Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

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Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada Gesammelte Werke bei Null Papier

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in Wirk­lich­keit aber ent­deck­te er sei­ne Lei­den­schaft für die See und das Se­geln. Er kauf­te sich sei­ne ers­te Jacht, und ich glau­be kaum, dass es sein Va­ter war, der die­sen Kauf fi­nan­zier­te. Auch ein gut ge­hen­des Sport­ar­ti­kel­ge­schäft kann nicht für einen Sohn von Drei­en Zehn­tau­sen­de auf­wen­den, denn die Jacht war ja nur ein Mit­tel zum Zweck: Hans Ha­gen woll­te auf ihr auch gut le­ben, mit sei­nen Freun­din­nen wei­te, kost­spie­li­ge Rei­sen ma­chen, im Hei­mat­ha­fen jede Nacht aus­ge­hen und nie nach dem Gel­de se­hen.

      In die­ser Zeit ent­deck­te er, wie leicht ein gut aus­se­hen­der jun­ger Mann der gu­ten Ge­sell­schaft Ge­schäf­te ma­chen kann, auch wenn er kei­nen Pfen­nig Ge­schäfts­ka­pi­tal be­sitzt. Er ma­kel­te Häu­ser, be­sorg­te Ef­fek­ten, ver­mit­tel­te Au­tos, schloss Le­bens­ver­si­che­run­gen ab, ließ sich Pro­vi­sio­nen von rechts und von links ge­ben. Sein glän­zen­der, fin­di­ger, blitz­schnel­ler Kopf ließ ihn jede Ge­le­gen­heit zu gu­ten Ge­schäf­ten aus­spä­hen, rasch han­deln. Be­den­ken­los be­nutz­te er sei­ne Ge­walt über Frau­en, es gab auch nicht vie­le Män­ner, die sei­nem Ch­ar­me wi­der­ste­hen konn­ten.

      Aber mit den reich­lich flie­ßen­den Ein­nah­men stie­gen auch sei­ne Be­dürf­nis­se; im­mer la­gen sie einen Schritt vor den Ein­nah­men, und sei­ne Kas­se war im­mer leer. Er aber wuss­te nur ei­nes: Dass er die­ses ihm al­lein zu­sa­gen­de Le­ben des Ge­nus­ses um je­den Preis fort­set­zen woll­te, im­mer un­be­denk­li­cher wur­de er in der Wahl der Mit­tel, die ihm Geld ver­schaf­fen muss­ten: Er stahl Au­tos von der Stra­ße, ver­griff sich so­gar an den Hand­ta­schen mit ihm tan­zen­der Da­men – kurz, er wur­de ein Hoch­stap­ler und ein Dieb. Lan­ge konn­te das nicht gut ge­hen.

      Ein ers­ter Fall wur­de ver­tuscht, da er doch der Sohn ei­nes an­ge­se­he­nen Va­ters war, ein zwei­ter brach­te ihn ins Ge­fäng­nis und aus dem Ge­fäng­nis in die­ses trau­ri­ge Haus, in dem er schon sechs Jah­re leb­te.

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      Sechs Jah­re – ich woll­te mei­nen Ohren nicht trau­en! Die­ser jun­ge Mann leb­te schon sechs lan­ge Jah­re in die­ser trost­lo­sen Um­welt, und er hat­te sich alle Spann­kraft und al­len Zau­ber der Ju­gend be­wahrt! Nichts von der hoff­nungs­lo­sen Trau­er, nichts von dem häss­li­chen Neid hier hat­te auf ihn ab­ge­färbt, wie ein flüch­ti­ger Gast wirk­te er, eben erst ge­kom­men, schon wie­der im Be­griff zu ge­hen, al­len Zau­ber blü­hen­der Welt um sich! Wel­che Kräf­te muss­ten in die­sem Hans Ha­gen wir­ken, wel­che un­zer­stör­ba­ren Ener­gi­en, dass ein Mann nach die­sen sechs Jah­ren, nach acht Wo­chen schar­fen Ar­res­tes noch im­mer nichts von sei­ner Kraft ver­lo­ren, noch im­mer den Schim­mer der großen Welt mit sich trug! Es war mir ein Rät­sel, ich war schon von ein paar Ta­gen Auf­ent­halt hier völ­lig zer­mürbt und nie­der­ge­drückt. Ich habe spä­ter lan­ge über Hans Ha­gen nach­ge­dacht, und ich glau­be, ich habe die Grün­de ge­fun­den, die ihn so un­ver­än­dert stark sein lie­ßen.

      Zum Ers­ten drang nichts tief in ihn ein, so konn­te ihn auch nichts tief ver­let­zen. Er leb­te so auf der Ober­flä­che, sei­ne glän­zen­de Be­ga­bung lock­te ihn hier­hin und dort­hin, im­mer be­tä­tig­te er sich, aber nichts tat er. Er konn­te al­les, auch hier im Bau, den Wacht­meis­tern mach­te er »Fas­son­schnitt«, er schnitt ih­nen die Haa­re auf eine un­ge­wohnt küh­ne, ele­gan­te Art, er mau­er­te bes­ser als ein Mau­rer, er gab Un­ter­richt in Ste­no­gra­fie, Eng­lisch, Fran­zö­sisch, Rus­sisch, er ar­bei­te­te schwer in der Fa­brik, er tisch­ler­te und hat­te auch schon die Schwei­ne ver­sorgt – er konn­te al­les, aber er konn­te al­les auf eine un­ver­bind­li­che, schil­lern­de Art, er war die Un­zu­ver­läs­sig­keit in Per­son, nichts haf­te­te.

      Aber der Haupt­grund sei­ner Un­ver­än­der­lich­keit, sei­ner un­be­sieg­ba­ren Ju­gend war der, dass er hier im To­ten­haus ei­gent­lich kaum an­ders leb­te als drau­ßen. Ge­wiss, die Um­welt hat­te sich ver­än­dert, aber Hans Ha­gen nicht mit ihr. Wenn er drau­ßen die Frau­en be­zau­bert hat­te, so hier die kran­ken Män­ner. Auch den Stump­fes­ten ließ er nicht au­ßer Acht, er ruh­te nicht, bis ein Schim­mer sei­nes Ch­ar­mes ihn be­rührt hat­te. Es war ein­fach lä­cher­lich, wie sie alle auf­blüh­ten, wenn er mit ih­nen sprach.

      Ich sehe sie noch zu­sam­men­ste­hen: den fet­ten Meck­len­bur­ger Bau­ern Red­de­min, den sie we­gen Que­ru­lan­ten­tums in die­sem Haus un­ter­ge­bracht hat­ten, Be­zie­her un­wahr­schein­li­cher Fett­pa­ke­te, und Hans Ha­gen, der sich ein­mal selbst in ei­nem un­be­dach­ten Au­gen­blick als »Tan­go­jüng­ling« be­zeich­net hat­te. Ge­gen­sätz­li­che­res war schlecht­hin nicht denk­bar. Es schi­en kei­ne Brücke zwi­schen den bei­den zu ge­ben: dem fla­chen Ge­nuss­men­schen und dem zä­hen, al­ten, fast sieb­zig­jäh­ri­gen Bau­ern mit dem Bul­len­kopf, den das un­er­müd­li­che Be­har­ren auf ei­nem ver­meint­li­chen Recht in die­se Mau­ern ge­bracht hat­te. Und doch strahl­te der alte, sonst so fins­te­re Mann, da der Ge­nie­ßer mit ihm sprach; sei­ne Au­gen fun­kel­ten, er lach­te dröh­nend, er klopf­te dem an­de­ren freund­lich-hin­ge­ris­sen auf die Schul­tern.

      Er war der wah­re Kö­nig die­ses Hau­ses, der Hans Ha­gen, und die Ver­wal­tung wuss­te das auch. Blind­lings ta­ten die Kran­ken, was er ih­nen riet. Er schrieb ih­nen nicht nur ihre An­trä­ge und Ge­su­che, mach­te ih­nen Hoff­nun­gen auf Ent­las­sung oder ver­trös­te­te sie, er be­gut­ach­te­te nicht nur als »ehe­ma­li­ger Me­di­zi­ner« ihre Schweins­beu­len und Ar­beits­ver­let­zun­gen und er­zähl­te ih­nen, wel­che Ver­band­mit­tel und Me­di­ka­men­te sie beim Arzt for­dern soll­ten, er spen­de­te nicht nur ju­ris­ti­schen Rat wie der fin­digs­te An­walt, nein, er zet­tel­te auch klei­ne vor­sich­ti­ge Ver­schwö­run­gen an ge­gen die Hab­sucht der Kal­fak­to­ren, die Ty­ran­nei der Vor­ge­setz­ten, den schmut­zi­gen Geiz der Ver­wal­tung. Er hat­te sei­ne Hän­de in al­lem, und die­se klu­gen seh­ni­gen Hän­de konn­ten sehr er­folg­reich sein; viel mach­te Hans Ha­gen der Ver­wal­tung zu schaf­fen, die­ser To­ten­kö­nig im To­ten­haus.

      Und wie ein Kö­nig zog er sei­ne Tri­bu­te ein – ge­nau wie drau­ßen. Genau, wie er drau­ßen die Mäd­chen und Frau­en be­zau­bert und un­be­denk­lich je­des Ge­schenk von ih­nen an­ge­nom­men hat­te, so mach­te er es auch hier. Ich habe nie ge­se­hen, dass Hans Ha­gen et­was ver­lang­te, um et­was bat. Das hat­te er auch gar nicht nö­tig, sei­ne An­hän­ger sorg­ten auch so für ihn. Ein Wacht­meis­ter er­zähl­te mir, dass, so­lan­ge Hans Ha­gen in der Ar­rest­zel­le saß, ein stän­di­ges Kom­men und Ge­hen dort war, je­den un­be­wach­ten Au­gen­blick lau­er­ten sie ab, um ihm et­was zu­zu­ste­cken. Stän­dig wur­de an dem Spi­on ge­flüs­tert, des­sen Schei­be man zer­bro­chen hat­te, um ihm das kost­bars­te Gut in der An­stalt, Streich­höl­zer, hin­ein­zu­rei­chen.

      Lag ein an­de­rer Ka­me­rad im Ar­rest, so war er ver­ges­sen, nie­mand dach­te mehr an ihn. Sein Wie­der­auf­tau­chen wur­de eben­so gleich­gül­tig hin­ge­nom­men wie sein Ver­schwin­den. Nicht so bei Hans Ha­gen. Ich habe es selbst ge­se­hen, oft und oft, wie sie zu ihm ka­men, die­se Ärms­ten der Ar­men, die der Hun­ger in den Ein­ge­wei­den kniff. Ein Au­ßen­ar­bei­ter brach­te ihm eine Gur­ke, ein an­de­rer eine Ta­sche voll Pell­kar­tof­feln, hier ein Stück­chen

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