Salambo: Ein Roman aus Alt-Karthago. Гюстав Флобер
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Alle Völker waren vertreten: Ligurer, Lusitanier, Balearier, Neger und römische Überläufer. Neben der schwerfälligen dorischen Mundart dröhnten, rasselnd wie Feldgeschütz, die Worte der Kelten, und die klangvollen jonischen Endungen wurden von Wüstenlauten verschlungen, rauh wie Schakalgeheul. Den Griechen erkannte man an seiner schlanken Gestalt, den Ägypter an den hohen Schultern, den Kantabrer an den feisten Waden. Karier schüttelten stolz die Federbüsche ihrer Helme. Kappadokische Bogenschützen sah man, die auf ihrem Körper Blumenarabesken trugen, mit Pflanzensäften aufgemalt. Auch Lydier saßen beim Mahle, in Frauengewändern und Pantoffeln, Gehänge in den Ohren. Andre hatten sich zum Schmucke mit Zinnober angestrichen und sahen aus wie Statuen aus Korall.
Sie ruhten auf Kissen, hockten schmausend um große Schüsseln oder lagen auf dem Bauche, die Ellbogen aufgestemmt, und zogen die Fleischstücke zu sich heran, alle in der gemächlichen Haltung von Löwen, die ihre Beute verzehren. Die zuletzt Gekommenen lehnten an den Bäumen, blickten nach den niedrigen Tischen, die unter ihren scharlachroten Decken halb verschwanden, und harrten, bis die Reihe an sie kam.
Da Hamilkars Küchen nicht ausreichten, hatte der Rat Sklaven, Geschirr und Liegebänke geschickt. In der Mitte des Gartens flammten wie auf einem Schlachtfelde, wenn man die Toten verbrennt, große helle Feuer, an denen Ochsen gebraten wurden. Brote, mit Anis bestreut, lagen neben Käsen, größer und schwerer als Diskosscheiben. Mischkrüge voll Wein und Wasser standen neben Körben aus Goldfiligran, in denen Blumen dufteten. Die Freude, nun endlich nach Belieben schwelgen zu können, weitete aller Augen. Hier und da erklang bereits ein Lied.
Auf roten Tonschüsseln mit schwarzen Verzierungen trug man zuerst Vögel in grüner Sauce auf, dann allerlei Muscheln, wie man sie an den punischen Küsten aufliest, Suppen aus Weizen, Bohnen und Gerste, und Schnecken, in Kümmel gekocht, auf Platten von Bernstein.
Dann wurden die Tische mit Fleischgerichten beladen: Antilopen noch mit ihren Hörnern, Pfauen in ihrem Gefieder, ganze Hammel, in süßem Wein gedünstet, Kamel- und Büffelkeulen, Igel in Fischsauce, gebackene Heuschrecken und eingemachte Siebenschläfer. In Mulden aus Tamrapanniholz schwammen safranbedeckt große Speckstücke. Alles war reichlich gewürzt mit Salz, Trüffeln und Asant. Früchte rollten über Honigscheiben. Auch hatte man nicht vergessen, ein paar von den kleinen, dickbäuchigen Hunden mit rosigem Seidenfell aufzutragen, die mit Oliventrebern gemästet waren, ein karthagisches Gericht, das die andern Völker verabscheuten. Die Verwunderung über neue Gerichte erregte die Lust, davon zu essen. Die Gallier, mit ihrem langen auf dem Scheitel geknoteten Haar, rissen sich um die Wassermelonen und Limonen, die sie mit der Schale verzehrten. Neger, die noch nie Langusten gesehen, zerstachen sich das Gesicht an ihren roten Stacheln. Die glattrasierten Griechen, weißer als Marmor, warfen die Abfälle ihrer Mahlzeit hinter sich, während bruttinische Hirten, in Wolfsfelle gehüllt, das ganze Gesicht in ihre Schüsseln tauchten und ihr Essen schweigsam verschlangen.
Es ward Nacht. Man entfernte das Zeltdach über der großen Zypressenallee und brachte Fackeln. Der flackernde Schein des Steinöls, das in Porphyrschalen brannte, erschreckte die dem Mond geweihten Affen in den Wipfeln der Zedern. Sie kreischten laut, den Söldnern zur Belustigung.
Flammenzungen leckten die ehernen Panzer. Die mit Edelsteinen eingelegten Schüsseln glitzerten in bunten Lichtern. Die Mischkrüge, deren Bäuche gewölbte Spiegel bildeten, gaben das in die Breite verzerrte Bild eines jeden Dinges wieder. Die Söldner drängten sich um diese Spiegel, blickten erstaunt hinein und schnitten Gesichter, um sich gegenseitig zum Lachen zu bringen. Andre warfen sich über die Tische hinweg mit elfenbeinernen Fußbänken und goldnen Löffeln und schlürften in vollen Zügen Wein: griechischen, den man in Schläuchen aufbewahrt, kampanischen, der in Amphoren verschlossen ist, kantabrischen, der in Fässern verfrachtet wird, auch Wein aus Brustbeeren, Zimt und Lotos. Auf dem Erdboden stand er in Lachen, darin man ausglitt. Der Dampf der Speisen stieg, mit dem Dunst des Atems vermischt, in das Laubwerk der Bäume. In das Krachen der Kinnbacken tönte der Lärm der Stimmen, der Lieder und der Trinkschalen, das Klirren kampanischen Geschirrs, das in Stücke zersprang, und der helle Klang der großen Silberschüsseln.
Je mehr die Trunkenheit zunahm, desto lebhafter gedachte man der Unredlichkeit Karthagos. Die durch den Krieg erschöpfte Republik hatte nämlich die Ansammlung aller Söldner in der Stadt zugelassen. Gisgo, ihr General, war umsonst so vorsichtig gewesen, sie nur abteilungsweise von Sizilien nach Afrika zu schicken, um die Auszahlung ihres Soldes zu erleichtern, aber der Rat hatte gemeint, sie würden zu guter Letzt in Abzüge einwilligen. Jetzt haßte man sie, weil man sie nicht bezahlen konnte. In den Köpfen der Karthager verwuchs diese Schuld mit den zehn Millionen Mark, die Lutatius beim Friedensschluß ausbedungen, und die Söldner erschienen ihnen als ihre Feinde, genau so wie Rom. Das hatten die Truppen in Erfahrung gebracht, und ihre Entrüstung war in Drohungen und Ausschreitungen zum Ausdruck gekommen. Schließlich hatten sie verlangt, sich zur Erinnerungsfeier eines ihrer Siege versammeln zu dürfen. Die Friedenspartei gab nach aus Rachlust gegen Hamilkar, der die Seele des Krieges gewesen war. Trotz Hamilkars starkem Widerspruch hatte der Feldzug ein Ende genommen, worauf der Feldherr – an Karthago verzweifelnd – den Oberbefehl über die Söldner an Gisgo abgegeben hatte. Wenn nun die Karthager seinen Palast dem Soldatenfeste zur Verfügung stellten, so wälzten sie damit einen Teil des Hasses, der den Söldnern galt, auf Hamilkar ab. Ihm sollten die zweifellos riesigen Ausgaben möglichst allein zur Last fallen.
Stolz darauf, daß sich die Republik ihrem Willen gebeugt hatte, wähnten die Söldner, nun endlich heimkehren zu können, mit dem Lohn für ihr Blut in der Tasche. Jetzt im Taumel der Trunkenheit erschienen ihnen die überstandenen Strapazen ungeheuer groß und in keinem Verhältnis zu dem kärglichen Solde. Sie zeigten einander ihre Wunden und erzählten sich von ihren Kämpfen, ihren Fahrten und den Jagden in ihrer Heimat. Sie ahmten das Geschrei und die Sprünge der wilden Tiere nach. Dann kam es zu schweinischen Wetten. Man steckte den Kopf in die großen Steinkrüge und trank, ohne abzusetzen, wie verschmachtete Dromedare. Ein Lusitanier, ein wahrer Hüne, trug auf jeder Hand einen Mann und lief so zwischen den Tischen einher, indem er dabei Feuer aus den Nasenlöchern blies. Lakedämonier, die ihre Panzer nicht abgelegt hatten, tanzten schwerfällig herum. Einige sprangen mit unanständigen Gebärden vor die andern und ahmten Weiber nach. Andre zogen sich nackt aus, um inmitten des Trinkgeräts gleich Gladiatoren miteinander zu kämpfen. Ein Fähnlein Griechen hüpfte um eine Vase, auf der Nymphen tanzten, während ein Neger mit einem Ochsenknochen den Takt dazu auf einem Blechschild schlug.
Plötzlich vernahm man klagenden Gesang, der bald laut, bald leise durch die Lüfte zitterte, wie der Flügelschlag eines verwundeten Vogels.
Es waren die Sklaven im Kerker. Ein paar Söldner sprangen mit einem Satz auf und verschwanden, um sie zu befreien.
Sie kamen zurück und trieben unter lautem Geschrei etwa zwanzig Männer mit auffällig bleichen Gesichtern durch den Staub vor sich her. Kleine kegelförmige Mützen aus schwarzem Filz bedeckten die glatt geschorenen Köpfe. Alle trugen sie Holzsandalen, und ihre Ketten klirrten wie das Rasseln rollender Wagen.
Als sie die Zypressenallee erreichten, mischten sie sich unter die Menge, die sie ausfragte. Einer von ihnen war abseits stehen geblieben. Durch die Risse seiner Tunika erblickte man lange Striemen an seinen Schultern. Mit gesenktem Haupte blickte er mißtrauisch um sich und kniff, vom Fackelschein geblendet, die Augen zu. Als er aber sah, daß ihm keiner von den bewaffneten Männern etwas zuleide tat, entrang sich seiner Brust ein tiefer Seufzer. Er stammelte und lachte unter hellen Tränen, die ihm über das Antlitz rannen. Dann ergriff er eine bis zum Rande volle Trinkschale an den Henkeln, hob sie hoch in die Luft mit den Armen, von denen noch die Ketten herabhingen, blickte gen Himmel und rief, das Gefäß immerfort hochhaltend:
»Gruß zuerst dir, Gott Eschmun, du Befreier, den die Menschen meiner Heimat Äskulap nennen! Und euch, ihr Geister der Quellen, des Lichts und der Wälder! Und euch,