Californische Skizzen. Gerstäcker Friedrich

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Californische Skizzen - Gerstäcker Friedrich

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preßte des Indianers Knie gegen den Sattel und schnellte die schlanke Gestalt des Wilden auf den Stier zurück, der mit voller Wucht gegen den untersten Querbalken anrennend, halb betäubt von dem furchtbaren Stoß zurücktaumelte.

      Als der Indianer von ihm zurücksprang und das schwarze lange Haar seine Stirn wild umflatterte, unter der nur die dunklen Augen in wildem, triumphirendem Feuer vorblitzten, hielt er in der Rechten ein blankes, kurzes Messer und in der Linken den durchschnittenen Lasso, den er mit einem kurzen jubelnden Lachen gegen die ihren Sinnen kaum trauenden Zuschauer emporhob.

      Der Lärm und Jubelruf aber, der sich jetzt erhob, ist kaum zu beschreiben. — Mit stockendem Athem hatten die entsetzten Zuschauer den vermeintlichen Sturz des tollkühnen Indianers gesehn und das für sein Verderben gehalten, was nur die keck ausgeführte That des unübertroffenen Reiters gewesen, und das Beifallsgeschrei wollte kein Ende nehmen.

      In Californien klatscht das Publikum bei solchen Gelegenheiten aber nicht blos in die Hände, sondern gibt dem, der sich seine Herzen zu gewinnen wußte, auch praktischen Beweise seiner Zufriedenheit. Es ist nämlich Sitte und Gebrauch dort bei solchen Kämpfen, wie sogar beim Tanz, den Mädchen Geld zuzuwerfen, und harte Silber-Dollar wie sogar goldene Unzen regnen häufig in den Saal, wenn eine Schöne beim Fandango die Herzen der Umstehenden zu entzünden wußte, und die tanzende Señorita muß dann das silberne oder goldene Lob selbst auflesen nach ihrem Tanz, als Dank für die Geber.

      In solcher Weise machte sich auch der Jubel der jauchzenden Zuschauer Luft, und von allen Seiten hagelten Silber-Dollar in die Mitte der Arena, und selbst nach dem Kopf des Stieres, der sich jetzt wieder erhoben hatte und die Stirn dem siegreichen Feinde zuwandte.

      „Gracias, muchas gracias caballeros!“ lachte aber der Indianer als er den reichen Segen auf sich niederströmen sah, und den Hut aufnehmend, der ihm beim Sprung vom Kopf gefallen war, und jetzt neben ihm lag, begann er vollkommen kaltblütig die Dollars zusammenzulesen, als der Stier zum neuen Angriff wieder zornig auf ihn einstürmte.

      „Wehr’ dich — wehr’ dich, Valentin!“ ertönte es von allen Seiten, und der kecke Bursche hielt es dabei kaum der Mühe werth, den Kopf etwas zu wenden, daß er die Bewegungen des Anstürmenden beobachten konnte. Dicht vor ihm glitt er ihm aber wie eine Schlange aus dem Weg, und hatte wohl zwanzig Dollar in seinen Hut geworfen, als der Stier zum zweitenmal, und wieder vergebens, gegen ihn anprallte.

      Der Jubel des Publikums stieg mit jeder Bewegung des jetzt durch den getrunkenen Cognac wie durch Aufregung mehr und mehr belebten Indianers. Seine Augen blitzten und funkelten, seine ganze Gestalt hob sich und wurde größer, und die Gefahr, die Andere für ihn fürchteten, schien er mit seinem trotzigen Lachen nur immer auf’s Neue herauszufordern.

      Der Stier selber stutzte aber jetzt über die Ruhe des Feindes, der ihm trotzig und lachend gegenüberstand, und wühlte den Staub auf mit Vorderhuf und Horn, in grimmer, machtloser Wuth.

      „Mira aqui compañero,“ lachte da der Indianer und schritt auf den jetzt trotzig und erstaunt und nur zum neuen Angriff Zurückweichenden zu — mira aqui — „sieh’ die prächtigen Dollar!“ und eine Handvoll herausgreifend, begann er sie vor dem wüthenden Thier in den Sand zu zählen.

      „Eins, — zwei, drei, vier — halt amigo, nicht so hitzig, oder ich verzähle mich — fünf, sechs, sieben, acht — was für großmüthige Gönner, — neun, zehn, elf — zwölf, dreizehn — oh, der Teufel!“ und mit dem lachenden Ausruf war er genöthigt den Hut fortzuwerfen, den der wüthende Stier unter die Hufe trat, und auf Flucht zu denken, denn die scharfen Hörner des Feindes drohten ihm in wohlgemeinten Stößen Verderben. Valentin wich ihnen aber in tollkühnem Muthe nur eben weit genug aus, nicht berührt zu werden, und den Hut aufgreifend, kehrte er schon wieder zu seiner alten Beschäftigung zurück, als der gereizte Stier noch schnaubend die Arena durchrannte, ihn zu finden.

      Wieder begann er jetzt sein Zählen, dicht vor den Hörnern des Wüthenden, bald hier, bald dort hinüberspringend, wie ihn der Angriff zwang, aber stets die Gefahr durch eine anscheinend nur unbedeutende Bewegung des Körpers, der er noch dazu den Ausdruck des Tanzes gab, vermeidend, daß immer neuer Jubelruf die Luft erfüllte, und mancher Dollar noch zu ihm hinüberflog. So ermüdete er zuletzt den Gegner, daß dieser mit dumpfem Brüllen stehen blieb und es ruhig geschehen ließ, wie ihn das schwache Menschenkind vor seinen Augen verhöhnte. Und der Indianer sang und tanzte, und zählte die Dollar in den Sand und lachte und schrie dazu, und trieb die wunderlichsten Streiche, die der Stier nur manchmal mit einem neuen Angriff auf Secunden unterbrechen konnte.

      Die mexikanischen Preiskämpfer waren indessen nur mit eifersüchtigem, wenn auch machtlosem Grimm Zeugen des Triumphs der Rothhaut gewesen, und Einer von ihnen sprang jetzt ebenfalls in die Arena, rief dem Indianer zu, sein Geld zusammenzulesen und stellte sich selber, den Kampf wieder zu beginnen.

      Sein Empfang war gerade nicht ermuthigend, denn Zischen und Pfeifen begrüßte ihn, wie er nur den Sand berührte; der Stier aber, der hier einen neuen Gegenstand sah, an dem er seinen Grimm auslassen konnte, wandte sich von seinem alten Feinde ab und warf sich dem Neugekommenen wild entgegen.

      Dieser, der beste seiner ganzen Gesellschaft vielleicht, empfing ihn ruhig und sprang ihm, seine Stirn selbst mit dem Fuß berührend, leicht über den Kopf. Dadurch gewann er sich wieder das Vertrauen der leicht bewegten Masse, und einzelne Beifallsbezeugungen, besonders von manchem seiner Landsleute, munterten ihn zu weiteren Versuchen auf.

      „Bueno, compañero!“ rief Valentin, der indessen, die langen Haare aus seiner Stirn werfend, Zeuge der That gewesen war, aber keineswegs gesonnen schien, sich den Lorbeer des Tages so leicht entreißen lassen. „Bueno, aber das war Spaß, sieh’ hier!“ und mit den Worten stellte er sich dem wieder gegen ihn anstürmenden Thiere ruhig entgegen, und als es die Hörner niederbog, war er mit einem Satz, den Körper zugleich dabei herumschnellend, daß er mit dem Gesicht nach vorn saß, auf dem Rücken des wild dahinstürmenden Thieres, auf dem er sich über eine Minute lang, bei einem vollen Beifallssturm und trotz der wüthenden Anstrengungen desselben behauptete.

      Der Mexikaner wurde todtenbleich vor Wuth.

      „Das ist Nichts!“ schrie er mit wildem Lachen, und als sich der Stier, der sich des Reiters nicht entledigen konnte, bis dieser selber von ihm absprang, jetzt gegen ihn wandte, suchte er mit gleichem Sprung dem tollkühnen Wagen der Rothhaut gleichzukommen. Wuth und Aerger aber nahmen ihm vielleicht das kalte Blut, dessen er zu solchem Kampf bedurfte. Er überschätzte den Sprung, mit dem er sich zu weit nach hinten warf, und der Stier fühlte kaum den Feind an sich niedergleiten als er sich wandte und den Gestürzten, ehe dieser im Stande war sich emporzurichten, mit den Hörnern faßte, und, als ob es ein Kind gewesen wäre, in die Luft schleuderte.

      „Carambo!“ schrie der Indianer lachend, als das jetzt zu rasender Wuth getriebene Thier den stürzenden Körper wieder auf die Hörner fing und dann zu Boden trat. „Das ist den Spaß zu weit getrieben!“ und während drei der übrigen Kämpfer über die Barriere sprangen, ihrem Kameraden beizustehen, aber ehe Einer von ihnen den Stier erreichen konnte, warf sich ihm Valentin auf’s Neue entgegen, und diesmal, wie den Tod suchend, mitten zwischen seine Hörner hinein.

      Der wilde Sohn dieser Berge wußte jedoch was er that, und während ein Angstschrei der Zuschauer die Luft erschütterte, sprang er, mit dem kurzen Stahl in der Rechten, von dem zusammengebrochenen todten Stier zurück, dem er die Rückensehne des Bugs mit sicherem Stoß durchschnitten. Und um die beiden Leichen tanzte der Wilde, unter dem Beifallssturm und Geldwerfen der Menge, den Fandango.

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