Letzte Fahrt. Robert Falcon Scott
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Wir fuhren heute an mehreren schönen, meist tafelförmigen Eisbergen vorüber, deren Höhe bis zu 25 Metern ging. Einer kam so dicht heran, als ob er gefilmt werden wollte, und schien ziemlich frisch gekalbt zu sein. Zwischen den oberen Teilen des Eisbergs und den unteren war eine Verschiedenheit des Ursprungs deutlich erkennbar, als ob ein Landgletscher von einer Lage periodischen Schnees nach der anderen bedeckt worden sei. Zwischen diesen waagerechten Schichten harten, weißen Firnschnees zeigten sich eingesprengte Lagen aus blauem Eis.
Ein anderer Eisberg zeichnete sich durch unzählige senkrechte Risse aus, die kreuz und quer liefen, sodass die einzelnen Klötze sich willkürlich bogen und formten, wodurch der ganze Berg ein überaus zerfetztes Aussehen erhielt.
Wir beobachteten in diesen Tagen zahlreiche Walfische von der Art der Riesenwale (Balaenoptera Sibbaldi), die als die größten Säugetiere gelten. Zuerst sieht man einen kleinen dunklen Höcker auftauchen, und gleich darauf spritzt eine Fontäne grauen Nebels ungefähr zwei Meter hoch senkrecht in die kalte Luft empor. Wilson ist mehrmals von diesen Wasserstrahlen erreicht worden; sie hinterlassen einen Übelkeit erregenden Geruch nach ranzigem Öl. Dann verlängert sich der Höcker und empor wälzt sich ein ungeheuer großer, schwarzgrauer runder Rücken mit einem schwachen Wulst längs des Rückgrates, auf dem eine kleine hakenähnliche Rückenflosse erscheint. Dann verschwindet das Tier wieder in der Tiefe. Auch Vögel zeigen sich, antarktische Sturmschwalben, ein Eissturmvogel und heute Morgen Kaptauben.
Es ist ganz unerklärlich, dass das Packeis uns so viel nördlicher begegnet, als wir erwartet haben. Wir haben den Tag über gute Fortschritte gemacht, aber am Abend verdichten sich die Eisströme zu beiden Seiten des Schiffes mehr und mehr, und das Packeis zeigt sich in bedenklich großen Feldern. Noch immer begegnen uns viele Eisberge, teils tafelförmig, teils fantastisch zernagt. Der Abendhimmel war wundervoll, mit jeder möglichen Wolkenform und mit jeder Art Licht und Schatten; die Sonne trat von Zeit zu Zeit aus den Wolkenlücken hervor und beleuchtete mit blendendem Glanz irgendein Eisfeld, einen steil abfallenden Eisberg oder ein Fleckchen blauer See, und Sonnenlicht und Schatten jagten sich beständig über unsere Bahn, die das Schiff auf glattem Kiel und gleichmäßig durchstrich, nur hin und wieder poltern treibende Eisschollen dagegen.
Sollte das Packeis dick werden, so lasse ich das Feuer unter den Kesseln ausgehen und warte, bis sich das Eis wieder öffnet. Lange kann es auf diesem Meridian nicht geschlossen bleiben.
Sonnabend, 10. Dezember. Ich blieb gestern Abend bis Mitternacht auf Deck. Die Sonne tauchte gerade unter den südlichen Horizont; der Nordhimmel flammte in prachtvollem Rosa und spiegelte sich in der ruhigen See zwischen dem Eis wider, während das Eis in allen Farben spielte. Eisberge und Packeis zeigten nach Norden hin einen blassen, grünlichen Farbton mit tiefen, purpurroten Schatten, während die Farbe des Himmels zwischen safrangelb und blassgrün wechselte.
Der heutige Morgen fand uns so ziemlich am Ende des offenen Wassers und wir schafften von einem Eisfeld acht Tonnen Eis herauf. Leutnant Rennick lotete 3585 Meter Tiefe und das Lot brachte zwei Stückchen vulkanischer Lava herauf. Unser Biologe Nelson fing mit einem vertikalen Schleppnetz einige Krustentiere und anderes und nahm eine Wasserprobe und Temperaturen aus 400 Metern Tiefe. Wilson schoss antarktische Sturmvögel und schneeweiße Sturmschwalben.
Eisberg
Gegen ½ 2 kamen wir durch leichtes Packeis, dann aber tiefer in alte, dicke Felder hinein, die sich um einen großen Eisberg gruppierten. Wir machten schleunigst kehrt, um einen anderen Weg einzuschlagen, aber je weiter wir nach Süden vordrangen, desto dicker wurde das Packeis.
Um 3 Uhr stoppten wir und schossen vier Krabbenfresserrobben, deren Leber zum Abendessen vorzüglich schmeckte.
Heute Nacht stecken wir in dichtem Packeis, es lohnt sich kaum der Mühe, weiter vorzudringen! Zwar lässt ein bogenförmiges Stück klaren Himmels, das sich den ganzen Tag im Süden zeigte, auf offenes Wasser in jener Richtung schließen. Vielleicht ist das offene Wasser nur 40 Kilometer entfernt – aber 40 Kilometer wollen in unserer augenblicklichen Lage sehr viel besagen!
Im Packeis gefangen
Sonntag, 11. Dezember 1910. Das Eis schloss sich während der Nacht enger zusammen und um 6 Uhr erschien jeder Versuch, vorwärts zu kommen, aussichtslos; wir ließen also das Feuer ausgehen. Die Eisfelder sind fast einen Meter dick, sehr fest und eng aneinandergedrängt. Die Fläche, die dieses Eis jetzt einnimmt, ist viel größer als zu der Zeit, wo es noch eine einzige Tafel bildete. Wenn also das Ross-Meer im Frühling ganz zugefroren ist, muss die Masse des aus ihm stammenden Packeises im Norden ungeheuer sein. Jedenfalls kommt das Eis um uns aus dem Ross-Meer, nur ist das Fehlen von Pressungen unerklärlich.
Am Abend liefen die Matrosen auf Schneeschuhen übers Eis und genossen diese herrliche Körperbewegung ausgiebig.
Montag, 12. Dezember. Das Packeis war heute Morgen etwas lockerer und eine lang gezogene Dünung deutlich bemerkbar. Oates, Bowers und Gran begaben sich auf Schneeschuhen nach einer angeblichen Insel, die sich aber, wie ich gleich vermutet hatte, als ein seltsam kuppenförmiger Eisberg mit niedrigen Klippen ringsum herausstellte.
Um Mittag haben wir wieder angeheizt und machen gute, aber ungleichmäßige Fortschritte. Bald dünne Eisfelder, die sich leicht zerbrechen lassen, bald ältere, die uns völlig lahmlegen; hin und wieder auch ein massiger aufgepresster Eisberg. Trotzdem sind wir 27 Kilometer südwestwärts getrieben, wenn auch sehr langsam.
Wir probieren heute Atkinsons Speckofen mit gutem Erfolg. Das Innere enthält ein Rohr mit nur einer Windung, die an der Unterseite durchlöchert ist, und aus diesen Löchern tropft der Tran auf einen Asbestbrenner. Der Speck befindet sich in einem den Schornstein umgebenden Behälter, und ein Hahn reguliert das Einfließen des Trans in das Zufuhrrohr. Sehr einfach, aber wirkungsvoll; der Ofen heizt sehr gut, allerdings riecht er auch etwas nach Tran. Aber man würde mit solchen Öfen weder warmes Essen noch eine warme Hütte unten im Süden zu entbehren brauchen.
Ich sprach heute mit Wright, einem unserer Geologen, über die merkwürdige Erscheinung, die für Reisen im Eismeer von großer Wichtigkeit ist: Wenn das Meereis zu Hügeln emporgepresst ist, scheiden diese Eishügel, falls sie vom Seewasser nicht mehr erreichbar sind und nicht wieder davon durchtränkt werden können, ihr Salz vollständig aus; durch Schmelzen kann aus ihnen Süßwasser gewonnen werden, das zum Trinken, zum Füllen der Dampfkessel usw. durchaus brauchbar ist.
Dienstag, 13. Dezember. Ich war fast die ganze Nacht auf den Beinen und habe eine so schnelle, immerwährende Veränderung aller Aussichten noch nie erlebt. Frisch gebildeter Eisschlamm, in dem das Schiff unter vollen Segeln 7 bis 9 Kilometer in der Stunde machte, wechselte mit festem Eis, gegen das aller Kampf vergeblich war. Dann kamen offene Kanäle und leicht überfrorene Rinnen, die uns guten Raum gaben, aber mit einem Mal saßen wir wieder in mächtigen Feldern mit höckrigem Buchteis fest, das zwei bis drei Meter über dem Wasser emporragte und sehr tief hinabreichte, uns aber wenigstens Gelegenheit bot, das Schiff mit Wasser zu versorgen. Schließlich konnten wir nicht mehr von der Stelle und mussten die Feuer ausgehen lassen. Gerade solchem Eis begegneten wir vor neun Jahren mit der »Discovery« bei König-Eduard-Land und es fragt sich immer wieder, ob es auch richtig war, so weit im Osten südwärts