Amerikanische Reise 1799-1804. Alexander von Humboldt

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Amerikanische Reise 1799-1804 - Alexander von  Humboldt Edition Erdmann

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die Sprünge in dem glasierten Ofen, auf die er ganz erpicht ist, oder er schleicht wie ein Igel an den Wänden umher und betrachtet die Simse. Er versichert mich selbst dabei, daß er im Alleinsein oft ¼ St[unde] lang fast alle Besinnung verliere. Übrigens ist er unendlich interessant und liebenswürdig – ein Schatz von Kenntnissen, mit denen er mir sehr nützlich wird. Er bleibt 14 Tage hier, geht dann über Ischl und Gmunden nach Salzburg, bleibt einige Wochen bei mir und will im Winter durch Tirol nach Italien. Sein Gemütszustand ist gewiß bedenklich und, ich glaube, meist physischen Ursachen, angestrengtem Denken und Mangel an Nahrung zuzuschreiben. Ich bin in ihn gedrungen, mehr zu essen und einmal einige Monate recht sinnlich zu leben.«108

      Beide kamen überein, im Winter in Salzburg meteorologische, eudiometrische, astronomische und barometrische Messungen durchzuführen. Alexander verabschiedete sich im Oktober in Wien. Er verließ die österreichische Hauptstadt »recht ungern«109, das Ende dieser »köstlichen Zeit« bedrückte ihn110. Wien hatte ihm derart viele Anregungen geschenkt, dass er dankbar sein musste. Doch die Unruhe der Weltstadt störte ihn auf die Dauer, er verlangte nach einem ruhigeren Ort, der indes in Grenznähe liegen sollte, um bei einer günstigen Wendung sofort nach Italien reisen zu können.111 Der ältere Bruder hatte ohnehin nach Italien und Frankreich gehen wollen. Ihm bedeutete die Änderung der zeitlichen Folge nicht viel. Bei Alexander war es anders. Er durfte keine Zeit vergeuden. In Linz sprach er mehrere Gelehrte und besuchte von dort aus Gmunden, den Traunfall und den Traunsee; er reiste »der schönen Gegend wegen« sehr langsam und meinte: »Ich gestehe, daß ich in der Schweiz kaum solche große Naturszenen kenne, als diese Oberösterreichischen.«112

      So kam Humboldt erst am 26. Oktober 1797 in Salzburg an. Leopold v. Buch folgte ihm später nach. Hier begann erneut die intensive Übung im Gebrauch von Spiegelsextant, Barometer und Eudiometer u. a. sowie eine nochmalige Lektüre vieler Reisewerke. Er schrieb am 31.12. 1797 von Salzburg an Josef van der Schot: »Ich erfülle meine Zwecke treulich, die ich mir vorgesetzt, aber da diese Zwecke keine anderen als die des Lernens, Studirens, Einübens mit meinen physikalischen und astronomischen Instrumenten, Präparirens zur westindischen Reise sind, so läßt sich selbst dem Freunde wenig davon erzählen … Ich lese und schreibe ununterbrochen fort, laufe in Sturm und Regen mit dem Electrometer in Luftschichten [?] umher und durchblättere alle Reisebeschreibungen, die ich schon sonst gelesen und von denen die Bibliothek des hiesigen Botanikers Baron Moll (der aber selbst keine Pflanze kennt) leider! eine Menge enthält … Mein Plan ist noch immer, Mitte Februar nach Italien aufzubrechen und Sommer 1799 in Deutschland zu sein, wo Sie mich haben wollen.«113 Er hoffte immer noch, van der Schot als Reisegefährten gewinnen zu können. Mit Grüßen bedachte er vor allem Joseph Barth, die beiden Jacquin, Nikolaus Thomas Host – und nicht zuletzt Franz Boos: »Wenn ich von Dankbarkeit rede, so habe ich aber besonders unseres Freundes Boos114 zu gedenken. Sagen Sie diesem, wie innigst ich ihn liebe und hochschätze.«115

      Humboldt hatte nur zwei Monate in Salzburg bleiben wollen, es wurde ein halbes Jahr daraus, und er schrieb innerlich verzweifelt an Joseph Franz Jacquin: »Könnte ich doch nur nach Westindien – aber wenn man sechs Wochen zur See ist, bringt einen ein Kaper dahin zurück, wo man ausläuft. Ich denke, das alles in Paris deutlicher zu sehen.«116

      Von seinem Lehrer Zach angespornt, bestimmte er die Polhöhe Salzburgs, führte eine große Zahl von Höhenmessungen zwischen dieser Stadt und Aussee aus und analysierte den Sauerstoffgehalt der Luft, die zu gleicher Zeit in verschiedener Höhe in Flaschen gefüllt wurde. Am 19. Dezember 1797 bestimmte Buch mit Alexanders neuem Senkbarometer den Gaisberg, gegenüber von Humboldts Wohnung. 453 Toisen über dem Spiegel der Salzach füllte Buch eine Flasche mit Luft, ohne sie mit Wasser zu sperren und zu dichten, um die »Azotirung«, die Anreicherung mit Stickstoff, zu vermindern. »Der eingeriebene Stöpsel war so luftdicht, daß das Wasser, als sich die Flasche unter seiner Oberfläche öffnete, mit Gewalt in die Höhe stieg. Ich untersuchte diese Gebirgsluft und eine andere, die ich in demselben Momente im Thale gesammelt hatte.« Die höhere Luft war sauerstoffärmer, und so galt Voltas am Legnone gewonnene Erkenntnis auch für Berge, die diese zweimal an Höhe übertreffen.117 Lust am Experimentieren, überlegte Versuchsanordnung und Wiederholungen waren stets für Humboldts Vorgehen bezeichnend, und so wurde die gleiche Messung nochmals durchgeführt. Buch kletterte trotz Schnee und Eis wieder auf den Gaisberg. Die gleichzeitigen Thermometerbeobachtungen ergaben dabei eine Temperaturumkehr, d. h. die kältere Luft lag wie eingeschnürt im Tal. Während Buch auf dem Gaisberg + 8½ °R maß, stellte Alexander im Tal nur + ¾ °R fest! Die Sauerstoffabnahme mit der Höhe bestätigte sich erneut.118

      In dieser Zeit benutzte Humboldt häufig die Bibliothek des Freiherrn Karl Ehrenbert v. Moll119, eines fähigen und weithin bekannten Naturforschers, in dessen »Jahrbüchern der Berg- und Hüttenkunde« von nun an auch Aufsätze von ihm erschienen. Moll hatte bereits 1785 mit seinem Freund Franz de Paula Schrank in zwei Bänden Naturhistorische Briefe über Österreich, Salzburg, Passau und Berchtesgaden herausgegeben. Darin waren u. a. Beobachtungen über Härte und Temperatur des Gletschereises, Statistiken und anthropogeographische Tatsachen mitgeteilt worden. Sie lernten auch die Patres Dominikus Beck, von dessen meteorologischen Messungen und Höhenbestimmungen Humboldt allerdings nicht viel hielt, und Prof. Ulrich Schiegg kennen.

      Seit Hacquets Eingreifen bemühte man sich auch in Österreich, auf dem von Scheuchzer und Saussure eingeschlagenen Wege voranzukommen. Dabei war eine erhebliche geographische Arbeit geleistet worden, deren Reflex Humboldt zugutegekommen ist. Im südlichen Bayern war damals kein einziger Ort astronomisch bestimmt gewesen. Auf den Karten unterliefen Abweichungen von 5–6’ »nach allen Weltgegenden«.120 Humboldt versuchte, wirkliche Festpunkte für die Kartographie zu schaffen, wenn auch nicht an vielen Orten, dazu reichte die Zeit nicht. »Nein, ich suche wenige Punkte zu bestimmen, diese aber mit aller Genauigkeit, deren ich und mein schwerer 12zölliger Sextant fähig sind.« So konnte er denn die Polhöhe für Salzburg, Berchtesgaden und Reichenhall ermitteln.

      Der Aufenthalt in Salzburg erwies sich insgesamt als wichtige Station auf dem Weg nach den südamerikanischen Tropen. Dazu zählen selbstverständlich auch sämtliche Exkursionen, die er von hier aus unternahm:

      Am 26. Oktober 1797 war Humboldt in Salzburg eingetroffen. Bereits am 7. November reiste er über Fuschl am See und St. Gilgen am Abersee nach Ischl an der Traun, wo er den originellen Leopold v. Buch traf, der ihn von nun an begleitete. Gemeinsam reisten sie zum Ischler Salzberg, nach Hallstatt zum gleichbenannten Berg, nach Aussee und Altaussee, zum Bergwerk am Sandling und über Aussee und Grisern zurück nach St. Gilgen und waren am 13. November 1797 wieder in Salzburg.

      Am 28. November 1797 besuchten beide die Eiskapelle am Fuß des Watzmanns. Am 3. Dezember weilte Alexander in Berchtesgaden. Den Gaisberg bestieg er am 4. März 1798, wie wir gesehen haben. Vom 7. bis zum 17. April 1798 blieb er in Berchtesgaden; sechs Tage davon weilte er auf Schloss Adelsheim beim Administrator des Hauptsalzamtes Joseph v. Utzschneider.

      Er glaubte, in Salzburg »ein wahres Klosterleben geführt« zu haben, »aber … ein sehr arbeitsames«. Er vollendete Manuskripte, redigierte, korrigierte, experimentierte intensiv wie nie zuvor, korrespondierte, observierte und charmierte in Wort und Tat. Es war, als wüchsen ihm tausend Hände.

      An keinem Ort hat er während seiner sechsjährigen Vorbereitung mehr gearbeitet als hier. In Versuchen und Messungen schuf er sich planmäßig eine Vergleichsgrundlage für die Tropen.

      Im Winter 1797/98 hatte er das gesamte Werk H. B. de Saussures erneut gelesen, »Wort für Wort«. Er schrieb später aus Paris: »J’aime à marcher sur les traces d’un grand homme.« [»Ich liebe es, den Spuren eines großen Mannes zu folgen.«] Das instrumentenreiche Genf erschien ihm wie »le foyer du génie«, wie »der Mittelpunkt des Geistes«, wie er am 22. Juni 1798 im gleichen Brief mitteilte.

      Kein Wunder, dass er nach den Erfolgen in Salzburg das deutsche Genf erkennt, eine Stadt »nicht minder von

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