Die Umrundung des Nordpols. Arved Fuchs

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Die Umrundung des Nordpols - Arved Fuchs

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selbst. Bereits der Voreigner Niels Bach hatte das Schiff von Christian – damals noch auf einer anderen Werft – warten lassen. Keine Ecke, kein Spant, keine Planke, die von Christian nicht persönlich inspiziert worden ist. Ich verlasse mich zu 100 Prozent auf ihn.

      •

      Das Großsegel hat allein eine Fläche von 100 m2, und der Baum mit seinen 12 Metern Länge wiegt gut und gern an die 500 kg. Unter Segeln sieht die DAGMAR AAEN grandios aus.

      Im Grunde genommen war das Schiff nach diesjährigen Winterarbeiten fast wie neu. Ein Holzschiff wird im Laufe der Jahre immer wieder runderneuert. Insofern relativiert sich das Alter von 71 Jahren. Wenn man heute über das Deck der DAGMAR AAEN blickt, sind das Maschinenraumskylight und das Steuerrad die einzigen Teile, die noch aus der Zeit meines Voreigners stammen. Alles andere, einschließlich Relingstützen, Deck, Aufbauten und Schanz sind im Laufe der Jahre erneuert worden.

      Parallel zu den Umbauten liefen die Vorbereitungen auf Hochtouren. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Rettungsflugwacht – kurz DRF genannt – wurden wir von dem Rettungssanitäter Christian Müller-Ramcke in Seminaren für den Ernstfall vorbereitet. Dort wo wir segeln würden, gibt es keinen Notarzt. Wie sinnvoll solche Schulungen in Verbindung mit einer gut ausgestatteten Bordapotheke sind, sollten wir später leidvoll erfahren.

      Mittlerweile stapelten sich Berge an Ausrüstung in meiner Halle, die ich eigens für derartige Zwecke eingerichtet habe. Folker Schultheiss stellte wie bei unseren früheren Reisen wiederum seine gefriergetrockneten Trekkingmahlzeiten zusammen. Er ist Spezialist auf diesem Gebiet und berät nicht nur uns, sondern war unter anderem auch Ausrüster des erfolgreichen Illbruck-Teams bei dem Volvo Ocean Race. Obwohl wir dieses Spiel schon so viele Jahre spielen, waren wir auch dieses Mal und immer wieder überrascht, welche Mengen an Nahrungsmitteln zusammenkommen. Elise Fleer hatte die Aufgabe des Smuts übernommen und war fortan damit beschäftigt, Portionen zu verpacken, Staupläne zu zeichnen und Tagesrationen zusammenzustellen.

      Als Sponsoren konnten wir Jack Wolfskin und Globetrotter-Ausrüstungen gewinnen. In beiden Fällen findet eine Zusammenarbeit ihre Fortsetzung, die in der Vergangenheit bei früheren Expeditionen schon erfolgreich umgesetzt wurde. Last but not least fanden wir einen Medienpartner, wie er für so ein Projekt geeigneter nicht hätte sein können: das National Geographic Magazin.

      National Geographic hat nicht nur eine 115-jährige Expeditionstradition, es stellt zugleich auch von allen Magazinen die höchsten Ansprüche an die Fotografen. Torsten Heller, der wie schon in den letzten Jahren die Expedition fotografisch einfangen würde, sah sich einer echten Herausforderung gegenüber.

      Damit waren die Rahmenbedingungen des Projektes definiert, Aufgaben und Zuständigkeiten delegiert und Verantwortlichkeiten in gut erkennbaren Strukturen niedergelegt.

      Die Vorbereitung einer solch komplexen Expedition ist nichts anderes als Projektmanagement. Die Vorstellung, dass sich ein paar gleichgesinnte Abenteurer zusammensetzen und bei einem Glas Bier den Beschluss fassen, »mal eben durch die Nordostpassage« zu segeln, hat mit der Realität nicht das Geringste zu tun. Der Aufbau eines Teams, das über Monate hinweg auf extrem beengtem Raum und unter spartanischen Lebensbedingungen leben und funktionieren muss, erfordert eine äußerst sorgfältige Personenauswahl. Dass jemand gut segeln kann, reicht bei weitem nicht aus.

      »Das Großsegel hat allein eine Fläche von 100 m2, und der Baum mit seinen 12 Metern Länge wiegt gut und gern an die 500 kg. Unter Segeln sieht die DAGMAR AAEN grandios aus.«

      Jedes Crewmitglied muss teamfähig sein, die Bereitschaft mitbringen, sich auf seine Mitsegler einzustellen, tolerant gegenüber anderen sein, ohne sich selbst dabei zu vernachlässigen. Daneben muss das Projekt finanziert, die Medienverwertung geregelt werden, Genehmigungen von den Behörden eingeholt und die gesamte Logistik erstellt werden. Ich mache das alles keineswegs allein, sondern habe ein engagiertes Team zur Seite, das entsprechend den Zuständigkeiten Probleme löst. Es ist ein Bürojob, der alles andere als abenteuerlich ist. Vor dem eigentlichen Start einer Expedition kulminiert die Arbeit. Lediglich unsere Routine hilft mir dabei, ein drohendes Chaos abzuwenden.

      Als das Schiff Ende Mai in Kiel am Tiessen-Kai liegt, um ausgerüstet zu werden, sind wir nicht das einzige Schiff dort. Ein großer Teil der holländischen Charterflotte, fast alles größere Schiffe als die DAGMAR AAEN, lag eng an eng im Päckchen an der Pier. Als der Lkw mit unserer Ausrüstung vorfuhr und wir begannen, Kisten und Kartons zu leeren, um sie an Bord zu verstauen, brach schallendes Gelächter bei den holländischen Crews aus. »Das wollt ihr alles auf dem Schiff unterbringen? No way!« Tatsächlich sah es so aus, als würden Proviant und Ausrüstung schwerlich auf ein doppelt so großes Schiff passen. Ich verströmte Zweckoptimismus, schließlich stand ich nicht zum ersten Mal vor einer Lkw-Ladung Ausrüstung und sagte nur: »Wartet bis heute Abend, dann wird alles verstaut sein!« Elise sei Dank, die mit Stauplänen auf einem Klippboard an Deck stand und jeder Tüte, jeder Dose und jedem Karton einen Bestimmungsort zuwies: Am Abend erfüllte sich meine Prophezeiung. Als der Lkw mit leeren Kisten beladen abfuhr, sah das Deck so ordentlich aus, als wäre nichts geschehen. Das Schiff lag lediglich etwas tiefer im Wasser. Ersatzteile, Werkzeuge, Proviant und Ausrüstung für die nächsten Monate hatten ihren Platz auf der DAGMAR AAEN gefunden und die Holländer blickten mehr als verwundert drein.

      Am nächsten Tag ging es durch den Kanal nach Brunsbüttel und von dort weiter nach Hamburg. Am 28. Mai luden wir zur Pressekonferenz auf dem feuerschiff ein, danach setzen wir vor der Kehrwiederspitze die Segel und liefen langsam mit Maschine und Segel die Elbe abwärts. Eine Barkasse und ein gecharterter Ewer, beladen mit Journalisten und Freunden, begleiteten uns ein Stück, dann drehten sie ab – wir waren wieder allein.

      Die erste Etappe war nur kurz. Sie endet in Glückstadt, wo ich das Schiff schweren Herzens verlassen muss, da mein Besuch bei der Verwaltung in Moskau genau in diesen Zeitraum fällt. Statt meiner würde Martin Friederichs das Schiff als Skipper bis nach Tromsø führen. Für Martin keine neue Aufgabe. Er hat die DAGMAR AAEN schon monatelang geführt und ich habe vollstes Vertrauen zu ihm. Dennoch zerreißt es mich ein wenig. Nach der ganzen Arbeit möchte ich von Anfang an dabei sein. Irgendwie fühle ich mich nicht wohl. So weit war es schon gekommen – ich plane, delegiere und organisiere – und dann geht es ohne mich los. Aber meine Aufgabe beschränkt sich eben nicht darauf, die Expedition unterwegs zu leiten – das würde noch kommen –, sondern ich muss das gesamte Gefüge zu Lande wie zu Wasser auf ein solides Fundament stellen. In vier Wochen würde ich in Tromsø an Bord gehen und dann ist alles wieder beim Alten.

      Im heimischen Revier. Die DAGMAR AAEN während einer Ausbildungsreise für die Crew vor den Kreidefelsen von Rügen.

      Das Steuerrad versieht seinen Dienst ununterbrochen seit 1931. Wenn Steuerräder erzählen könnten …

      Die Steuerbordseite der DAGMAR AAEN ist fast vollständig mit sechs Zentimeter dicker Eiche neu beplankt. Die Spanten sind noch original von 1931.

      Die DAGMAR AAEN während ihrer neunmonatigen Überwinterung im Scoresbysund, Grönland.

      Unmengen an Nahrungsmitteln müssen an Bord verstaut werden. Elise zeichnet Staupläne und gibt Anweisungen, wo die Dinge verstaut werden. Ohne diese sorgfältige Planung würde man schon nach kürzester Zeit den Überblick verlieren.

      Uschi Latus und Ute Künstler von der Firma NAVCON stellen im Frühjahr 2001 den neuen Mast der DAGMAR AAEN. Auch Till und Katja helfen mit. Die ganze Crew hat angepackt – trotz winterlicher Temperaturen und Sturmböen.

      INFORMATION

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