Gesammelte Werke. Isolde Kurz
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Die Novelle erschien wie die meisten anderen in Rodenbergs »Deutscher Rundschau«. Ich hatte um diese Zeit die Freude, die berühmteste und zugleich bescheidenste deutsche Schriftstellerin und gütigste aller Kolleginnen, Marie von Ebner-Eschenbach, kennenzulernen. Sie begrüßte mich gleich mit dem Namen Zenobia auf den Lippen. Die tragische Fantastin, die aus ihrer Niedrigkeit die Augen zu dem Sieger von Austerlitz zu erheben wagt, hatte es ihr, wie sie sagte, angetan, und an dem nächtlichen, einem flammenden Meteore gleichenden Durchzug des Imperators rühmte sie die geheimnisvolle tödliche Anziehungskraft, die die arme Bucklige in den Untergang zwingt, wie das Licht den umschwirrenden Falter.
Wir sind eigentlich alle solche Zenobien, sagte die Dichterin sinnend. Wer hat sich nicht schon in eine ganz nahe Beziehung zu einem unerreichbar Großen hingeträumt, mit dem uns unser Lebensweg nie zusammenführen kann.
Jawohl, sagte ich, der Heldenverehrung meiner eigenen Jugend gedenkend, auch zu Längstgestorbenen und zu solchen, die nie gelebt haben.
Was sie mir noch Gütiges über meine Bücher sagte, war für die allein und abseits Stehende eine große Wohltat. Ich bekam ja lobende Kritiken genug und auch manche sogar überschwengliche Stimme aus Leserkreisen zu hören. Der feinfühlige Laie versteht wohl die Eingebung, die immer das Wesentliche bleibt, doch kennt er nicht die Wege des Zustandekommens, und er soll sie nicht kennen, sie würden ihm den Genuss nur verwirren. Aber verstehende Anerkennung, die der ältere Meister dem jüngeren entgegenbringt, erfreut nicht nur, sie fördert auch. Ich vertraute ihr an, mit was für äußeren Hemmungen meine Arbeiten zu ringen hatten. Die Gefeierte, von der ich annahm, dass ihre gesellschaftlichen Vorteile sie von vornherein jedem Kampf enthoben haben müssten, bekannte mir, wie schwer auch ihr der Weg zum Schaffen gemacht worden sei, und dass sie noch immer ein unverfängliches Stück Papier neben sich auf dem Schreibtisch haben müsse, um es schnell auf ihr Manuskript zu decken, damit sie nicht beim Schreiben überrascht würde. Weil sie meine vermeintliche Gelehrsamkeit bestaunte, erzählte ich ihr, dass ich nie ein Schulzimmer betreten hatte, dass mir kaum jemals Festes, Fertiges übermittelt worden war und dass ich mir mein bisschen Eigen aus der Allverkettung der Dinge selber hatte herausklauben müssen. Sie war vielleicht noch schlimmer gefahren, da sie mit der üblichen Komtessenbildung ihren Weg begonnen hatte und erst später durch die Freundschaft mit einer edlen Frau – Ida von Fleischl –, derselben, die auch die einsame Louise von François betreute, in höhere geistige Welten eingeführt worden war. Jetzt hatte sie einen brennenden Eifer, Lücken auszufüllen, das in der Jugend Entgangene nachzuholen, und umgab sich mit Gelehrten, aus deren Wissen sie gläubig und demütig schöpfte, während sie selber besaß, was kein Gelehrter geben kann: die angeborene Wahrschau in Dinge und Menschen.
Von da an gab es so gut wie keine technischen Schwierigkeiten mehr, jede neue Erfindung brachte von selber ihre Einkleidung mit; dass es mir gar zuletzt noch einfallen könnte, den Inhalt eines geschichtlichen Romans in einen Wandteppich zu pressen, das lag freilich noch in ferner Zukunft. Nur in einem Fall wollte und wollte der immer neugesuchte Wurf nicht herauskommen. Da war eine schon früh geplante Doppelnovelle»Solleone«, die ein Äußerstes an unsichtbaren Mitteln verlangte, um so in Erscheinung zu treten, wie ich sie innerlich sah: dass zwei zeitlich und inhaltlich weit auseinanderliegende Menschengeschicke sich auf einem Schnittpunkt treffen, wo sie als dämonisch aufeinander wirkend erscheinen müssen, enge verbunden durch das Walten einer Urmacht, der hochsommerlichen Sonnenglut, von der die Novelle den Namen hat. Dieser Stoff, den die stillglühende Sommerlandschaft bei einem Aufenthalt in den Toskanischen Hügeln aus sich gebar mit Gestalten, die aus dem Boden kamen, aber sich leise ins Mythische färbten, brannte durch Jahrzehnte in mir weiter, ohne zu erkalten, weil er wie in einem dauernden Feuerbade lag, bis ich ihn mit dem letzten reifsten Können doch noch ins Dasein zu erlösen vermochte. Das beinahe vierzigjährige Warten kam ihm nur zugute; es streifte Überwucherndes ab, das mich gehindert hatte, und gab Gelegenheit, dass ich einen Zeugen des tragischen Vorgangs, der von einem Strahl des tödlichen Gestirns mitgetroffen hinsiecht, im Weltkrieg still verschwinden lassen konnte.
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Während ich andächtig in meiner Töpferwerkstatt saß und aus dem mir anvertrauten Tonklumpen