Gesammelte Werke. Isolde Kurz

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Gesammelte Werke - Isolde Kurz Gesammelte Werke bei Null Papier

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Griff: am liebs­ten hät­te er gleich einen zwei­ten Band »Flo­ren­ti­ner No­vel­len« ge­druckt. Der Empfang bei der Kri­tik war der güns­tigs­te, man ging so­gar von der da­mals noch weit­ver­brei­te­ten Ge­wohn­heit ab, jede Be­spre­chung ei­nes Bu­ches aus Frau­en­fe­der mit Er­ör­te­rung der Fra­ge von dem weib­li­chen Hirn­ge­wicht ein­zu­lei­ten und güns­ti­gen Falls eine eh­ren­vol­le Aus­nah­me fest­zu­stel­len. Ich war ja schon im Vor­jahr bei der Her­aus­ga­be mei­ner Ge­dich­te mit of­fe­nem Vi­sier er­schie­nen, statt mein Ge­schlecht nach da­mals noch ge­üb­tem Brauch hin­ter ein männ­li­ches Pseud­onym zu ver­ste­cken, ein Brauch, aus dem bei der ver­schie­de­nen Ein­stel­lung der Ge­schlech­ter sich leicht et­was Herm­aphro­di­ti­sches er­gibt, denn der Mann sagt ich, wo die Frau du sagt. Und wie hät­te ich den Na­men mei­nes Va­ters ver­leug­nen kön­nen, durch den ich mich zu der strengs­ten For­de­rung an mich selbst ver­pflich­tet fühl­te.

      Als die Freu­de mei­nes jun­gen Ver­le­gers und mei­ne ei­ge­ne auf dem Gip­fel war, wur­de dem Ar­men ein kal­ter Guß Was­ser ver­ab­reicht. Auf der Kö­nigs­tra­ße in Stutt­gart trat ihn, wie er mir be­trof­fen mit­teil­te, ein »Herr I.« (den vol­len Na­men nann­te er nicht) mit dem Vor­wurf an, wie er so et­was Un­mo­der­nes wie die »Flo­ren­ti­ner No­vel­len« habe dru­cken kön­nen; so groß wie sie als Fort­set­zung der Tra­di­ti­on sei­en, so klein sei­en sie als mo­dern. Der Ein­wurf mach­te ihm schwer zu schaf­fen und zer­stör­te sicht­lich die Hälf­te sei­nes Glücks. Er knüpf­te die ernst­li­che Mah­nung dar­an, mich lie­ber doch zu än­dern und von jetzt an in mo­der­nem Stil zu schrei­ben. Ich sag­te zu mir selbst: Was ist mo­dern? Das Wort kommt von Mode. Mode ist, was einen Tag glänzt und am nächs­ten alt wird. Und was ist Stil? Lässt er sich än­dern? Mein Stil kommt aus mei­nem Blut­kreis­lauf und dem Rhyth­mus mei­nes Le­bens. Ich wer­de ihn wohl be­hal­ten müs­sen, so­lan­ge ich da bin. Dem Ver­le­ger gab ich – in an­de­rer Fas­sung, ver­steht sich, – die Ant­wort Mö­rikes, als ihn ein Re­zen­sent er­mahn­te, sich doch ja eine Ten­denz zu­zu­le­gen, weil es an­ders nicht gin­ge: Will mir gleich einen Knopf in mein Sack­tuch ma­chen.

      Aber im stil­len wurm­te mich’s doch ge­wal­tig, dass mein So­si­us, des­sen Be­geis­te­rung ich für Kunst­ver­ständ­nis ge­hal­ten hat­te, bei dem ers­ten Zwi­schen­ruf um­ge­fal­len war und sich ein­re­den ließ, eine eben herr­schen­de Stil­form, die al­ler­dings für die Dar­stel­lung von Ber­li­ner Hin­ter­häu­sern sich als die rech­te er­wies, kön­ne eben­so auf ita­lie­ni­sche Fürs­ten­hö­fe des Quat­tro- und Cin­que­cen­to an­ge­wen­det wer­den. Fied­lers, die sich da­mals in Flo­renz auf­hiel­ten, trös­te­ten mich, die »Flo­ren­ti­ner No­vel­len« wür­den noch lan­ge ge­le­sen wer­den, wenn von »Herrn I.« kein Lied, kein Hel­den­buch mehr mel­den wür­de. Ich gab nun acht, ob viel­leicht am schwä­bi­schen Dicht­er­him­mel ein Gestirn mit dem An­fangs­buch­sta­ben I. auf­stei­ge, ent­deck­te aber nichts der­glei­chen, und so schöpf­te ich die Hoff­nung, dass mei­ne Freun­de wohl recht be­hal­ten und die Kon­junk­tur­pro­phe­ten zu­schan­den wer­den dürf­ten.

      Auch ei­nes Fehl­ur­teils der of­fi­zi­el­len Kri­tik soll hier ge­dacht wer­den, das un­zäh­li­ge Male wi­der­legt, sich den­noch nicht nur in den Köp­fen der Lai­en, son­dern auch in Li­te­ra­tur­ge­schich­ten fest­ge­setzt hat. Ich mei­ne das im­mer wie­der ein­mal auf­tau­chen­de Miss­ver­ständ­nis, das mich we­gen der ähn­li­chen Stoff­wahl eine Schü­le­rin Kon­rad Fer­di­nand Meyers nann­te, ohne zu be­ach­ten, dass ich durch mei­ne flo­ren­ti­ni­sche Um­ge­bung, in der ich wie ge­fan­gen saß, zu die­ser Stoff­wahl ge­ra­de­zu ge­zwun­gen war. Es half nichts, dass ich auf den großen Un­ter­schied zwi­schen mei­nem an­geb­li­chen Vor­bild und mei­nem ei­ge­nen Wol­len hin­wies: dass der Schwei­zer Dich­ter die Ge­schich­te sel­ber dar­stell­te, wäh­rend ich die Ge­schich­te nur zum Rah­men für frei er­fun­de­ne Ge­stal­ten und Vor­gän­ge mach­te, die ich zu der Höhe des Ge­schicht­li­chen hin­auf­stei­ger­te. Es half auch nichts, dass ich wie­der­holt ver­si­cher­te, die Re­naissance­no­vel­len C. F. Meyers gar nicht ge­kannt zu ha­ben, als ich die mei­ni­gen schrieb (mit ei­ner ein­zi­gen Aus­nah­me: der »Ver­su­chung des Pes­ca­ra«, die mir zu kur­z­em Durch­blät­tern ge­lie­hen wur­de, als ich schon am Ab­schluss mei­ner Samm­lung stand). Wie vie­le auch nach mir zu Re­naissance­stof­fen grif­fen, kei­nem wur­de Ab­hän­gig­keit von dem Schwei­zer Er­zäh­ler nach­ge­sagt, ein­zig die »Flo­ren­ti­ner No­vel­len«, die so of­fen­bar den Stem­pel ih­rer grund­ver­schie­de­nen Her­kunft wie­sen, hat­ten sich im­mer aufs neue ge­gen den Irr­tum zu weh­ren. Ich darf es hier aus­spre­chen: ich war nie­man­ds Schü­le­rin, nur im­mer Schü­le­rin der Na­tur und des Le­bens. Wer dem Wild­wuchs mei­ner Ent­wick­lung ge­folgt ist, wird dies ohne wei­te­res ein­se­hen.

      Das Wun­der­lichs­te bleibt der Um­stand, dass nie­mand dar­auf ver­fiel, der Schwei­zer und die Schwä­bin könn­ten aus der glei­chen Quel­le ge­trun­ken ha­ben, ei­ner Quel­le, die stark und hell vor al­ler Au­gen spru­del­te, der »Kul­tur der Re­naissance« Ja­cob Burck­hardts. So schwer fällt es der mensch­li­chen Be­quem­lich­keit, eine auf­ge­grif­fe­ne falsche Lehr­mei­nung selbst­stän­dig um­zu­den­ken. Nicht ein Schwei­zer Dich­ter hat die »Flo­ren­ti­ner No­vel­len« be­ein­flusst, son­dern ein Schwei­zer Den­ker gab mit sei­ner Stimm­ga­bel den Ton an, worin für un­se­re Ohren zum ers­ten Mal die dä­mo­ni­sche Grö­ße je­ner Tage wie­der auf­klang. – Dass mir Go­bi­ne­aus »Re­naissance« erst vie­le Jah­re spä­ter durch einen Freund, der mir das köst­li­che Buch schenk­te, zu Ge­sicht kam, sei ne­ben­her be­merkt: es er­neu­er­te das alte Be­dau­ern, da­mals in Tü­bin­gen den mir ei­gens zu­ge­dach­ten Be­such des Ver­fas­sers ver­säumt zu ha­ben.

      Höchst ei­gen und rüh­rend war die Stel­lung mei­nes gu­ten Müt­ter­leins zu den Ge­schöp­fen mei­ner Ein­bil­dungs­kraft: sie nahm sie ganz und gar in ihr Herz und ver­kehr­te mit ih­nen wie mit le­ben­den Fa­mi­li­en­glie­dern. So oft sie durch die Via del­la Vi­g­na nuo­va ging, sah sie auf der Log­gia dei Ru­cel­lai, die ihr wie in mei­ner Er­zäh­lung mit gel­ben Sch­lin­gröschen gleich de­nen un­se­res Gar­tens um­rankt schi­en, die schö­ne Toch­ter des Hau­ses ste­hen, ih­ren Rit­ter vom Nord­land er­war­tend. Eben­so zärt­lich lieb­te sie den schö­nen jun­gen Kar­di­nal Or­si­ni aus dem »Hei­li­gen Se­bas­ti­an«, für den ich mir ein­zel­ne Züge von dem his­to­ri­schen Kar­di­nal Ip­po­li­to de’ Me­di­ci lieh, den ich spä­ter in den »Näch­ten von Fon­di« sel­ber dar­stell­te. So sehr lieb­te sie die­se er­fun­de­nen Per­so­nen, dass sie so­gar in ihre See­le hin­ein ei­fer­süch­tig wur­de auf et­wai­ge Nach­fol­ger, die ih­nen den Rang strei­tig ma­chen könn­ten, und un­gern die Be­wer­bun­gen ver­schie­de­ner Ver­la­ge um ein neu­es Buch aus dem glei­chen Stoff­ge­biet sah. Auch mir sel­ber lag es gänz­lich fer­ne, die­sen Wün­schen Rech­nung zu tra­gen, denn ich wuss­te wohl, dass ich auf die­se Wei­se zwar buch­händ­le­risch aber nicht künst­le­risch wei­ter­kom­men konn­te. Vi­el­leicht war es doch eine Wel­le der Zeit­strö­mung, die mich so weit streif­te, dass ich mich ge­drun­gen fühl­te, mei­ne nächs­ten Stof­fe un­ter den Le­ben­den, den klei­nen Leu­ten zu su­chen, aus de­ren Mund der Na­t­ur­laut ver­nehm­li­cher klang als aus dem der Ge­bil­de­ten. So ent­stand nach und nach der Band »Ita­lie­ni­sche Er­zäh­lun­gen«, der erst fünf Jah­re spä­ter er­schi­en als sein Vor­gän­ger, zwar im glei­chen Gö­schen­schen

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