Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten. Friedrich Glauser
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Читать онлайн книгу Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten - Friedrich Glauser страница 14
»Mein Gott! Mein Gott! Herjeses, ist das gut, daß endlich ein Mensch kommt. Verrecken könnt' man in dem Wald. O je, o je! ganz trümmelig ist mir, und so haben sie mich abgeschlagen!…«
Wer ihn denn abgeschlagen habe, wollte Studer wissen. Da hörte das Gejammer auf, das linke Auge blinzelte verschmitzt – das andere war blau unterlaufen und die geschwollene Haut verbarg es fast ganz – und mit ganz ruhiger Stimme sagte der Obergärtner Cottereau:
»Das tätet Ihr gern wissen, he? Aber von mir erfahrt Ihr nichts. Es war, vielleicht war es… Gar nichts war's! Eigentlich könntet Ihr mir aufhelfen und mich dann heimführen, bin ohnehin ganz naß, die Nacht im Wald… Sie haben mich zwar… Ja, der Meister wird auf mich warten, hat er große Sorge gehabt um mich?«
»Er hat Euch durchs Radio suchen lassen…«, sagte Studer – da hockte der Mann blitzschnell auf, aber eine Grimasse verzog sein Gesicht. Dann breitete sich ein Ausdruck von Stolz darüber aus:
»Durchs Radio?« fragte er. Darauf bewundernd: »Ja, der Ellenberger!… Wie geht's ihm, dem Meister? Ist er schwer verletzt worden?«
Studer schüttelte den Kopf und meinte streng, er werde ihn, den Cottereau, liegen lassen, wenn er nicht sagen wolle, wer ihn überfallen habe.
»Das könnt Ihr machen, wie Ihr wollt, Herr Fahnder«, sagte der kleine dicke Mann, zog einen Taschenspiegel hervor, einen Kamm und begann sich zu strählen.
»So, und jetzt könnt Ihr mich heimführen… Ihr seid ohnehin schuld, daß sie mich so abgeschwartet haben. Aber der Cottereau ist zäh, der sagt nichts, der weiß, was er seinem Meister schuldig ist…«
Und nach einem Schweigen:
»Man wird alt«, sagte der Kleine. »Man ist nicht mehr so rüstig wie früher. Schad, daß der Meister gestern nicht mitgekommen ist, der hätt' die Burschen anders traktiert!«
»Die Burschen?« fragte Studer. »Welche Burschen?«
»Hehe«, lachte Cottereau. »Das möchtet Ihr gern wissen, Wachtmeister. Aber ich sag nichts. Ich mach nicht mehr mit… Punkt… Schluß… Ich mach nicht mehr mit!« Und er schüttelte trotz der Schmerzen, die er offenbar verspürte, ganz energisch den Kopf.
Studer bückte sich. Cottereau legte seinen Arm um die Schultern des Wachtmeisters, richtete sich auf, stöhnend, und begann dann langsam zu gehen. Studer stützte ihn.
»Der Rücken!« klagte der Dicke. »Geschlagen haben sie! Und dazu immer gesagt: ›So!… ein Fahnder von der Stadt will sich in unsere Angelegenheiten mischen! Das ist nur‹, haben sie gesagt, ›eine kleine Probe, Cottereau. Damit du's Maul hältst. Verstanden? Wir haben unsern Landjäger. Wir brauchen keinen Tschucker von der Stadt!‹ Ja, das haben sie gesagt. Und von mir erfährt niemand nichts. Verstanden, Fahnder? Ich bin still. Ich schweige, ich schweige, wie das Grab…« Dann murmelte der alte Cottereau noch einiges, das nicht zu verstehen war…
Wenn Studer gedacht hatte, den ganzen Vorfall vom Ellenberger erklärt zu bekommen, so wurde er enttäuscht. Ellenberger saß auf einem Bänklein vor seinem Haus. Es war eine Art Villa, noch ziemlich neu, ein Schuppen stand hinterm Haus, die Fenster eines Treibhauses schimmerten. Der Ellenberger hatte um den Kopf einen dicken weißen Verband.
»So«, sagte er trocken, »habt Ihr den Cottereau gefunden? Dank Euch, Wachtmeister. Ihr seid ja ein richtiger ›Deus ex machina‹.« – Und er lachte schleppend, als er Studers erstauntes Gesicht sah.
»Warum habt Ihr denn den Radio alarmiert?« fragte Studer endlich neugierig.
»Das werdet Ihr später schon verstehen«, sagte der alte Ellenberger und strich sich über seinen weißen Turban. »Vielleicht hab ich Euch damit einen Dienst geleistet …«
»Dienst?« Studer wurde ärgerlich. »Der Cottereau schweigt sich aus. Und Ihr habt ja auch nichts gesagt. Wer hat Euch angefallen, wer Euern Obergärtner verschleppt?«
»Wachtmeister«, sagte Ellenberger, und er machte ein sehr ernstes Gesicht. »Es gibt Äpfel und Äpfel. Solche, die könnt Ihr vom Baum essen, sie sind reif, und andere, die müßt Ihr einkellern, die werden erst im Horner gut, oder im Märzen… Abwarten, Wachtmeister, bis der Apfel reif wird. Geduld haben. Verstanden?«
Und mit dieser Auskunft mußte sich Studer zufrieden geben. Nicht einmal mit dem Schreier und dem Buchegger konnte er die Bekanntschaft erneuern. Sie arbeiteten noch, hieß es.
Eine Baumschule sei kein Staatsbetrieb, sagte der Ellenberger bissig. Am Samstagnachmittag werde hier geschafft…
Zimmer zu vermieten
Schlumpf hatte dem Wachtmeister erzählt, er habe bei einem Ehepaar gewohnt, das in der Bahnhofstraße ein Korbereigeschäft betrieben habe. Hofmann hätten die Leute geheißen.
Das Haus war nicht schwer zu finden. Auf dem Trottoir, vor dem Laden, standen geflochtene Blumenständer, die sich nach einem Salon und der obligaten Palme zu sehnen schienen. Studer trat ein, eine Klingel schrillte gedämpft in einem hinteren Zimmer und dann betrat eine Frau den Laden. Sie trug eine blaugestreifte Ärmelschürze, ihre Haare waren grau und ordentlich frisiert. Sie fragte, was der Herr wolle, und ihre Höflichkeit wirkte angelernt.
Er komme, sagte Studer, um über den Schlumpf Erwin, der ja hier gewohnt habe, Auskunft einzuziehen. Wachtmeister Studer von der Kantonspolizei. Man habe ihn mit der Verfolgung des Falles betraut, und er hätte gern etwas über den Burschen erfahren.
Die Frau nickte, ihr Gesicht wurde traurig.
Das sei eine heillose Geschichte, meinte sie. Der Wachtmeister möge doch eintreten, sie sei allein, ihr Mann sei hausieren gegangen, ob der Wachtmeister nicht ein wenig in die Küche kommen wolle, sie habe gerade Kaffee gemacht, er könne auch eine Tasse trinken, wenn er wolle.
Ganz ungeniert.
Auf Kaffee hatte Studer gerade Lust…
Und er bereute es nicht, denn der Kaffee war gut, keine laue Brühe wie im ›Bären‹. Die Küche war klein, weiß, sehr sauber. Nur der Stuhl, auf dem Studer Platz genommen hatte, war ein wenig zu schmal…
Studer begann vorsichtig zu fragen.
– Ob der Schlumpf pünktlich gezahlt habe? – O ja, jeden Monat, am letzten, wenn er Zahltag gehabt hätte, sei er gekommen und habe 25 Franken auf den Tisch gelegt. – Und sei am Abend immer daheim geblieben? – Das erste Jahr schon, aber seit färn sei er am Abend oft spät zurückgekommen. – Aha, meinte Studer, eine Liebschaft?
Frau Hofmann lächelte. Es war ein freundliches, mütterliches Lächeln. Studer freute sich im stillen über die Frau. Sie nickte.
– Aber das Mädchen sei nie zum Schlumpf ins Zimmer gekommen? – Nie, nein. Solche Sachen wolle sie nicht haben. Nicht daß sie etwas daran finde, aber in einem Dorf!… Der Wachtmeister werde verstehen…
Studer verstand. Es war an ihm zu nicken, und er nickte überzeugt. Er saß da in seiner Lieblingshaltung, die Schenkel gespreizt, die Unterarme auf den Schenkeln