Gesammelte Werke. Isolde Kurz

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Gesammelte Werke - Isolde Kurz Gesammelte Werke bei Null Papier

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gab sie sich nicht: als Ed­gar ein klei­nes Töch­ter­chen hat­te, setz­te sie es der Wahl ih­rer Schwie­ger­toch­ter ent­ge­gen durch, dass es den Na­men der Ju­gend­ge­lieb­ten ih­res Dich­ters er­hielt, der sich in de­ren Toch­ter wie­der­hol­te, so­dass im Klang zwei­er Sil­ben ein un­er­füll­tes Her­zens­ge­schick von zwei Ge­ne­ra­tio­nen mit der Fa­mi­lie ver­bun­den blieb. – Jede Frau, der ich von die­ser Hal­tung mei­ner Mut­ter er­zähl­te, hat­te dar­auf nur die eine Ant­wort: Dazu wäre kei­ne an­de­re fä­hig ge­we­sen.

      Die Brie­fe mei­ner Mut­ter! Es sei ein­mal an die­ser Stel­le da­von die Rede. Uner­müd­lich spann sie da­mit ein Netz von Lie­be über die dar­ben­de Welt. Je­der war ein Ge­schenk an den Emp­fän­ger, wie das Brie­fe im­mer sein müss­ten; wo sie eine ein­sa­me ver­küm­mer­te See­le wuss­te, da­hin flog ein sol­ches Ge­schenk; seit­dem sie kei­nen Haus­halt mehr zu füh­ren und kei­ne Kin­der zu un­ter­rich­ten hat­te, blieb ihr ja Zeit in Men­ge. Es wäre falsch, die­se Brie­fe geist­voll zu nen­nen, sie wa­ren wo­gen­der See­len­stoff mit je­weils ei­nem Blitz hö­he­ren Er­ken­nens da­zwi­schen. Mit klars­ter Schrift in en­gen Zei­len ge­schrie­ben, um mög­lichst viel auf eine Sei­te zu brin­gen, meist mit kei­nem an­de­ren Da­tum als dem Wo­chen­tag, auf dem schlech­tes­ten, bil­ligs­ten Pa­pier, das auf her­um­zie­hen­den Kar­ren zu fin­den war – nicht die Spar­sam­keit al­lein, auch Rück­sicht auf die ar­men Händ­ler be­stimm­te die Wahl –, so gin­gen die­se arm­ge­klei­de­ten Apos­tel mit den ewi­gen Bot­schaf­ten hin­aus. Aber wäh­rend die Da­men der großen Welt ihre Nich­tig­kei­ten mit der großen stei­len Mo­de­hand­schrift auf bret­ter­stei­fes, mit Na­mens­zug ver­zier­tes Lei­nen oder Büt­ten schrie­ben, des­sen Ge­wicht nicht sel­ten den Emp­fän­ger Straf­ge­bühr kos­te­te, zer­fie­len die­se kost­ba­ren Blät­ter oft schon nach ei­ni­gen Jah­ren we­gen Brü­chig­keit des Pa­piers. Für ihre Kin­der frei­lich wa­ren die­se Mut­ter­brie­fe auch ver­häng­nis­voll, denn die Schrei­be­rin tat sich kei­nen Zwang an, son­dern schüt­te­te al­les aus, was sie be­dräng­te und was ihr durch den Sinn ging; man muss­te ler­nen sie rich­tig zu le­sen. Wie vie­le ban­ge Stun­den ha­ben mir die­se ge­flü­gel­ten Bo­ten in die Fer­ne ge­bracht, wäh­rend die Ab­sen­de­rin die Las­ten, die sie dar­in ab­ge­legt hat­te, bei ih­rer großen Be­weg­lich­keit oft schon sel­ber gar nicht mehr spür­te. Der ein­zi­ge über­le­ben­de ih­rer Söh­ne, Er­win, hat mit Be­dau­ern alle die­se Brie­fe ver­nich­tet, weil sie ein falsches Bild von der Wirk­lich­keit ga­ben und mit all­zu fan­tas­ti­schen Ein­fäl­len, nur den Ein­ge­weih­ten aus­leg­bar, durch­kreuzt wa­ren. Ich konn­te mich zu die­ser Op­fe­rung nicht ent­schlie­ßen. Aber ein Vers an sie, von mei­ner Hand ge­schrie­ben, den ich un­längst un­ter al­ten Pa­pie­ren fand, rief mir die­se Not leb­haft in Erin­ne­rung:

       Schüt­te dein Herz aus,

       Aber ver­schüt­t’ es nicht,

       Und was die Sor­ge spricht

       Leg es als Scherz aus,

       Dass aus den Blät­tern,

       Wenn sie ein Fer­ner liest,

       Mit dei­nen Let­tern

       Nur Freu­de fließt.

      Of­fen­bar war es ei­nes der jähr­li­chen Ge­burts­tags­ge­dicht­chen, wo­mit ich ir­gend­ein klei­nes Ge­schenk zu be­glei­ten pfleg­te, und in die­sem Fall kann die Gabe nur in an­stän­di­gem Brief­pa­pier be­stan­den ha­ben.

      Als ich fünf­zehn Jah­re nach ih­rem Tode zum ers­ten Mal wag­te, ein Bün­del ih­rer Brie­fe zu öff­nen, da flog die Tür auf und sie mit ei­nem Ju­bel­schrei an mei­nen Hals, und ich ver­stand wie­der alle die Macht, die sie auf ihre Um­ge­bung ge­übt hat­te. Und zu­gleich füll­te sich der Raum mit lau­ter ver­trau­ten Ge­stal­ten, die mit dazu ge­hör­ten und eine stär­ke­re Ge­gen­wart be­sa­ßen als alle jetzt Le­ben­den. Da war es eine Pein, zu kei­nem von ih­nen spre­chen zu kön­nen, denn ach, sie wuss­ten nur noch von ih­ren Ta­gen und nichts mehr von den mei­ni­gen.

      1 Dass in ei­nem an­de­ren die­ser Brie­fe Hey­se irr­tüm­li­cher­wei­se ein von Al­fred schlecht be­stan­de­nes Ex­amen dem aus je­der Prü­fung mit Glanz her­vor­ge­gan­ge­nen Ed­gar zu­schrieb, war ihr ein zwei­ter Sta­chel, für des­sen Be­sei­ti­gung ich zu sor­gen ver­sprach. Da es mir nicht ver­gönnt ist, ihre Wün­sche zu er­fül­len, lege ich zur Ver­söh­nung ih­rer Ma­nen die Be­rich­ti­gung an die­ser Stel­le nie­der. <<<

      Mein Haus, mein Haus am Meer.

       Auch heu­te tür­men

       Die Mar­mo­ral­pen schim­mern­de Pas­tel­le

       In dei­nem Rücken auf und drau­ßen brei­tet

       Sich tief­blau, end­los die Tyr­rhe­n­er­wel­le.

       Du träumst den Se­geln nach die fer­ne strei­chen,

       Und an den Zau­be­r­in­seln hängt dein Blick,

       Die mein Erin­nern Tag und Nacht um­flü­gelt.

       Es kann der Wunsch, wie glü­hend er sie male,

       Die Schön­heit, die le­ben­di­ge, nicht er­rei­chen.

       Dort über Ser­ra­vez­za flammt im Stein

       Durch all das Weiß die off­ne rote Wun­de,

       Und Wäl­der le­gen küh­lend sich hin­ein,

       Doch in der Ber­ge wei­ßen Flan­ken schläft

       Die un­ge­bor­ne Welt der Kunst, und oft­mals

       Am Abend rot­tet wie von in­n­rer Glut

       Sich das Ge­stein, als rie­f’ es un­ge­dul­dig.

       Es sinkt der Tag und wir sind un­er­löst.

       Glück­se­li­ger Strand, Ge­sta­de der Ent­rück­ten,

       Schi­en wie der Ort, wo frei von ir­di­scher Schwe­re

       Die Hel­den und die Lie­ben­den sich fin­den,

       Wo fern der Zeit Achill und He­le­na

       Im Schein ver­säum­ten Er­den­glücks sich son­nen.

       Ihr Som­mer, de­ren Stun­den leicht wie Träu­me

       Der Himm­li­schen um un­se­re Stirn zer­ron­nen!

       In im­mer glei­cher Fül­le leb­ten wir

       Unal­ternd, uns­re Lei­ber wa­ren Din­ge

       Aus Licht und Luft, die Son­ne schi­en hin­durch.

       O Son­nen­glühtrank,

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