Mami Staffel 3 – Familienroman. Gisela Reutling
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Читать онлайн книгу Mami Staffel 3 – Familienroman - Gisela Reutling страница 4
»Und um sie auf Parties, Empfänge und ins Theater zu begleiten?« entschlüpfte es Ralf. Es klang recht bissig.
Kai sah ihn irritiert an. »Wenn es sein muß, ja.«
»Du hast recht, Kai«, entschuldigte der ältere Kollege sich. »Ich kenne sie ja nur flüchtig.«
Dr. Ralf Nolte rief sich die wenigen Begegnungen mit ihr ins Gedächtnis zurück. Zuerst war ihm ihr rötlich schimmerndes, wild gelocktes Haar, das bis auf die schmalen Schultern wallte, aufgefallen. Von dichten dunklen Wimpern beschattete grüne Augen hatten ihn aus ihrem ausdrucksvollen Gesicht angeblitzt und dabei signalisiert, zu welch wachem Köpfchen sie gehörten. Ja, Klaudia war nicht nur schön, sondern auch gewitzt. Und sie konnte ihre geheimnisvoll weibliche Ausstrahlung zudem mit auffallend teurer Garderobe betonen. Durfte er es ihr ankreiden, wenn sie sich ganz bewußt als Tochter aus gutem Haus gab? Nein, solange sie Kai liebte und ihn glücklich machte, war das ganz bedeutungslos.
Als die beiden Ärzte eine halbe Stunde später durch die Paßkontrolle in die Flughafenhalle traten, sahen sie sich suchend um. Keiner konnte Klaudia unter den Wartenden entdecken.
»Vielleicht konnte sie sich nicht rechtzeitig aus der Redaktion freimachen«, wollte Ralf seinen Freund trösten. »Oder hast du vergessen, unsere Ankunftzeit genau zu nennen?«
»Nein!« murrte Kai gereizt. Er wandte sich dem Rest des Teams zu, um sich zu verabschieden und schulterte dann seine zwei Taschen. »Sie wird mich zu Hause erwarten.« Er lächelte zuversichtlich. »Der Champagner ist kaltgestellt, dazu gibt’s Lachs und Kaviar. Das macht sie immer so. Sie ist wunderbar.«
Ralf umarmte ihn. »Ich fahr mit den anderen. Ruf mich an, wenn du mit dem Professor verhandelt hast. Wir bleiben doch in Verbindung?«
»Selbstverständlich.«
Ihre Blicke trafen sich wie die zweier Kumpels, deren gegenseitiges Vertrauen durch nichts zu erschüttern war.
»Kai!«
Die beiden Männer fuhren herum. Da stand Klaudia. Sie mußten zweimal hinsehen, denn auf den ersten Blick hätten sie sie kaum erkannt.
»Klaudia!« Schon ließ Kai seine Taschen zu Boden gleiten und stürmte mit ausgebreiteten Armen auf sie los. Ralf nickte ihr grüßend zu, ohne seine Verwirrung verbergen zu können. Was war denn mit Klaudia Waller los? Sie sah völlig verändert aus.
Ihr Haar war kürzer, der Rock dafür viel länger, so daß sie ausgesprochen damenhaft aussah. Das schlichte dunkelblaue Ensemble verlieh ihr eine Würde, die sie fremd wirken ließ. Na ja, vielleicht war das der letzte Schrei. Woher sollte er das wissen?
Ralf eilte hinter den anderen Kollegen her. Noch einmal sah er sich nach Kai um und stutzte. Standen sich die beiden Liebenden nicht bewegungslos wie Fremde gegenüber? Ralf grinste. Wahrscheinlich hatte Kai etwas vorschnell sein Befremden über ihre neue Frisur ausgedrückt. Und Klaudia Waller gehörte nun mal nicht zu den Frauen, die so etwas auf die leichte Schulter nahmen.
*
»Du willst wirklich nicht, daß ich diese Nacht bei dir verbringe?« Kai fand die Sprache erst wieder, als er in Klaudias Wagen neben ihr Platz genommen hatte. »Was ist nur los?« Weil Klaudia schwieg, fuhr er verwirrt fort. »Ehrlich gesagt, habe ich mich darauf gefreut und eingestellt. Und in meinem kleinen Appartement, das wochenlang unbewohnt war, fühle ich mich nach so langer Zeit ziemlich verlassen.« Er lächelte unsicher.
»Ich habe meiner Putzfrau aufgetragen, bei dir für eine gewisse Gemütlichkeit zu sorgen. Der Eisschrank ist gefüllt. Sie hat dir sogar Gulasch vorgekocht. Das magst du doch?«
»Dein Lachs und Champagner wär mir lieber. Aber… du hast wohl heute noch etwas Wichtigeres vor?«
Klaudia mußte an einer Kreuzung halten und betrachtete die rote Ampel ausgiebig. Dann räusperte sie sich. »Ich will und kann dich nicht belügen, Kai. Es geht nicht nur um diese Nacht.« Nach bedrückendem Schweigen schaltete sie mechanisch den ersten Gang ein. »Ich habe viel über uns nachgedacht. Für uns gibt es keine Zukunft. Das ist mir in den letzten beiden Monaten klargeworden. Du warst lange fort und weißt nur zu gut, wie viel Zeit du mit diesen Noteinsätzen verplemperst. Wie oft haben wir darüber gestritten, ohne zu einer Lösung zu kommen.«
»Gestritten? Nein, wir haben diskutiert.« Weil er den Ernst der Lage nicht erkannte, schmunzelte er. »Und du hast mich sogar überzeugt. Heute abend sollst du endlich erfahren, wozu ich mich entschieden habe, mein Engel«, meinte er leichthin und sah sie erleichtert an.
Nichts in ihrem Gesicht rührte sich. Es fiel ihm nicht auf. Eigentlich war ihre neue Frisur gar nicht so übel. Er würde sich schon daran gewöhnen.
Plötzlich lenkte Klaudia den Wagen an den Straßenrand und hielt an.
»Ich habe Reinhard von Redwitz im Mai auf einer Hochzeit kennengelernt«, sagte sie leise. »Ist er dir bekannt?«
»Redwitz? Dieser Wirtschaftsfachmann? Ja, natürlich. Wer kennt den nicht?«
»Er ist seit zwei Jahren Witwer.«
»So. Tut mir leid. Aber so einer findet bald Trost. Oder? Er muß fast fünfzig sein.«
»Er ist achtundvierzig, sieht aber viel jünger aus.«
Das ließ Kai aufhorchen. Ein Gefühl des Unbehagens ergriff ihn, das sich plötzlich in eine furchtbare Ahnung verwandelte. »Was willst du damit sagen, Klaudia?«
»Wir sind uns in den letzten Monaten sehr nah gekommen. Ich habe es nicht fassen können, aber er hat sich in mich verliebt. Erst schreckte ich vor seinem Interesse zurück. Aber seit Wochen weiß ich, wie ernst er es meint. Ich zweifelte lange Zeit, ob wir zueinander passen, aber seit einigen Tagen habe ich Gewißheit.«
»Gewißheit – ?«
»Ja. Reinhard möchte mich heiraten.«
»Heiraten? Und das sagst du so einfach? Liebst du ihn denn?«
»Er ist einer der interessantesten Männer weit und breit, eine Persönlichkeit ganz nach meinem Geschmack. Und ich bin fest entschlossen, ihn glücklich zu machen.«
»Das ist doch nicht wahr!« stammelte Kai.
Ihr Gesicht wurde vom hereinfallenden Licht der Straßenlampen modelliert und erschien ihm klar und so schön wie nie. Nur vor ihren Augen, die so blitzen konnten, lag jetzt ein Schleier. Es mußte das Wissen über den furchtbaren Schmerz sein, den sie ihm bereitete.
»Doch, es ist so, Kai. Dir das zu sagen, fällt mir sehr schwer. Das alles tut mir schrecklich leid. Aber ich muß diese Chance wahrnehmen, um meinem Leben eine andere Richtung zu geben. Wer weiß, wie viele Jahre noch vergehen, bis du soweit bist und in meinem Haus eine Privatpraxis eröffnen kannst? Und ob du überhaupt jemals dazu bereit bist, dieses Abenteuerleben als Arzt aufzugeben? Du hast dich doch immer gegen meine Vorstellungen von unserer Zukunft gewehrt.«
Sollte er noch einmal versuchen, sie vom Gegenteil zu überzeugen? Aber Klaudia sprach schon weiter.
»Reinhard hat einen kleinen Jungen. Sandro ist vier und lebt seit dem Tod seiner Mutter bei seiner Tante. Er soll wieder ein normales Familienleben genießen. Ich bringe für Reinhards Nöte großes Verständnis auf und habe…«