Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten. Friedrich Glauser
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Читать онлайн книгу Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten - Friedrich Glauser страница 38
»Das hätten wir vorher machen sollen«, sagte der Untersuchungsrichter seufzend. »Aber Sie sind immer so stürmisch, mein lieber Studer, ich komme gar nicht zu Worte.«
»Sie haben selbst gar nicht daran gedacht!« antwortete Studer kurz. »Aber wir können den Schlumpf ja immer noch holen lassen. Eine Konfrontation… Doch bevor wir zu dieser Konfrontation schreiten, habe ich dem Mann da noch ein paar Fragen zu stellen.«
Er schwieg und dachte nach.
»Der Revolver ist bei dir gefunden worden, Augsburger, du wirst nie beweisen können, daß du ihn vom Schreibtisch des alten Ellenberger fortgenommen hast. Das ist dir doch klar, oder? Ellenberger wird es aber leugnen. Du wirst nicht beweisen können, daß du in der Nacht vom Dienstag auf den Mittwoch im Bett gelegen bist. Oder wird der alte Ellenberger dir das bestätigen können?«
»Ich – ich glaub' schon.«
»Gut. Also wer hat dir den Auftrag für den Schlumpf gegeben? Red' doch.«
»Der – der Armin Witschi…«
»Und du hast sagen sollen, der Auftrag käme von seiner Schwester?«
»Ja.«
»Hast du allein mit ihm gesprochen? Mit dem Armin mein' ich?«
»Ja, es war niemand anderer dabei.«
»Woher hast du ihn gekannt?«
»Oh, so… Ich hab ihn gesehen… Früher schon.«
»Ich hätte gerne noch das gestohlene Auto gesehen; aber vielleicht hat es der Herr Gemeindepräsident schon geholt?«
»Ja, gestern.« Der Untersuchungsrichter nickte.
»Desto besser!« meinte Studer. »Sobald ich Neues weiß, berichte ich Ihnen. Übrigens, Sie können den Schlumpf wieder in eine Einzelzelle tun. Er wird nicht mehr probieren, sich aufzuhängen… Wiederluege mitenand!«
Das ›Mitenand‹ bereitete Studer eine besondere Freude.
Er lachte noch still, als er den Gang entlangging, um Sonja abzuholen.
Besuche
Sonjas Hände lagen auf Studers Schultern. Er fand diese Berührung angenehm. Auch hatte es aufgehört zu regnen, der Himmel war weiß. Die Brise wehte kalt, aber Studer fuhr mit dem Wind, da schadete es nicht viel. Ein guter Karren, den sich der Landjäger Murmann da zugelegt hatte. Er machte nicht viel Lärm. Wenn Studer auf die schwarze Asphaltstraße herniedersah, wurde sie von weißen Strichen gemustert. Es wäre alles gut und schön gewesen, aber der Wachtmeister fühlte sich nicht im Blei. Der Kopf schmerzte ihn, außerdem machte sich auf der rechten Seite der Brust, ziemlich weit unten, ein stechender Punkt bemerkbar. Bei der ersten Wirtschaft stoppte Studer, trat ein und bestellte einen Grog. Es war seine Universalmedizin.
»Von wo ist schon die Saaltochter?« fragte er, und die Worte kamen ein wenig schleppend aus seinem Mund.
»Welche Saaltochter?« fragte Sonja.
»Die vom ›Bären‹. Die Freundin von deinem Bruder.«
»Von Zägerschwil. Warum Wachtmeister?«
»Zägerschwil? Ist das weit?«
»Nicht gerade sehr weit«, sagte Sonja. Aber die Wege seien schlecht. Es sei so ein Krachen im Emmental. Auf einem Hügel…«
– Woher sie das wisse? – Armin habe einmal davon er zählt, er sei mit der Saaltochter an einem ihrer freien Tage oben gewesen. – Ja, ob der Armin denn das Meitschi heiraten wolle, es sei doch viel älter als der Bruder. Oder? – Das schon, aber die Eltern hätten Geld – und das Berti habe Erspartes. Armin sei schon ein paarmal bei den Eltern gewesen.
»Wollen wir die Eltern besuchen gehen?« fragte Studer und bestellte noch einen Kaffee-Kirsch. Man mußte sich stärken. Der stechende Punkt verschwand langsam, das Kopfweh hob sich ab und schwebte durch die Luft davon wie eine leichte Kappe, die der Wind fortweht.
»Was wollt ihr dort?« fragte Sonja.
»Du Dumms! Den Armin besuchen. Ich muß ihn doch ein paar Sachen fragen.«
»Meint ihr, er sei…«
»Wo soll er sonst sein? Einen Paß hat er nicht, er ist nicht ins Ausland, vor der Stadt hat er Angst, stimmt's?«
Sonja nickte schweigend.
»Dann bleiben also nur die zukünftigen Schwiegereltern. Wie heißen sie?«
Sie hießen Kräienbühl. Warum auch nicht? Berta Witschi-Kräienbühl, das klang gut, das klang solid. Solider als Witschi-Mischler. Es hing wohl sehr vieles von den Namen ab. Studer riß sich zusammen. Was dachte er da für sturms Züüg zusammen. Er griff verstohlen mit der linken Hand an den Puls der Rechten. Ein wenig Fieber sicher. Aber jetzt konnte man sich eben nicht zu Bett legen. Zuerst mußte der Tod dieses Witschi Wendelin aufgeklärt werden. Da gab's ke Bire… Witschi-Kräienbühl oder Kräienbühl-Witschi. Einerlei! Nur los. Der Kaffee war gut, sollte man noch einen trinken? Gut. Und Studer trank einen zweiten Kaffee.
Sonja tunkte ein Weggli in ihr Glas, sie aß; natürlich, so ein Meitschi mußte ja Hunger haben.
Sollte man sie zuerst heimfahren? Aber daheim bekam sie doch kein warmes Mittagessen.
»Hast Hunger, Sonja?« fragte Studer. »Wenn du was essen willst, sag's nur! Ein Schinkenbrot?« Sonja schüttelte den Kopf.
»Später«, sagte sie.
Kräienbühl-Mischler, Aeschbacher-Ellenberger, Gerber-Murmann… Halt! Wie hieß die Frau des Landjägers mit dem Mädchennamen? Studer probierte so viele Kombinationen durch, daß ihm ganz sturm wurde. Er stand auf.
»Los, gehen wir.« Er hatte Mühe, das Wechselgeld von der Tischplatte aufzuklauben. Aber Sonja half ihm. Es ging.
Und es ging auch weiter gut, sobald er auf dem Sattel von Murmanns Karren hockte. Sonja dirigierte. Es kamen scheußliche Wege, mit tiefen Furchen, der Karren hopste wie bei einer Springkonkurrenz. Studer kam es vor, als fahre er in einem Traum.
Endlich, eine letzte Steigung (von Bangerten aus hatte sich Studer nach dem Weg erkundigen müssen) und sie waren da.
Ein großes Gehöft. Ein altes Einfahrtstor. Es war still. Kein Mensch zu sehen. Studer ging über den Hof, die Tür zur Küche war angelehnt, er klopfte.
»Ja!« rief eine ungeduldige Stimme.
»Grüeß di, Armin«, sagte Studer freundlich. »Die Sonja ist auch mitgekommen.«
Er sah ein wenig zerzaust aus, der Armin Witschi. Die Wellen seiner Haare schichteten sich nicht mehr so triumphierend über der niederen Stirne auf wie früher.
»Der Wachtmeister!« stotterte er.
»Pst!«