Mami Staffel 7 – Familienroman. Lisa Simon
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»Und, und, und zum Leuchtturm«, fiel ihr Willy ins Wort. »Und, und, und auch zu den Robben. Mama, Papa, da gibt es ganz viele Robben, weißt du.«
»Und Hasen!«
»Und diese komischen Hühner – Robbi, wie heißen die noch mal?«
»Fasanen«, erwiderte Roberta lächelnd. »Ihr habt sogar eine Feder gefunden, nicht wahr?«
»Ja, und ganz viele Muscheln«, Willy sauste los, um den Beutel mit dem Strandgut zu holen.
»Na, da hast du den beiden aber wirklich eine große Freude gemacht«, wandte Cynthia sich an ihre Schwester, die gerade liebevoll ihre neue Nichte betrachtete. Die Kleine war gerade mal zehn Tage alt und ziemlich schrumplig. Trotzdem behaupteten die Eltern, daß sie das süßeste Baby sei, das man in ganz Frankfurt finden konnte. »Und wie ist dir der Urlaub bekommen? Hast du dich auch ein bißchen erholen können, oder waren die beiden so anstrengend, daß du jetzt erst richtig urlaubsreif bist?«
Roberta richtete sich auf und kam an den Tisch.
»Nein, es war wunderbar«, beteuerte sie mit einem schwärmerischen Lächeln auf den Lippen. »Ich möchte keinen Tag dieses Urlaubs missen. Wir hatten jede Menge Spaß und haben es uns so richtig gutgehen lassen.«
»Bis auf die Geschichte mit dem Hasen«, erinnerte Richard mit leiser Stimme.
Robertas Miene verschloß sich, wurde ärgerlich. Sie bekam immer noch Bauchgrimmen, wenn sie an Stephan und Melinda dachte. Vor allem, wenn sie an Stephan dachte…
Ihre Gefühle für ihn schwankten zwischen sehnsüchtiger Zuneigung und wutschnaubendem Zorn. Wahrscheinlich, so dachte sie dann, hatte er sich nur einen kleinen Urlaubsflirt gönnen wollen, nach-
dem sich seine Verlobte so zickig und spröde zeigte. Wie gut, daß sie sich nicht darauf eingelassen hat-
te!
Aber was nutzten alle vernünftigen Ratschläge und Einsichten, wenn das Herz jedesmal, wenn man nur den Namen »Stephan« hörte, wie verrückt gegen die Rippen hämmerte?
Cynthia betrachtete ihre Schwester mit wissenden Blicken.
»Weißt du sicher, daß es die Nachbarn waren?« forschte sie mit einem kleinen, versteckten Lä-cheln.
Roberta schoß das Blut ins Gesicht.
»Natürlich weiß ich das«, explodierte sie. »Diese verzickte Melinda sowienoch hat es ja sogar indirekt zugegeben. Oh, wenn mir die irgendwo noch mal über den Weg läuft…« Sie wußte nicht, was sie dann tun würde, aber Roberta war sich sicher, daß ihr schon was Passendes einfallen würde.
»Aber vielleicht war es auch ihr Verlobter?« Allein der Unterton in Cynthias Stimme hätte Roberta aufhorchen lassen müssen, aber sie tappte prompt in die Falle.
»Nein, niemals!« verteidigte sie Stephan sofort vehement. »Herr Hollrieder würde so etwas niemals tun. Er mag Tiere und Kinder. Seine Verlobte war’s. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.«
»Aha«, machte Cynthia und warf ihrem Mann einen bedeutsamen Blick zu.
»Was heißt ›aha‹? Was willst du damit sagen?« erkundigte sich Roberta gereizt.
»Och, nichts«, wehrte Cindy hastig ab. »Tja, jetzt sind die Ferien vorbei«, wechselte sie rasch das Thema. »Der Alltagstrott hat dich wieder. Gehst du eigentlich dieses Jahr zur Buchmesse?«
Roberta ging auf den Themenwechsel ein.
»Ich muß«, erklärte sie, aber es klang eher lustlos. »Der Verlag will mein neues Buch vorstellen. Da muß ich, sozusagen, repräsentieren. Das heißt, fünf Tage lang Autogramme und Interviews geben, bei Kultursendungen und Diskussionsrunden den Grüßotto spielen und was weiß ich noch alles. Ich werde gleich morgen mit den Vorbereitungen beginnen.«
»So ist das, wenn man berühmt ist«, neckte Richard seine Schwägerin gutmütig. »Jetzt wirst du uns sicherlich gleich fragen, ob wir Anni für diese Zeit zu uns nehmen, nicht wahr? Alles klar, die Kleine kann bei uns bleiben. Da haben die Zwillinge wenigstens eine Spielkameradin.«
»Danke.« Roberta hatte schon überlegt, ob sie die Hündin mitnehmen sollte. Aber für einen Schäferhund waren die Stunden in den Messehallen bestimmt kein Vergnügen. Für einen Menschen bedeutete es ja schon die reinste Quälerei, sich von acht Uhr morgens bis zwanzig Uhr abends in den überfüllten, stickigen Räumen aufhalten zu müssen.
Also zog Anni einen Tag vor Eröffnung der Messe bei den Böringers ein, wo sie sofort das riesige Ehebett als ihr natürliches Refugium erkor und nicht mehr daraus zu vertreiben war.
*
In den schmalen Gängen der Messehalle sechs drängelten sich die Menschenmassen. Promis, von Kamerateams verfolgt, kämpften sich an den verschiedenen Ständen vorbei, hier gab ein bekannter Schriftsteller ein Interview, dort grinste ein Fernsehserienstar in eine Linse, hielt ein Politiker eine kurze Ansprache, präsentierte ein anderer sein Kochbuch oder seine Biographie, die hundertundsoundsovielte, die in diesem Jahr auf den Markt geworfen wurde.
Roberta sehnte sich in die Stille ihres Arbeitszimmers zurück, wo niemand ungebeten hereinplatzen und ihr dumme Fragen stellen konnte. Da klingelte höchstens mal das Telefon, wenn ihre Agentin wissen wollte, wann Robbi denn nun endlich ihr versprochenes Exposé abgeben würde oder der Verlag schickte ein Fax mit irgendwelchen Änderungswünschen.
Ansonsten hatte Roberta ihre Ruhe. Aber hier, inmitten der Hektik dieser übervollen, überquellenden Messe war überhaupt nicht an Pause oder gar Stille zu denken.
Judith, eine der Sekretärinnen, hatte gerade frischen Kaffee aufgebrüht. Dankbar ergriff Roberta die Tasse und ließ sich mit einem erschöpften Seufzer in den nächstbesten Klappsessel fallen.
»Was steht als nächstes an?« erkundigte sie sich beim Cheflektor der Abteilung «Kriminalromane«, der, sehr zu seinem Leidwesen, vom Verlagsleiter zum Dienst am Stand verdonnert worden war.
Herrmann Schüller warf einen kurzen Blick auf den Terminplaner an der Stellwand.
»Vierzehn Uhr Autogrammstunde«, las er vor. »Fünfzehn Uhr dreißig, Kabel Five, öffentliche Diskussion im Pressezentrum. Achtzehn Uhr in der Sonderhalle Sendung. ›Die Rolle der Frau in der modernen Literatur‹, beim Hessischen Rundfunk. Danach hast du frei.«
»Nett.« Roberta nippte an ihrem Kaffee und lehnte den Kopf gegen die Stellwand. »Ich wünschte, es wäre Sonntagnacht. Dann hätte ich das alles schon hinter mir.«
»Und ich wünschte, wir hätten heute den neunundzwanzigsten April zweitausendneun«, murmelte Herrmann Schüller mit einem sehnsüchtigen Blick auf den Kalender. »Dann wäre ich in Rente und brauchte überhaupt nicht mehr hierher oder in den Verlag.«
»Frau Simonas!« Regina Brauer, die Sekretärin, steckte den Kopf durch den Vorhang, der den Aufenthaltsraum von der Ausstellungsfläche trennte und lächelte verbindlich. »Frau Simonas, da ist jemand, der Sie sprechen möchte.«
»Wer?« fragte Roberta wenig interessiert und gähnte ungeniert.
»Er