Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger
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Ein Gebrumm der Mißbilligung.
»Mit Dir wär’ Einer bald fertig,« verspottete der Stromer den kleinen Redner.
»Du Schielender Umherlaufer!« schrie der Redner, »ich denk’, mit Dir hab’ ich auch nicht lang’ zu thun. Du füllst Deinen Magen und legst Dich auf die faul’ Haut und machst Deine rostigen Späß’, wenn Einer was Ernsthaftes sagt. Du bist ein nichtsnutziger Schmarotzer, wenn nicht noch was Anderes. Hinaus! hinaus gehst!«
Mehrere Arme packten den Stromer und zerrten ihn, während dieser fortwährend schrie: »Ist das der Dank! Ist das der Dank dafür, daß ich den Schreiner hab’ gebracht?« zur Thür hinaus. Vielleicht war das sein Glück; Wahnfred hatte den Roderich eben ins Verhör nehmen wollen, was er eigentlich an diesem Nachmittage beim Freiwildhause zu thun gehabt habe, und seine Schuhe untersuchen, ob sie an der Wand Kratzer hinterlassen konnten und ob sie Ähnlichkeit hätten mit jenen, die er bei seinem Vorübergehen zum Fenster hineinschlüpfen gesehen zu haben glaubte.
Der Holzer Stom fuhr aber in seiner Rede fort: »Weil das Arbeiten nichts nutzt und das Sichselberfressen nichts taugt, alsdann so sage ich: Wenn wir nicht wollen hin sein, so müssen wir uns zusammenthun, daß wir eine Schaar sind und keck hinausfahren zu den Herrenhäusern und zu den Meierhöfen und uns das Recht und die Lebensmittel nehmen, wo wir sie finden.«
»Eine Räuberbande?« versetzte Wahnfred und hielt sein Haupt hin, als glaube er, nicht recht verstanden zu haben.
»Von einer Räuberbande habe ich nichts gesagt.« fuhr der Redner fort. »Wenn die Ungarn und die Türken einfallen und Häuser und Schlösser niederbrennen, so heißt man das anders. Wenn die Schweden kommen und die Kaiserlichen selber die Höfe ausplündern, und der Salzburger Bischof Aschermittwoch hält das ganze Jahr, weil er Burgen und Dörfer zu Aschen brennt – wer wird denn da Räuberbande sagen? – Trawies ist auch eigenständig geworden jetzund. Trawies hat streitbare Männer. Und wenn uns die da draußen Krieg erklärt haben, werden wir uns feiglings verkriechen, wie der Luchs ins Loch? Giebt’s nicht Löwen in der Wildniß? Und sehen wir auf unserem alten Kirchenthor nicht den Löwenkopf eingemeißelt? Jetzt wird’s aufkommen, was der Löw’ bedeutet zu Trawies. Männer! Einen Feldzug wollen wir halten!«
»Feldzug! Landkrieg! Herrenerschlagen!« Diese Worte wurden nun wild durcheinander gerufen; Einzelne griffen schon zu den Knütteln, zu den Messern, als gelte es zur Stunde. Die Weiber sprangen auf und thaten krächzend dar, sie blieben nicht daheim, sie zögen mit Sensen und Streugabeln und Kohlenhaken aus, und gierig zuckten schon ihre scharf benagelten Finger. Der Stom blinzelte und lächelte vergnügt, als er die Wirkung seiner Rede sah.
»Das geht schon gut,« schmunzelte er, »aber vorerst muß ein Feldherr gewählt werden. Der braucht keine Riese zu sein an Leibesgestalt, aber im Kopf muß er’s haben und heiß muß er dreingehen, recht teufelmäßig scharf und nichts achten – g’rad hinfahren wie ein brüllender Löw’ – ich wollt’ ihm’s schon zeigen!«
Allsogleich schickten sie sich an zur Wahl. Und wäre es auch nicht für ein Ausbrechen aus Trawies, meinten die besonneneren, ein Oberhaupt müsse für jeden Fall sein. Ob das Oberhaupt an Leibesgestalt groß oder klein sei, an dem sei allerdings nicht viel gelegen; auch das, ob derselbe das Maul gut brauchen könne oder nicht, sei Nebensache; hausgesessen dürfe er aber nicht sein, das Los der freien, gleichen Bürger müsse das seine sein, daß er nicht etwa zurückneige zu altverrosteten Einrichtungen, die das alte Übel wieder herbeiführen könnten. Und einen festen Kopf müsse er haben und eine sichere Hand, sei es mit dem Werkzeug oder sei es mit der Waffe, und den Beweis müsse er geliefert haben, daß ihm die Gemein’ über Alles gehe, auch über sich selber. Es sei nur Einer im Haus, von dem man das sagen könne, auf den ein Vertrau wäre, und der es für Ehren- und Pflichtsache halten müsse, die Wahl anzunehmen.
Da verneigte sich der kleine Stom und er sagte, es freue ihn, er mache sich eine Ehr’ daraus und halte es für seine vorderste Pflicht, der Gemein’ zu Nutze zu sein.
Jene aber wiederholten, es gebe nur Einen im Hause, den sie zur Wahl vorschlagen könnten, und das wäre der tapfere Befreier der Gemeinde Trawies aus Knechtsbanden, es wäre der thatkräftige Mann – der Schreiner Wahnfred.
Jetzt war ein entfesseltes Geschrei:
»Wahnfred soll unser Oberhaupt sein, unser Feldherr, unser Führer und König!« Die Weiber schrien noch am heftigsten und Jede gab ihm zwei Stimmen, die eine dem Bürger, die andere dem Manne.
Mittlerweile hatte Wahnfred seine stets wieder aufsteigende Entrüstung nach Kräften niedergekämpft; Unmuth und Zorn erfüllten seine Seele. War das wirklich Trawies? Er war gekommen in der Absicht, das mit kirchlichem Fluche belegte und vom Staate verlassene Völklein zu hüten, zu beruhigen, wieder besseren Bahnen zuzuführen. Und nun sollte er dieser Bande von herabgekommenen rohen Gesellen und Dirnen Oberhaupt sein? Andererseits war es ihm klar, daß er nur auf diesem Wege, auf den sie ihn drängten, Einfluß und Macht über die gesetzlose Rotte gewinnen könne. Wo nichts zu verlieren und alles zu gewinnen ist, kommt Wahnfred leicht zum Entschlusse. Er steht auf, stemmt seine Faust auf den Tisch und mit trüber Stimme – aber sie wird allwärts vernommen – sagt er:
»Wenn ich die Wahl annehme, so fordere ich Eins!«
»Fordere, was Du willst!« riefen sie.
»Ich fordere Gehorsam.«
»Gehorsam fordert er!« schreit der Holzer Stom, »da seht: er, der den Tyrann hat erschlagen, will es nun selber sein.«
»‘s ist Einer gegen mich,« sagte der Wahnfred. Den Stom stießen sie mit Fäusten, den Schreiner beschworen sie, daß er ihr Vormann sei.
»Die Freiheit,« so redete nun Wahnfred, »kann nur sein, wo Ordnung ist und das Gesetz. Dieser mein Arm, er ist Euer, er soll Euch führen. Ihr kennt ihn. Als er sich erhob mit der Axt, es war zu Eurem Wohl und was er fürder thun wird, es soll zu Eurem Wohl sein. Trawieser Leut’! Gelobt Ihr mir Gehorsam, so bin ich Euer Mann!«
»Gehorsam, Gehorsam dem Hauptmann von Trawies!« so hallte und schallte es im Hause; die Weiber schrien wieder am lautesten. Die paar Unzufriedenen hatten sich davongemacht.
Wahnfred erfaßte mit herbem Faustgriff die schwere Axt und stemmte sie auf den Tisch, daß ihre Spitze sich tief ins Holz grub. Sein Auge blickte finster in die Runde, da lief das Geschrei in ein Gemurmel aus und dieses löste sich in Schweigen. Wonniger Schauer des Beherrschtseins durchrieselte die Knechteseelen.
Wenige Wochen, nachdem Wahnfred die Führerschaft über die Einwohner der Waldgegend übernommen hatte und es ihm mit allem Aufwande seiner Schlauheit und Kraft gelang, die Menschen insofern im Zaum zu halten, daß sie sich einstweilen nicht gegenseitig schädigten, wurden die Gemüther durch eine seltsame Erscheinung aufgeregt. Gegen Ende Mai war’s so erzählt die Schrift, in einer schwülen, fast sternlosen Nacht, als vom Sonnenaufgang her über den Waldzügen des Tärn am Himmel ein feuriges Kreuz emporstieg. Es war mit seinen beiden Armen ungeheuer groß und flammte in mattem Roth, als lodere es in einem Nebelschleier. Die Enden zuckten sachte auf und nieder, so stand es in gespenstiger Ruhe wohl gegen eine halbe Stunde, bis es allmählich erblaßte und verlosch und wieder die schwarze Himmelsnacht lag über den Wäldern.
Die Furchtsamen hatten sich vor Angst in finstere Winkel verkrochen und dort noch ihr Antlitz mit Tüchern verhüllt, daß dieses Schreckliche nicht mehr in ihr Auge zu dringen vermochte. Die Kühnen waren dagestanden und hatten ernsten Gesichtes auf die Erscheinung hingeschaut; erst als sie schwand, lösten sich die Zungen und Einer sagte zum Anderen: »Was ist