Gesammelte Werke. Isolde Kurz

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Gesammelte Werke - Isolde Kurz Gesammelte Werke bei Null Papier

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die glei­che. Die Wi­der­stands­kraft, die sie den schwe­ren ih­rer noch war­ten­den Schick­sals­schlä­gen ent­ge­gen­zu­set­zen fand, und das Lä­cheln, das trotz al­lem bis über die Schwel­le des To­des mit ihr ging, kann sie nur dort ge­schöpft ha­ben. Und auch ich sel­ber hät­te nir­gends als am Strand von For­te so­viel Schön­heit und Wär­me in mir auf­spei­chern kön­nen, um in den kom­men­den dunklen Jah­ren nicht ganz am Le­ben zu ver­zwei­feln.

      Das klei­ne Haus, wie es jetzt da­stand und mit un­wahr­schein­lich be­seel­ten Au­gen aufs Meer hin­aus­sah, glich ei­nem le­ben­di­gen We­sen und nahm gleich­sam die Mie­ne sei­ner Be­sit­zer an. Ganz aus schwe­rem Bruch­stein er­rich­tet, den aber fest­lich grü­ne Lä­den leicht mach­ten, durch die an­ge­neh­men Maße und weil es rings­um frei stand, für das Auge viel grö­ßer als es wirk­lich war, hat­te es einen ganz per­sön­li­chen Aus­druck von hei­te­rem Ernst, wozu noch die mehr brei­ten als ho­hen Fens­ter, das mäch­ti­ge, in Län­ge und Que­re ge­teil­te Por­tal und die von Hil­de­brand ge­stif­te­te Mar­mor­bank an der Au­ßen­wand das ihre bei­tru­gen. Die­se Be­son­der­hei­ten wa­ren nicht ohne die wun­der­lichs­ten Rei­bun­gen und Zwi­schen­fäl­le zu­stan­de ge­kom­men. Ich hat­te mei­nem Bru­der nur die Be­rech­nung der Räu­me über­las­sen; für das äu­ße­re Ge­sicht zog ich Hil­de­brand zu Rat, und die­ser ent­warf mit Hil­fe sei­nes Schwie­ger­soh­nes Satt­ler die le­bens­vol­le, von jeg­li­cher Scha­blo­ne ab­wei­chen­de Stirn­sei­te. Als die Mau­ern aus dem Bo­den zu stei­gen be­gan­nen, ließ ich mich für den Früh­win­ter al­lein in der Nähe des Neu­baus nie­der, um die ge­naue Aus­füh­rung des Hil­de­brand-Satt­ler­schen Ent­wurfs zu über­wa­chen. Denn der Werk­füh­rer, ein ein­fa­cher aber sehr ge­schick­ter Mau­rer­meis­ter, hat­te es an­ders vor: er woll­te kurz­weg die ho­hen, schma­len Tür- und Fens­ter­öff­nun­gen, wie er sie bei Ed­gar und Van­zet­ti ge­baut hat­te, wie­der­ho­len, hat­te auch be­reits be­gon­nen die Bo­gen viel zu schmal zu span­nen und fuhr da­mit trotz mei­nes Ein­spruchs fort, in­dem er, so oft ich mit ihm spre­chen kam, sich taub stell­te und aus der Dach­hö­he, wo er han­tier­te, einen Ha­gel klei­ner Stein­chen her­un­ter­fal­len ließ, um mich zu ver­trei­ben. Da blieb mir nichts üb­rig, als die au­gen­blick­li­che Ein­stel­lung des Baus zu be­feh­len. Au­ßer sich lief der Mann zu dem In­ge­nieur, der dem Na­men nach die Obe­r­auf­sicht führ­te, aber nie den Fuß auf die Bau­stät­te setz­te, und klag­te ihm, ich hät­te mit­ten un­ter der Ar­beit Ver­än­de­run­gen an­ge­ord­net, die dem Ver­trag wi­der­sprä­chen. Mei­ne Er­klä­rung, dass der Hil­de­brand­sche Ent­wurf nichts ent­hal­te, was ge­gen den Ver­trag ver­sto­ße, konn­te ich aber nicht be­wei­sen, weil der Werk­füh­rer plötz­lich ver­si­cher­te, die Zeich­nung ver­lo­ren zu ha­ben; ich konn­te nur dar­auf be­ste­hen, dass nicht wei­ter­ge­baut wür­de, bis das Blatt wie­der zur Stel­le sei. Der In­ge­nieur schrieb nun an Ed­gar, dass ich ver­trag­brü­chig ge­wor­den sei und dass die Preis­ver­ein­ba­run­gen hin­fäl­lig wür­den, wenn ich nicht von mei­nen un­be­rech­tig­ten Än­de­run­gen ab­stün­de. Da mein ra­scher Bru­der der falschen Dar­stel­lung glaub­te und un­be­dingt ver­lang­te, ich müs­se mich fü­gen, droh­te der Streit­fall sich in die Fa­mi­lie hin­ein zu er­wei­tern. Aber der All­ver­mitt­ler Van­zet­ti über­nahm es mit sei­ner großen Macht über die Ge­mü­ter der ein­fa­chen Leu­te, den Mau­rer­meis­ter zur Ein­sicht zu brin­gen: die ver­lo­re­ne Zeich­nung war plötz­lich wie­der da und wur­de haar­ge­nau aus­ge­führt, der In­ge­nieur kehr­te in sei­nen olym­pi­schen Gleich­mut zu­rück, und der Schul­di­ge über­nahm den durch sei­nen Ei­gen­sinn ver­ur­sach­ten Mehr­auf­wand. Nur das er­reg­ba­re Bru­der­herz groll­te mir noch eine Wei­le wei­ter, wie er in un­se­ren Kin­der­ta­gen ge­tan hat­te, wenn ich ein­mal an­ders woll­te als er oder auf ir­gend­ei­nem Punkt sei­nen Ge­schmack nicht teil­te. Er hat­te sich mein Häu­schen als ein ver­klei­ner­tes Ab­bild des sei­ni­gen ge­dacht: dass ich im Stil gänz­lich von ihm ab­wich, schnitt ihm in die See­le und ließ ihn das Un­ge­wohn­te von vorn­her­ein als Über­spannt­heit ver­ur­tei­len. Als aber der Bau in sei­ner Ei­gen­art da­stand und die Hil­de­brand­sche Ab­sicht ver­wirk­lich­te, auf kleins­tem Raum den Ein­druck des Mäch­ti­gen zu ge­ben, da be­kehr­te er sich nur zu sehr; das große Tor mit den vier Flü­geln, das, wenn die un­te­ren ge­schlos­sen und die obe­ren of­fen wa­ren, den da­vor­lie­gen­den Mee­res­ho­ri­zont mit den zie­hen­den Se­geln wie in ei­nem schön ge­schwun­ge­nen Rah­men ein­schloss, und das aus­drucks­vol­le, von ei­nem ro­ten Zie­gel­däch­lein wie von ei­ner Braue über­wölb­te brei­te Fens­ter ta­ten es ihm der­ma­ßen an, dass er am liebs­ten sein ei­ge­nes Haus im glei­chen Stil um­ge­baut hät­te. Er ruh­te auch nicht, bis er in dem wie­der­er­wach­ten Wett­ei­fer un­se­rer Früh­zeit bei ei­nem An­bau, den er vor­nahm, noch Ge­le­gen­heit fand, die emp­fan­ge­nen An­re­gun­gen zu ver­wer­ten. Eine Kind­lich­keit die­ser großen Na­tur, die für mich et­was Rüh­ren­des hat­te. – Das gäbe einen hüb­schen No­vel­len­stoff, mein­te wie­der ein­mal Freund Hil­de­brand mit Lä­cheln, als ich ihm er­zähl­te, wel­che Nöte es mich ge­kos­tet hat­te, sei­nen Ent­wurf durch­zu­set­zen. Heu­te, wo das Häu­schen in ei­ner dich­ten Vil­len­rei­he wie ein win­zi­ger Zwerg zwi­schen über­mäch­ti­gen Nach­barn ein­ge­keilt steht und nur noch durch eine au­ßer­ge­wöhn­li­che gärt­ne­ri­sche Um­rah­mung den Cha­rak­ter sei­ner Ein­ma­lig­keit be­wahrt, kann man sich nicht mehr vor­stel­len, wie zwin­gend ein­mal das klei­ne Ding, noch frei in sei­nen ei­ge­nen Ma­ßen ste­hend, mit kei­nem an­de­ren Hin­ter­grund als der viel­gip­fe­li­gen Pi­ne­ta und der edel­ge­form­tes­ten al­ler Al­pen­ket­ten sich dem Stil­ge­fühl auf­er­leg­te. – Die­se Al­pen mit ih­ren auf­ge­ris­se­nen wei­ßen Flan­ken, viel­ge­stal­tig wie die Do­lo­mi­ten, aber noch nicht to­tes Ge­stein wie die­se, ge­wal­tig ohne er­drückend groß zu sein, weil sie fast über­gangs­los aus Mee­res­hö­he auf­stei­gen, und mit­ten inne als Herz­fleck der rote Erd­bruch der Cera­gio­la, der da­mals noch nicht er­schöpft und in Grau ver­blasst war wie heu­te, son­dern tiefrot aus dem Grün der Vor­ber­ge flamm­te, gibt es ir­gend­wo schö­ne­re? Aber dass sie in den glück­li­chen Zei­ten, von de­nen ich er­zäh­le, auch ein Boll­werk ge­gen die Tra­mon­ta­na bil­de­ten und da­mit dem Strand ein pa­ra­die­si­sches Win­ter­kli­ma schenk­ten, da­von weiß nur der klei­ne Rest der Urein­woh­ner noch, die wir bei un­se­rer Sied­lung vor­fan­den. Heu­te möch­te ich nie­mand ra­ten, den Win­ter, wie ich es des öf­te­ren tat, im un­ge­heiz­ten Haus zu ver­le­ben, den gan­zen De­zem­ber hin­durch und noch im Ja­nu­ar zu ba­den und im Som­mer­kleid am Stran­de zu ge­hen. Was auch die kli­ma­ti­schen Vor­gän­ge ver­än­dert ha­ben mag, die Tat­sa­che wie­der­holt sich neu­er­dings je­den Win­ter, dass die Apua­ni­schen Al­pen sich bis her­ab zu ih­rem Fuß mit Schnee be­de­cken, der sei­ne Käl­te auf den einst so mil­den Strand her­un­ter­strahlt.

      Mit der Bei­le­gung des Mau­rer­auf­stands gab sich der klei­ne Ko­bold, der mir bei dem Haus­bau ein Bein ums an­de­re stell­te, noch nicht zu­frie­den; er hat­te sich un­ter­des­sen schon einen neu­en Scha­ber­nack aus­ge­dacht. Ich hat­te mir un­ge­schick­ter­wei­se ein­fal­len las­sen, bei mei­nem gu­ten Müt­ter­lein an­zu­klop­fen, ob sie ein­ver­stan­den wäre, dass ich sie ein­mal zu ei­nem güns­ti­gen Zeit­punkt vor­über­ge­hend in dem Häu­schen al­lein lie­ße, um ein paar Wo­chen deut­sche Luft zu at­men und ihr da­durch Ge­le­gen­heit gäbe, sich in mein frei­wer­den­des Zim­mer einen Gast nach ih­rem Her­zen ein­zu­la­den. Ei­nen Gast! Das Wort elek­tri­sier­te

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