Anne & Rilla - Zum ersten Mal verliebt. Lucy Maud Montgomery
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An diesem Nachmittag saß Rilla im Garten und brauchte sich um nichts zu sorgen.
„War es nicht ein wunderschöner Juni?“ sagte sie und blickte verträumt in die Ferne, wo kleine silberne Wölkchen friedlich über dem Regenbogental hingen. „Wir haben soviel Spaß gehabt. Und so schönes Wetter. Es war einfach alles wunderschön.“
„Irgendwie gefällt mir das nicht“, sagte Miss Oliver und seufzte. „Das kann nichts Gutes bedeuten. Wenn alles wunderschön ist, ist das ein Geschenk der Götter, eine Art Ausgleich für das, was hinterher kommt. Mir ist das schon so oft aufgefallen, daß ich nichts darum gebe, wenn jemand sagt, es sei alles wunderschön gewesen. Der Juni war ganz nett, ja, das stimmt.“
„Ich gebe zu, es ist nichts besonders Aufregendes passiert“, sagte Rilla. „Das einzig Aufregende, was im ganzen letzten Jahr in Glen passiert ist, war, als die alte Miss Mead in der Kirche in Ohnmacht gefallen ist. Manchmal wünschte ich, es würde mal etwas richtig Dramatisches passieren.“
„Wünsch dir das lieber nicht! Irgend jemand muß immer unter dem Drama leiden. Was für einen schönen Sommer werdet ihr junges Volk dieses Mal haben! Und ich hocke in Lowbridge und blase Trübsal!“
„Sie kommen uns aber so oft wie möglich besuchen, ja? Ich glaube, wir werden diesen Sommer viel Spaß haben, obwohl ich wahrscheinlich wie üblich wieder nur den Zaungast spielen darf. Ist es nicht furchtbar, wenn die Leute einen immer noch für ein kleines Kind halten, auch wenn man das längst nicht mehr ist?“
„Du hast noch genug Zeit zum Erwachsenwerden, Rilla. Sei froh, daß du jung bist. Die Jugend geht viel zu schnell vorbei. Du wirst bald einen Vorgeschmack vom Leben bekommen.“
„Vorgeschmack! Aufessen will ich es!“ lachte Rilla. „Ich will alles! Alles, was ein Mädchen haben kann. In einem Monat bin ich fünfzehn, und dann kann niemand mehr sagen, ich wäre noch ein Kind. Jemand hat mal gemeint, das Alter zwischen fünfzehn und neunzehn wäre das beste für ein Mädchen. Ich werde eine großartige Zeit daraus machen und einfach nur Spaß haben!“
„Es hat gar keinen Zweck, sich auszumalen, was man machen will, es kommt doch nicht dazu.“
„Aber das Ausmalen allein macht doch schon Spaß!“ rief Rilla ausgelassen.
„Du denkst wohl an nichts anderes als an Spaß, du kleiner Dummkopf“, sagte Miss Oliver nachsichtig und bewunderte dabei heimlich Rillas hübsches Kinn. „Was soll einem mit fünfzehn auch sonst einfallen? Denkst du denn überhaupt nicht daran, diesen Herbst aufs College zu gehen?“
„Nein, diesen Herbst nicht und auch keinen anderen. Ich will einfach nicht. Mich interessieren diese schlauen Wörter nicht, auf die Nan und Di so versessen sind. Außerdem gehen schon fünf von uns aufs College. Das reicht doch wohl. Einen Dummkopf muß schließlich jede Familie haben. Ich bin gern bereit, der Dummkopf zu sein, solange ich hübsch bin und begehrt. Ich kann nicht klug sein. Ich habe für nichts Talent, und Sie können sich gar nicht vorstellen, wie bequem das ist. Niemand erwartet etwas von mir, keiner belästigt mich. Und für hausfrauliche Sachen eigne ich mich auch nicht. Ich hasse Nähen und Staubwischen, und wenn Susan es schon nicht fertigbringt, mir Plätzchenbacken beizubringen, dann lerne ich das auch nie. Vater sagt, ich hätte zwei linke Hände. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als nur schön zu sein“, schloß Rilla und lachte.
„Du bist zu jung, um überhaupt nichts mehr zu lernen, Rilla.“
„Keine Sorge, Mutter will mich im Winter in einen Vorlesekurs schicken. Sie will wohl ihr Ansehen auffrischen. Zum Glück lese ich gern. Jetzt sehen Sie mich doch nicht so traurig und so mißbilligend an. Ich kann eben nicht vernünftig und ernst sein. Alles sieht in meinen Augen so rosarot und himmelblau aus. Nächsten Monat bin ich fünfzehn. Und nächstes Jahr sechzehn. Und übernächstes Jahr siebzehn. Gibt es denn etwas Aufregenderes als das?“
„Hals- und Beinbruch“, sagte Gertrude Oliver halb scherzhaft, halb im Ernst. „Hals- und Beinbruch, Rilla-meine-Rilla!“
Mondscheinparty
Rilla gähnte, reckte und streckte sich und lächelte dann Gertrude Oliver zu. Miss Oliver war gestern abend von Lowbridge herübergekommen, und sie hatte sich dazu überreden lassen, noch bis zur Tanzparty im Leuchtturm von Four Winds dazubleiben.
„Der neue Tag klopft ans Fenster. Was er uns wohl bringen mag?“
Miss Oliver zitterte ein wenig. Ihr gelang es nie, einen Tag mit einer solchen Begeisterung zu begrüßen wie Rilla. Sie war alt genug, um zu wissen, daß ein Tag auch etwas Schreckliches mit sich bringen kann.
„Ich finde, das reizvollste an einem Tag ist das Unerwartete“, sagte Rilla. „Es ist doch lustig, an so einem schönen, sonnigen Morgen aufzuwachen und sich zu fragen, was für ein Überraschungspaket der Tag dir überbringen wird. Ich döse immer noch zehn Minuten vor mich hin, bevor ich aufstehe, und male mir all die wunderbaren Dinge aus, die passieren könnten, bevor es Abend wird.“
„Ich hoffe, daß heute etwas ganz Unerwartetes passiert“, sagte Gertrude. „Ich hoffe nämlich, daß die Post uns die Nachricht überbringt, daß der Krieg zwischen Deutschland und Frankreich abgewendet worden ist.“
„Ach so – ja“, sagte Rilla etwas unsicher. „Wenn nicht, ist das wahrscheinlich schrecklich, nehme ich an. Aber was wäre eigentlich so schrecklich daran? Ein Krieg wäre vielleicht ganz aufregend. Der Burenkrieg soll doch so spannend gewesen sein, aber das habe ich natürlich alles wieder vergessen. Miss Oliver, soll ich heute abend mein weißes Kleid anziehen oder mein neues grünes? Das grüne ist natürlich viel hübscher, aber ich getraue mich fast nicht, es zu einer Strandparty anzuziehen, es könnte ja kaputtgehen. Würden Sie mir diese neue Frisur machen? Von den Mädchen aus Glen trägt sie bis jetzt keine, das wäre doch die Sensation!“
„Wie hast du denn deine Mutter dazu überredet, daß sie dich zu der Tanzparty gehen läßt?“
„Walter hat sie ein bißchen um den Finger gewickelt. Er wußte, daß ich todunglücklich wäre, wenn ich nicht hingehen dürfte. Das ist meine erste richtige Erwachsenenparty, Miss Oliver, und ich bringe schon seit einer Woche schlaflose Nächte zu, weil ich immer daran denken muß. Als ich heute morgen die Sonne gesehen habe, hätte ich am liebsten einen Freudenschrei ausgestoßen. Wäre es nicht schrecklich, wenn es heute abend regnen würde? Ich glaube, ich riskiere es, das grüne Kleid anzuziehen. Auf meiner ersten Party will ich so schön wie möglich aussehen. Außerdem ist es zweieinhalb Zentimeter länger als das weiße. Und meine Silberschuhe werde ich auch anziehen. Mrs. Ford hat sie mir zu Weihnachten geschickt, und ich habe bisher noch keine Gelegenheit gehabt, sie anzuziehen. Sie sehen wirklich hübsch aus. Ach, Miss Oliver, ich hoffe, daß mich ein paar Jungen zum Tanzen auffordern! Diese Demütigung würde ich nicht überleben, wenn mich keiner auffordern