Mami Staffel 3 – Familienroman. Gisela Reutling
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»Du mußt mit dem Jungen unbedingt zu einem guten Friseur, Bea. Sein Haarschnitt ist katastrophal!«
»Ja, ja. Soll ich dir vorher oder nachher eine Tasse Tee einschenken?« parierte sie spöttisch.
»Linus und Kiki sind noch in den Bergen, Papi!« plapperte Sandro ungerührt weiter. »Und der Kindergarten macht erst nächste Woche wieder auf. Ich hab keinen Freund zum Spielen!«
»Mit so einem wilden Wuschelkopf findest du bestimmt keine neuen Freunde.«
Beate sah ihn fassungslos an. Reinhard übertraf sich an Taktlosigkeit heute selbst! »Laß dir von Tante Bea einen Keks geben und geh wieder in den Garten!« setzte Reinhard ungerührt hinzu. »Ich muß mit ihr allein sprechen.«
»Über Sandros Haarschnitt?« feixte Bea und freute sich, weil ein Ausdruck von Ärger über das braungebrannte Gesicht ihres Bruders huschte.
Respektlose Bemerkungen dieser Art haßte er. Und ausgerechnet Beate, seine jüngere und so unattraktive Schwester, erdreistete sich dazu. Nun ja, in wenigen Minuten bekam sie die Quittung dafür.
Sandro stapfte mit einem Biskuit in jeder Hand gehorsam in den Garten. Als Bea mit dem Tablett ins Wohnzimmer trat, warf sie ihrem kleinen Liebling einen wehmütigen Blick nach. So war es immer. Sandro konnte das Eintreffen seines Papis kaum erwarten. War Reinhard da, hielt seine Freude kaum länger als drei Minuten an.
»Ich werde Mitte November heiraten, Beate!« verkündete Reinhard, nachdem er im bequemsten Sessel Platz genommen und einen Schluck Tee getrunken hatte.
»Wie bitte?« Sie konnte es nicht fassen. Reinhard wollte wieder heiraten? Hatte er nicht wiederholt zugegeben, nicht für die Ehe geschaffen zu sein? Hatte er schon vergessen, wie unglücklich seine Frau mit ihm gewesen war? Bea sah ihn an. Nun ja, er war achtundvierzig, ein noch immer sehr attraktiver Mann.
»Ich war lange genug Witwer. Und du kennst meine zukünftige Frau, Schwesterchen. Erinnerst du dich an meinen Geburtstagsempfang?«
»Ja.« Sie zuckte mit den Schultern. »Halb Hamburg war anwesend.«
»Und die schönste Frau trug ein weißes Kleid und einen großen Strohhut auf ihrem kastanienbraunen Lockenhaar.«
»So?« Mindestens dreißig bildschöne Frauen waren durch den Garten flaniert. Fast alle hatten Strohhüte getragen, um sich vor der brennenden Julisonne zu schützen.
»Klaudia Waller!« sagte Reinhard. »Du willst doch nicht etwa behaupten, sie habe keinen Eindruck bei dir hinterlassen?«
»Kann sein«, erwiderte sie nach einer Weile. »Jetzt erinnere ich mich. Du hast sie mir vorgestellt. Ist sie nicht Moderedakteurin oder so was? Sie erschien mir recht jung. Warum willst du sie gleich heiraten?«
»Weil sie eine wunderbare und bildschöne Frau ist. Ja, und die einzige Tochter des Pharmazie-Unternehmers Waller. Der lebt mit seiner zweiten Frau auf Mallorca. Klaudia bewohnt die väterliche Villa ganz allein.« Er lächelte. »Genau genommen sind wir seit Jahren Nachbarn, nur ahnte ich das nicht. Zwei Minuten mit dem Wagen, und ich bin bei ihr. Zu Fuß sind es genau vier Minuten.«
»Akkurat wie du bist, hast du das schnell herausgefunden«, meinte sie kopfschüttelnd. »Und was gefällt dir sonst noch an ihr?«
»Klaudia und ich haben uns im Frühjahr auf einer Hochzeit kennengelernt. Wir sahen uns seitdem gelegentlich, aber in letzter Zeit häufiger. Vorige Woche, kaum war ich aus Israel zurückgekehrt, habe ich ihr einen Heiratsantrag gemacht. Sie bestand auf drei Tage Bedenkzeit, aber gestern hat sie angenommen.« Er war glücklich und stolz, nur konnte Beate seine Freude nicht teilen.
Sie ahnte zu gut, was das bedeutete. Die Angst davor schnitt ihr ins Herz, aber sie durfte es sich nicht anmerken lassen. Vielleicht sah sie alles zu schwarz? Eine so junge Frau wie diese Klaudia wollte bestimmt das Leben an Reinhards Seite genießen und dachte nicht daran, sich mit der Verantwortung für ein Kind zu belasten. Noch hatte Reinhard ja nicht angekündigt, daß er Sandro wieder zurückholen wollte.
»Der Gedanke, auf Sandro verzichten zu müssen, kann dir nicht gefallen, Bea. Ich weiß«, begann Reinhard da schon und wenigstens mit ein wenig Einfühlungsvermögen. »Aber bitte, sieh es von der positiven Seite. Du wirst unabhängig sein und kannst dein Leben genießen. Vielleicht hat das Schicksal ja auch noch ein Stück Herzensglück für dich bereit.«
Leben genießen? Herzensglück? Ihr Glück bestand daraus, jede freie Stunde mit Sandro zu verbringen. Hatte Reinhard das immer noch nicht begriffen?
»Du wirst dich wieder mit großer Sorgfalt deinen Patienten widmen und noch Zeit und Muße haben, dich nach einem Ehemann umzusehen, Bea. Noch ist es nicht zu spät. Vierzig ist kein Alter für eine Frau. Nur mußt du natürlich mehr aus dir machen.«
Ihre Brust hob und senkte sich wie unter einer großen Anstrengung.
»Außerdem wünsche ich mir, daß Klaudia und du Freundinnen werdet. Sie hat Stil und einen hervorragenden Geschmack. Sie wird dich beraten können, wenn du dein Äußeres auffrischen willst.«
Danach wurde es ganz still in Beas gemütlichem Wohnzimmer. Reinhard von Redwitz mochte ein kühler Kopf sein, aber ein Unmensch war er nicht. Deshalb hoffte er, Bea könnte ein irgendwie anders geartetes Glück finden, als an seinem Sohn Mutterstelle zu vertreten.
»Wird Klaudia Waller Sandro denn eine gute Mutter sein?« beendete Bea das Schweigen.
»Ich denke doch. Natürlich mute ich ihr nicht zu, sich tagtäglich zwölf Stunden um ihn zu kümmern. Wir werden ein Kindermädchen einstellen, das ihn nachmittags, wenn er nicht im Kindergarten ist, betreut. Ich bestehe darauf, daß Klaudia ihre berufliche Tätigkeit fortsetzt. Ich möchte nicht, daß sie sich wie Ruth zu Hause langweilt, wenn ich auf Reisen bin.«
Beate starrte ihn an. Warum ließ er ihr den Jungen dann nicht?
»Der Gedanke, wieder eine Frau zu Hause sitzen zu haben, die sich vor Langeweile grämt, ertrage ich kein zweites Mal. Klaudia versteht das.«
»Aber Reinhard! Das kannst du doch nicht zulassen! Sandro braucht einen Menschen, der nur für ihn da ist. Er hat keine Mutter mehr und du, entschuldige, bist nicht gerade ein idealer Vater!«
Er erhob sich und sah zu Sandro hinaus. »Ich weiß. Aber du hast deine Patienten und konntest ihn auch nicht ständig an deinem Kittelzipfel dulden.«
»Nur bin ich immer hier. Und bei mir fühlt er sich geborgen. Seine Freunde, die Umgebung, der Kindergarten an der Ecke…«
»Er wird sich schnell wieder bei mir eingewöhnen.«
»Und wenn Klaudia Waller es vorzieht, dich auf deinen Reisen zu begleiten? Wenn sie die Anstrengungen besser erträgt als Ruth und sich nichts Schöneres denken kann, als überall auf der Welt an deiner Seite zu sein?«
Reinhards Gesicht wurde zu einer Maske. »Das will ich nicht. Ich habe Ruth nur wenige Male mitgenommen, und daraus wurde jedesmal ein Fiasko. Darum will ich auch Klaudia nicht an meiner Seite haben. Bei offiziellen Besuchen im Ausland sind Ehefrauen überflüssig und deshalb nicht gern gesehen.«
»Und wenn deine… zweite Frau es trotzdem von Herzen wünscht?«
»Unsinn. Ist Klaudia erstmal