange Reihe ihrer Voreltern gestorben, dieses Kreuz sollte nun auch der lieben Hausgenossin vor Augen sein, die schon seit vielen Stunden im Sterben lag.
»Mein barmherziger Herr Jesu Christ,« so betete das Weib des Bart vor dem Crucifix, »wir sind Dein, wir lassen Dich nimmer. Sie wollen uns reißen von Deiner Seiten; wir umfangen Dein dornengekröntes Haupt, wir fliehen zu Deinen heiligen Wunden. O löse Deinen Arm vom Kreuze und halte uns fest, uns arme Sünder, für die Du gestorben bist. Laß’ uns nicht fahren, wenn uns die harten Menschen verstoßen wollen, steh’ uns bei, wenn der böse Feind uns will verderben. Hilf uns im Leben, hilf uns im Sterben, hilf uns, mein Jesu!«
Aus dem dunklen Raum vor dem Tische ragten zwei kleine weiße Hände empor. Sie gehörten dem Erlefried, der im Schatten kniete, der erschöpft war vom Nachtwachen und Weinen, der nichts mehr für seine Mutter zu thun vermochte, als bebenden und betenden Herzens seine Hände emporzuhalten zu dem Bildnisse Gottes.
Und daneben auf niedrigem Bette lag die Kranke. Ihr Gesicht war weiß wie Wachs, das die Sonne gebleicht hat. Jenes seltsam milde Licht, das wie ein Widerschein der Jugend auf dem Antlitze Sterbender ruht, schwebte um das Haupt. Die Augen waren offen und es schien, als schauten sie gegen die Thür hin. Sie hatte ihn gebeten, daß er nicht komme, und sie hatte doch gehofft, daß er kommen werde. Seit gestern rang sie mit dem Tode. Peinvoll zuckten ihre Glieder, schwer wie unter Berglasten hob sich ihre Brust, kalte Tropfen der Angst standen ihr auf der Stirne, und der Blick, der starre, verlöschende Blick war gegen die Thür gerichtet.
Den Lärm, der sich draußen erhoben hatte, hörte sie nicht, aber als nun die Thür aufging, hub das Auge noch einmal an zu schimmern, bevor sie ihn sah. Er stand erschrocken still. Die Schauer des Todes dämpften sein aufgeregtes Gemüth. Erlefried ging auf ihn zu, zögernd, ängstlich, als erkenne er nicht recht, ob es der Vater sei oder ein Fremder. Wahnfred legte dem Knaben die Hand auf das Haupt und starrte auf sein Weib hin. Er war wie festgebannt, als ob ihn hier ein anderer Wächter zurückhielte, den er nicht beiseite zu schleudern vermöge.
Ihr Auge blickte ihn unsäglich wehmuthsvoll an, und sie wollte doch lächeln. Nun bewegten sich ihre Lippen: »Wahnfred! ... Wahnfred, vom Knaben thu’ sie weg, diese Hand. Ich bitte Dich!«
Da ging’s wie ein Stich durch des Mannes Brust, rasch zog er den Arm zurück, es war ihm, als müsse er fliehen.
Sie bewegte ein wenig ihre Rechte, als winke sie ihm zu bleiben, seine Hand in die ihrige zu legen.
»Ich habe Dich ja geweckt, mein Wahnfred, damals in der Nacht – als es Eins geschlagen. Du bist lange von mir fortgewesen.«
»Nimmer!« so entgegnete nun er, und seine Stimme erstickte im Schluchzen, »nimmer gehe ich jetzt von Dir.«
»Daß nur nicht ich so früh von Dir müßt’ scheiden!« sagte sie. »Möchte wohl gern bei Dir bleiben, weil Du so viel unglücklich geworden bist.«
Nun brach er vor ihrem Bette nieder auf die Knie und preßte sein Gesicht an ihre Hand und weinte laut. Ihr Auge ruhte enrst und liebevoll auf seinem Haupte, sie suchte die Linke zu heben, um sie auf seine verwilderten Locken zu legen; da zitterte auch unter ihren Wimpern eine Thräne.
»Daß Du nur weinen kannst, Wahnfred,« sagte sie leise, »diese Perlen nehm’ ich mit in die Ewigkeit. Sie werden mir leuchten auf dem finsteren Weg. Ich werde den lieben Gott schon finden.«
»Nimm mich mit, mein liebes Weib, nimm mich mit Dir!«
»Wahnfred! Du mußt noch auf Erden bleiben. Mußt bleiben, daß Du wieder kannst löschen, was Du hast